Froststurm. Jan-Tobias Kitzel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jan-Tobias Kitzel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Научная фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783957770615
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fasse ich als ein Ja auf. Bis dann«, sagte sie und legte auf.

      Sebastian lächelte, steckte das Handy voller Genugtuung weg und verabschiedete sich knapp bei seiner Mutter, der er im Gegenzug versprechen musste, sich nächste Woche zu melden. Ein kleines Opfer für einen zügigen Abgang.

      Als er vor die Tür des Starbucks trat und die warme Mittagsluft der Berliner Innenstadt ihn umgab, atmete er durch. Der Tag schickte sich ja doch noch an, angenehm zu werden.

      Küsse mit Beigeschmack

      Sie rannten durch die Nacht. Sirenen hinter ihnen. Sirenen unterm Sternenhimmel in einer warmen Winternacht. Regina lief so schnell es ging hinter Ben her, aber ihr Hüftspeck ließ seine Geschwindigkeit einfach nicht zu.

      Plötzlich blieb Adonis stehen und zog sie abrupt in eine Seitengasse. Der Geruch nach verwesendem Müll lag in der Luft, quoll geradezu aus den drei herumstehenden Müllcontainern. Werbeflyer für einen Chinaimbiss pflasterten den Boden. Essen musste man ja selbst hier im Industriegebiet. Er drückte sie an die Wand, Regina wagte kaum zu atmen. Seine Haut so nah, sein Herzschlag so deutlich spürbar. Dann jagten zwei Polizeiwagen an der Gasse vorbei, das Blaulicht zuckte kurz hinein, dann verschwand es wieder. Und mit ihm die Bedrohung, die sie gejagt hatte. Ihr Herz schlug bis zum Hals, sie lehnte den Kopf an Bens Brust. Der lachte und wuschelte ihr durchs Haar. Er lachte. In dieser Situation. War es so alltäglich für ihn geworden, bei Unternehmen einzubrechen, die die Umwelt verschmutzten? Oder war es nur seine Art, mit dem Adrenalin umzugehen? Sie schaute zu ihm hoch, das Licht einer fernen Straßenlaterne brach sich in seinen eisblauen Augen. Er zog sie näher an sich und küsste sie. Der Moment dauerte ewig und doch nur ein paar Sekunden. Wie gern hätte sie ihn verlängert, doch da zog er sie schon weiter, weg vom Ort des Geschehens, hinein in die Nacht. Sie hatten noch einiges vor.

      Ben streichelte ihr sanft über den Kopf, spielte mit ihren fingerkurzen, roten Haaren herum, die am Hinterkopf hochgegelt waren. Er mochte ihre neue Frisur – kurz war in – hatte sie getröstet, nachdem sie mit Tränen in den Augen vom Friseur nach Hause gekommen war. Nach Hause. Wie schön sich das anfühlte, das über seine Wohnung sagen zu können. Sie ließ sich vollends fallen, schmiegte sich noch enger an seinen nackten Körper unter der Bettdecke, ließ das wohlig-warme Gefühl nach dem Sex durch ihren ganzen Körper ziehen.

      Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn, was ihr einen Schauer über den Rücken jagte.

      »Was habe ich bloß früher ohne dich gemacht?«, fragte er mit angenehm tiefer, müder Stimme.

      »Auf jeden Fall nicht so viele Computerverbrechen begangen!«, spöttelte sie, was ihr einen sanften Knuff in die Rippen einbrachte.

      »Hey, dafür war ich schon bei mehr unfreiwilligen Eigentumsrelokalisierungen dabei, als du je erleben willst.«

      »Und hast jeweils Kopf und Kragen riskiert. Dabei hast du so einen schönen Kopf.« Sie zog sich höher und küsste ihn spielerisch auf die Nase.

      Er lachte auf und für eine Zeit kuschelten sie sich einfach nur aneinander und ließen die Nacht Nacht sein.

      »Es stimmt. Es war gefährlicher. Aber manchmal ist es notwendig.«

      Sie sah den Lichtern der vorbeifahrenden Autos zu, die durch die halb heruntergelassenen Jalousien ins Zimmer schienen. Der gleichförmige Rhythmus ließ sie fast wegdämmern.

      »Wir ergänzen uns. Zusammen sind wir unschlagbar. Bei der Verteidigung der Umwelt. Und auch so.« Mit diesen Worten rollte sie sich vollends bei ihm ein und nur wenige Minuten später war sie in der Traumwelt. Wo er natürlich auf sie wartete. Sie lebte ihren Traum.

      Gelangweilt scrollte sie durch das Dokument, das ihr das Qualitätsmanagement gerade geschickt hatte. Die Bosse hielten es für eine gute Idee, ein »abteilungsübergreifendes Projektmanagement« einzuführen und nun wollten sie ihre Meinung dazu hören. Aber sollte sie wirklich »Bullshit« schreiben? Kam irgendwie unprofessionell rüber. Regina schob die Tastatur mit einem Seufzen von sich und nahm einen weiteren Schluck Kaffee. Ihre achte Tasse. In zwei Stunden. Koffein hatte einfach seine Wirkung verloren. Aber anders war der Laden hier nicht auszuhalten. Die stellten sich an, als ob sie einen Multimillionen-Konzern und keinen Mittelständler mit 200 Angestellten leiten würden. Und überhaupt, was machte sie hier? Mit rotgeränderten Augen schaute sie zur Wanduhr hinüber. Noch drei Stunden bis Feierabend. Was Ben jetzt wohl machte? Sicherlich etwas Spannenderes als Dokumente zu lesen und »Projekt-Milestones« zu bearbeiten. Leider hatte sie keine Überstunden mehr zum Abfeiern. Waren alle für die letzten Tage mit Ben draufgegangen. Sollte sie vielleicht...?

      Kurzentschlossen stand Regina auf, schnappte ihren Mantel aus der Ecke und verließ ihr Büro. Schnell eine Etage höher. Jetzt nicht lachen! Sie setzte ihren bemitleidenswertesten Gesichtsausdruck auf, steckte ihre Nase ins Sekretariat des Chefs. Ah, perfekt, die treusorgende Seele der Firma, Else, war heute da. Die alte Frau mit der Hochsteckfrisur packte schnell das Nagelset weg, als Regina die Tür öffnete, entspannte sich aber sofort wieder, als sie sah, wer ihr da einen Besuch abstattete.

      »Kindchen, du siehst gar nicht gut aus!« Ehrliche Anteilnahme schwang in ihrer Stimme mit.

      Regina übertünchte den aufkommenden Selbstzweifel mit malader Stimme: »Ja, mir ist total schlecht. Hab mich grad schon übergeben. Sicherlich der Magen-Darm-Virus, der hier überall grassiert.«

      »Dann mal schnell nach Hause, meine Liebe. Ruhe, Bananen und Zwieback! Ich sag Bescheid, dass du gegangen bist.«

      Regina quälte sich ein Lächeln ab.

      »Danke, Else, Sie sind die Beste!«

      Die Sekretärin strahlte mit ihrem sauberen Schreibtisch um die Wette.

      Schnellen Schrittes verließ die Administratorin das Gebäude, stieg in ihr Auto, kramte ihr Handy aus der Tasche und schickte eine SMS.

      »Bin in zwanzig Minuten zu Hause.«

      Sie ließ den Wagen an, ihr Blick fiel auf sich selbst in der spiegelnden Frontscheibe. War das wirklich sie? So entschlossen, gerade, aufrecht. Jemand, der aussah, als ob er wüsste, was er will.

      Ein Griff zum Handy.

      »Bereit, die Welt zu retten!«

      Ben würde wohl kaum nur herumsitzen wollen. Und sie auch nicht. Die Fahrt verging wie im Flug.

      Wissenschaftlicher Vorsprung

      Eine Melange unterschiedlichster Gerüche schlug ihm entgegen, als Sebastian überpünktlich das indische Restaurant betrat. Es lag idyllisch in einer kleinen Seitengasse in einem Wohngebiet. Gegenüber ein fast winziger Park mitsamt Kinderspielplatz und ausreichenden Parkgelegenheiten vor der Tür. Zusammen mit dem multikulturellen Sprachenmischmasch aus den geöffneten Fenstern der Wohnhäuser – bei den Temperaturen derzeit kein Wunder – passte der Inder hier perfekt hin. Als er die ersten Schritte in das mit gedämpftem Licht ausgeleuchtete Innere machte, fühlte er sich gleich wohl. Neben den Gerüchen war es vor allem die geringe Anzahl an Tischen, die eine fast familiäre Atmosphäre aufkommen ließ. Und ein lächelnder Kellner war auch schon auf dem Weg, ein kleiner Inder mit schwarzer Hose und weißem Hemd. Also quasi ein Archetyp seiner selbst. Sebastian lächelte. Der Abend konnte wirklich noch etwas werden.

      »Willkommen im Ramayana. Tisch für eine Person?« Indischer Singsang.

      Sebastian schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Ich bin verabredet. Die Dame wird auf ›Griesinger‹ reserviert haben.«

      Der Inder lächelte in einem fort weiter. »Aber natürlich. Wenn Sie mir bitte folgen wollen?« Der Kellner drehte sich um und strafte den Begriff »folgen« Lügen, als er nur wenige Schritte später schon auf eine Sitznische deutete. Kein Wunder. Wenn er nur zehn Schritte weitergelaufen wäre, hätte er sich schon mit einer Kettensäge durch die hölzerne Bar des wirklich winzigen Etablissements sägen müssen, um voranzukommen.

      »Frau Griesinger hat übrigens vorhin angerufen. Wir sollen Ihnen ausrichten, sie komme ein paar Minuten später.« Der indische