Das Gespenst mit den Bernsteinaugen
Kapitel 12Die Hochzeit aller inneren Personen
Der verlorene Teil kehrt wieder heim
Kapitel 13Undine – der vergessene (T)Raum
Ein letztes Manöver in der Zeitlosigkeit
Der allgegenwärtigen, alles umfassenden und unbekannten geistigen Kraft in uns allen gewidmet!
Nach den „7 Pforten des Geistes“, 2012, und meinem Autounfall im gleichen Jahr wollte ich meine literarische Tätigkeit beenden. Doch ein Traum in der Nacht auf den 11. 12. 2015 hat mich eines anderen belehrt. Es war eine klare Aufforderung, den Schock des Ereignisses und die Erkenntnisse daraus in einer Weiterführung jenes Themas zu verarbeiten.
Prolog
Träumer:Letzte Frage: Was ist mit dem Weiterleben nach dem Tod?
Wächter:Der Tod ist völlig bedeutungslos. Er betrifft nur das Ego und das Ego ist nur eine kleine Feder an der Schwinge des Adlers, und wenn sie wegfällt, wächst darunter schon eine neue nach, und der ganze Vorgang behindert den Flug des Adlers kaum.
Träumer:Und was bleibt von den Träumen?
Wächter:Sie fließen ins Auge des Ewigen zurück, wenn das letzte Individuum am Ende der Reise erwacht und die Kette unterbricht. Dann nämlich, wenn die gereifte Seele die schützende Hülle ihres Egos verlässt und beginnt, wieder mit den kollektiven Schöpferkräften zu zerfließen, welche die Ursprungsquelle darstellen und für die der Mensch nur ein Blick im Auge des Ewigen ist.
Träumer:So hat der Mensch keine wirkliche Freiheit?
Wächter:Er hat viel mehr: nämlich eine schöpferische Illusion seiner Welt. Er weiß nicht, dass das, was er zu tun beabsichtigt, immer gerade dem entspricht, was er sowieso tun wird.
Träumer:Dann wäre das Wollen nur der Trick, sein inneres Streben mit den vorhandenen Energien in Übereinstimmung zu bringen?
Wächter: Nun – Zukunft ist im Grunde immer auch ein Teil unserer inneren Erwartungen.
Träumer:Und wohin führt die Reise?
Wächter:In alle Richtungen gleichzeitig. Die Summe aller gespeicherten Erfahrungen und Erinnerungen ist die treibende Schicksalskraft, die alles vorwärts peitscht, oder andersherum, die „zukünftige“ Erinnerung ist das, was sich in der Gegenwart auswirkt und die Vergangenheit gestaltet, damit das Hier und Jetzt von den Menschen zu jedem Zeitpunkt richtig „beabsichtigt“ werden kann.
Mit diesen letzten Sätzen aus einem mehrseitigen Dialog meiner inneren Personen hatte ich am 23. März 2012 mein letztes Buch, „Die 7 Pforten des Geistes“, beendet. Zwei Stunden später wurde ich vor meinem Grundstück auf der Einbahnstrasse von einem rückwärtsfahrenden Fahrzeug überfahren, und das nächste, was ich wahrnahm, war das Gesicht von Lussia, meiner Gefährtin, die wie ein leuchtender Vollmond über mir schwebte. Sie sagte mir betrübt, dass ich an meinem Gartenzaun von einem Fahrzeug gerammt, mit dem Gesicht gegen die Glasscheibe geklatscht und danach acht Meter rückwärts durch die Luft katapultiert worden wäre. Man hätte mich mit einem Schädel-Hirn-Trauma sofort in die Klinik gebracht, in der ich nach einem mehrtägigen Koma gerade in diesem Augenblick wieder aufgewacht wäre und sie deshalb schon froh sein müsse, dass ich überhaupt noch lebe.
Doch lassen Sie mich die Geschichte der Reihe nach erzählen: An diesem Tag haben sich ein paar gute Freunde von mir anerboten, mir beim Fällen der Bäume zu helfen, denn mittlerweile hat es sich bei uns längst herumgesprochen, dass ich für Garten- und andere materielle Arbeiten zwei linke Hände habe. An diesem Tag hatte ich mich den Korrekturen meiner letzten Publikation gewidmet (siehe Eingangszitat), als ich plötzlich vor dem Haus einen lauten Schrei und einen dumpfen Knall vernahm. Draussen musste ich mit Schrecken feststellen, dass einer der vier Bäume, die zur Fällung standen, zwar ungefähr in der berechneten Linie fiel, doch leider zehn Zentimeter zu weit links auf den metallenen Gartenzaun prallte und von diesem wieder zurückgefedert wurde und in dieser Bewegung meinen mannshohen, hundertjährigen griechischen Amor zerschmetterte, der auf einem Sockel in der Mitte eines kleines Teiches thronte.
Diese Marmorfigur stand mir emotional besonders nahe, war sie vor 150 Jahren nicht nur prominent am Treppenaufgang der marmornen Eingangshalle des St. Galler Museums platziert, sondern sie hatte in meinem Gedächtnis auch eine ganz persönliche Geschichte hinterlassen. Sie war das Geschenk eines guten Freundes an seine Geliebte, nachdem dieser die Figur 1974 während des Theater-Umbaus auf der ungesicherten Baustelle geklaut hatte (und später ertappt wurde). Ich konnte den leicht beschädigten Amor aber ein paar Jahre später für 1000 Franken von der Stadt zurückkaufen, die ja dafür auch keine Verwendung mehr hatte und ihn einfach in ihren Kellern einlagerte. An diesem schicksalsträchtigen Tag war mir daher in der Folge der ganze Tag verdorben. Immer wieder sann ich darüber nach, was mir dieses Malheur wohl zu sagen hatte, denn ich erahnte, ohne die Begleiterscheinungen aber näher ergründen zu können, einen unbewussten, selbst herbeigeführten Zusammenhang. Jedoch erst acht Monate später, während eines Seminars in Wien, als ich den Menschen von diesem Unfall erzählte, fiel‘s mir mit einem Male wie Schuppen von den Augen und auf einmal war die Sache klar.
Als ich im November 1982 in mein Haus einzog, waren die mächtigen, dreissig Meter hohen Bäume noch zierliche vier-Meter-Sträucher, die nahe am Gebäude direkt an der Grenze zum Nachbarn standen. In den nächsten Monaten, in denen ich mich um die totale Restauration dieses kleinen Hexenhäuschens, eine Art „Neuschwanstein im Gartenhäuschenformat“, kümmerte, wurde ich ein paarmal von Nachbarn und Bekannten auf die Bäumchen angesprochen. Sie wollten wissen, ob ich diese nicht lieber fällen sollte, solange sie noch klein waren. Später würden sie bestimmt riesig werden und da sie vom Haus besehen auf der Süd/West-Seite wuchsen, nähmen sie auch viel Sonne und Licht weg. Doch für mich war das seinerzeit keine Option. Ich kann mich noch