Zurückgekehrt im Hotel stelle ich fest, dass ich trotz des langen Tages überhaupt nicht müde bin. So setze ich mich noch eine Weile auf den kleinen überdachten Balkon meines Zimmers. Von hier aus kann ich beobachten, wie zwei Busfahrer bemüht sind, ihre Fahrzeuge zwischen den inzwischen vier bereits abgestellten Omnibussen zu parken. Das ist nicht so einfach, da ja auch noch eine Durchfahrtsmöglichkeit für den übrigen Verkehr gelassen werden muss. Aber gemeinsam beenden sie erfolgreich ihr Vorhaben und können in das Hotel zurückkehren. Außerdem habe ich festgestellt, dass vor einem Haus gegenüber dem Hotel ein ständiges Kommen und Gehen ist. Ich mache mir die Mühe und entziffere die Beschriftung an der Hausfront. Es ist eine Kirche der Zeugen Jehovas. Ausschließlich ältere Menschen kommen aus diesem Gebäude und steigen in PKW bzw. gehen zu Fuß in Richtung des Stadtzentrums.
Ich setze mich noch eine kleine Weile an den Schreibtisch und schreibe die Erlebnisse des heutigen Tages in das Reisetagebuch. Dann werde ich doch ganz langsam müde und ziehe mich in das Bett zurück. Hoffentlich hat sich morgen das Wetter gebessert. Der Regen muss unbedingt aufhören. Mit diesem Gedanken schlafe ich ein.
Auf der Nordseestraße nach Stavanger
In der Nacht muss es weiter geregnet haben. Als ich heute früh vom Balkon aus auf die Straße schaue, ist es immer noch ziemlich nass. Aber der Regen hat jetzt spürbar nachgelassen. Ich habe sehr gut geschlafen und bin auch richtig ausgeruht. Kurz vor halb acht stehe ich endlich auf und mache mich für den heutigen Tagesablauf fertig.
Im Frühstücksraum ist ganz schön Betrieb. Obwohl bereits zwei Busse abgefahren sind, sind freie Plätze an den Tischen rar. Ich finde doch noch ein Plätzchen und hole mir erst einmal ein Glas Apfelsaft. Dann genieße ich das erste norwegische Frühstücksbüfett. Nach dem Auschecken verstaue ich mein Gepäck wieder im Auto und verlasse dann Mandal. Bei endlich trockenem Wetter mache ich mich auf den Weg nach Stavanger. Zunächst geht es erst einmal zurück auf die Europastraße 39 und dann weiter bis zur kleinen Ortschaft Vigeland. Hier fahre ich quer durch den Ort und komme so zur Landstraße 460. Ihr werde ich jetzt rund 30 Kilometer bis an den südlichsten Punkt Norwegens folgen.
Nach einer endlos erscheinenden Fahrt durch kleine Ortschaften und viele Wälder wird es an den Straßenseiten immer felsiger. Es gibt kaum noch Bäume. 30 Minuten später habe ich den Parkplatz am Kap Lindesnes erreicht. So früh am Morgen ist hier natürlich noch nichts los. Nur vier oder fünf Wohnmobile stehen ganz am Rande des Parkplatzes im Schutze der Felsen. Deren Insassen haben höchstwahrscheinlich hier übernachtet. Sogar der Schalter am Eingang der Anlage, an dem man sonst das Eintrittsgeld bezahlen muss, ist um diese Zeit noch unbesetzt. Frühes Aufstehen hat eben manchmal auch seine Vorteile!
Kap Lindesnes ist der südlichste Festlandspunkt (57° 57` 35`` Nord) Norwegens. Von hier aus sind es genau 1.682 Kilometer Luftlinie bis zum Nordkap - mit dem Auto muss man über 2.500 Kilometer zurücklegen.
Auf einem Felsen steht der in Jahr 1915 erbaute Leuchtturm, der nach Modernisierungen auch heute noch unentwegt sein Licht auf das Meer hinaus schickt. Er soll in rund 19,4 Seemeilen von den Schiffen zu sehen sein. Sein Vorgänger, dessen Reste daneben stehen, wurde am 27. Februar 1656 gebaut und zunächst durch 30 Talglichter betrieben. Erst einige Jahre später wurden fünf Holzkohlefeuer dazu genutzt.
Nachdem ich mein Auto auf dem fast leeren Parkplatz abgestellt habe, beginne ich mit meiner Besichtigungstour. Am Eingang komme ich ja ohne Bezahlung vorbei. Dann muss ich aber erst einmal die 109 Treppenstufen bewältigen, um an den Fuß des Leuchtturms zu kommen. Im Reiseführer der Gemeinde Vigeland habe ich gelesen, dass jährlich rund 70.000 Besucher am Kap gezählt werden. Bestimmt sind es sogar noch mehr, denn es gibt auch heute wieder einige Leute, die schon vor der Öffnung der Kasse erschienen sind. Im Jahr 2000 wurde der Leuchtturm vom Kap Lindesnes in Norwegen durch eine Expertengruppe zur Attraktion des Jahrtausends gewählt.
Leider kann man heute nicht sehr weit auf das Meer hinausschauen. Der Horizont verschwindet im Nebel. So laufe ich eben ein bisschen um den Leuchtturm und das gesamte Gelände herum. Ich erkunde auch den Hügel, auf dem der Turm steht, und sehe dabei, dass sich nebenan noch Reste einer Bunker- und Geschützanlage aus dem Zweiten Weltkrieg befinden. Aber ein Besuch von irgendwelchen militärischen Anlagen des vergangenen Krieges ist nicht so meine Sache. Lieber schaue ich mir mal die Leute an, die auch schon so früh den Weg hierher gefunden haben.
In kleinen Gruppen oder einzeln erklimmen sie mehr oder weniger angestrengt ebenfalls den Leuchtturmhügel. Unter den Besuchern erkenne ich auch das Paar aus Hirtshals mit dem Auto mit dem Nürnberger Kennzeichen wieder. Es scheint so, als wenn sie auch die gleiche Reise wie ich gebucht haben. Ob das so stimmt, wird sich ja bei der nächsten Übernachtung zeigen.
Leuchtturm am Kap Lindesnes
Nach der Besichtigung des südlichsten Punktes Norwegens, fahre ich wieder zurück zur Europastraße 39. Ich benutze aber nicht den gleichen Weg wie bei der Herfahrt. Bei dem Ort Höllen verlasse ich die Straße 460 und fahre über kleine und schmale Nebenstraßen bis zur Ortschaft Lyngdal, wo ich die Europastraße erreichen werde. Dabei komme ich durch saubere und gepflegte Orte, die sich abseits der bekannten Touristenstrecken befinden. In dieser Gegend wird vorwiegend Landwirtschaft betrieben. Auf den Feldern beginnen die Kartoffelpflanzen zu blühen.
In Lyngdal biege ich wieder auf die Europastraße 39 ein und setze dann meine Fahrt in Richtung Westen fort. Während sich das Wetter beim Besuch des Kap Lindesnes von seiner trocknen Seite gezeigt hat, wird es jetzt wieder ziemlich wechselhaft. Mal regnet es ganz stark, dann nur noch ganz wenig und dann überhaupt nicht. Und so geht es immer weiter. Hoffentlich bleibt das Wetter nicht so während der ganzen Reise.
Bei Liknes überquere ich auf einer neuen Brücke den Fedafjorden. Die Europastraße verläuft jetzt unmittelbar am Ufer dieses Fjordes entlang. Kurz vor der Ortschaft Feda wendet sie sich vom Fjord ab und führt in das Inland. Nach weiteren 10 Kilometern habe ich die rund 9.000 Einwohner zählende Stadt Flekkefjord erreicht. Durch den jahrelangen Export von Holz und Fisch bestehen seit dem 13. Jahrhundert enge Verbindungen zu den Niederlanden. So soll es hier in der Stadt auch eine sogenannte „Holländerstadt“ mit Holzhäusern ganz im holländischen Stil geben. Da ich aber erstens noch einen weiten Weg bis nach Stavanger vor mir habe und es zweitens wieder einmal ziemlich stark regnet, muss der Stadtbesuch zu meinem Bedauern leider ausfallen.
In Flekkefjord verlasse ich die Europastraße 39, um meine Fahrt von nun an auf der Reichsstraße RV 44, dem Nordsjövegen, fortzusetzen. In allen Reiseführern, die ich in Vorbereitung auf diese Reise studiert habe, wird den Touristen empfohlen, diese Route abseits der Europastraße zu nutzen. Natürlich muss man dafür auch bedeutend mehr Zeit einplanen. Auf der Europastraße 39 erreicht man schon nach nur wenigen Stunden Fahrzeit Stavanger. Man hat bei dieser Variante nur das eintönige Betonband der Straße vor sich und fährt auch nur durch Wiesen und Felder.
Die Reichsstraße 44 folgt dem Verlauf der Südküste. Zunächst führt sie durch enge Täler und teilweise sehr hohes Gebirge. Ab der Stadt Egersund verläuft der Nordsjövegen dann unmittelbar am Ufer der Nordsee entlang. Sie ist somit die interessantere Straße, die vom Süden in den Westen des Landes führt. Die Reichsstraße 44 ist ziemlich schmal. Es ist aber zum Glück auch recht wenig Verkehr. Wenn doch mal ein Auto entgegenkommt, dann finde ich schnell eine entsprechende Ausweichstelle. Wenn nicht so viele