X-World. Jörg Arndt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jörg Arndt
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Религия: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783865068736
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er es entwickelte.

      Rons Stift flog über das Papier. Seine Kreativität war entfesselt. Der Helm bot gewaltige Möglichkeiten, und er gedachte, sie zu nutzen. Endlich konnten die Lichteffekte zum Einsatz kommen, die ihm schon so lange vorschwebten. 3-D war das eine, aber diese Option wirklich auszureizen, das andere. Es ging ihm nicht um billige Effekte. Was er wollte, war ein Spiel, das die Menschen in seinen Bann zog.

      Allerdings schwankte er noch zwischen zwei Wegen, um dieses Ziel zu erreichen. Sollte er Flora und Fauna der Erde kopieren oder doch lieber eine völlig neue Welt entwerfen? Das hätte etwas Verlockendes, auch wenn sehr viel Planung nötig wäre. Er könnte seinen eigenen Planeten entwickeln, vielleicht mit verminderter Schwerkraft und daraus resultierendem Riesenwuchs. Pflanzen und Tiere, die niemand je zuvor gesehen hat, ein aufregendes Universum voller Überraschungen.

      Aber würden sich Menschen dort auch heimisch fühlen? Würde es sie immer wieder in diese ungewöhnliche Umgebung zurückziehen, nachdem ihre anfängliche Neugier gestillt war?

      Womöglich wäre es doch besser, ein idealisiertes Abbild der Erde umzusetzen, in dem die Spieler einander begegnen könnten, vielleicht eine Szene aus der Karibik, mit Sandstrand und Palmen, allerdings ohne lästige Insekten und Spinnen. Eine Art virtuellen Hochglanzprospekt. Das hätte zudem den Vorteil, dass er auf Daten aus älteren Projekten zurückgreifen könnte und nicht alles neu zu entwickeln bräuchte. Schließlich hatte er einen Abgabetermin einzuhalten.

      Andererseits …

      Das Telefon klingelte und riss ihn aus seinen Überlegungen. Er brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Ärgerlich drückte er auf die grüne Taste.

      „Ja?“, sagte er, noch halb in seinen Planungen versunken.

      „Wo bleibst du?“ Die Frauenstimme am anderen Ende der Leitung holte ihn umgehend zurück in die Gegenwart. „Es ist Freitag, und der Kleine ist dieses Wochenende bei dir!“

      Ron zuckte zusammen. Das hatte er völlig vergessen.

      „Hör mal, Lisa“, sagte er matt, „ich kann Jonte jetzt wirklich nicht nehmen. Ich habe einen Auftrag. Das ist die Chance meines Lebens!“

      „Dein Problem“, antwortete die junge Frau ungerührt. „Ich gehe heute Abend ins Kino. Und anschließend …“

      „Bitte, es tut mir furchtbar leid, aber ich muss eine Demo fertig machen. Es geht um diese neuen Cyberhelme, die sie auf der IFA vorgestellt haben …“

      „Ron, arbeitest du wieder an einer dieser Spiel-Welten?“

      „Diesmal wird alles anders, und wenn ich Erfolg habe, bekommen du und der Kleine auch etwas von dem Gewinn ab – bitte! Auf solch eine Gelegenheit habe ich lange gewartet! Können wir das Treffen nicht auf nächste Woche verschieben?“

      Lisa schwieg. Ron konnte seine Ex-Frau atmen hören. Er wusste, dass er sie jetzt nicht weiter bedrängen durfte. Nervös wühlte er in seinen Haaren.

      „Na schön“, sagte sie schließlich. „Aber du erklärst deinem Sohn selbst, warum du schon wieder keine Zeit für ihn hast!“

      „Ja, natürlich, das mache ich, danke, du …“

      „Hallo Papa!“, krähte eine fröhliche Kinderstimme ins Telefon. „Wann kommst du mich abholen?“

      „Hallo, mein Großer! Es tut mir leid, aber wir müssen unser Date leider verschieben.“

      „Ooooooch …“

      „Papa ist dabei, eine neue Welt zu erschaffen!“

      „Auf dem Computer?“

      „Ja!“

      „Und wann darf ich die sehen?“

      „Wenn sie fertig ist.“

      „Dauert das noch lange?“

      „Ich hoffe nicht. Im Moment überlege ich gerade, wie sie genau aussehen soll …“

      „Mit vielen Tieren. Wie die im Zoo. Und ich will einen Tiger!“

      „Okay!“ Ron traf eine Entscheidung. „Du bekommst deinen Tiger. Weißt du was, Jonte, ich mache diese Welt nämlich extra für dich! Aber du musst schön bei Mama bleiben, bis ich so weit bin. Hast du noch mehr Wünsche?“

      „Ja, der Tiger soll ganz lieb sein. Man muss ihn streicheln können. Den im Zoo durfte man nicht anfassen, dabei sah er so kuschelig aus!“

      Ron lächelte. „Du bekommst deinen Tiger“, wiederholte er.

      Im Geist war er schon bei der Umsetzung. Ein zahmer Tiger war leichter zu realisieren als ein aggressiver. Bei einem kompletten Spiel wären natürlich die Auswirkungen auf das Gesamtsystem zu bedenken, aber für die Demo brachte das gute Effekte.

      „So, und nun muss ich wieder an die Arbeit, damit du schnell zu deinem Spiel kommst. Tschüss Jonte!“, rief er, doch der Kleine plapperte unbeirrt weiter.

      „Und einen richtigen Freund will ich haben, einen, mit dem ich Abenteuer erleben kann!“

      Ron durchfuhr es wie ein Blitz. Natürlich, das war überhaupt die Idee. Bots!

      Viele große Spielwelten, die er kannte, hatten den Nachteil, dass man darin mutterseelenallein war, wenn man sich außerhalb der üblichen Zeiten bewegte. Künstliche Intelligenzen, die menschliche User simulierten, wären die Lösung. Selbstverständlich müssten sie gut gemacht sein, aber er hatte bereits entsprechende Pläne in der Schublade. Hier zahlte sich aus, dass er nicht nur Informatik, sondern auch einige Semester Psychologie studiert hatte. Eine abgefahrene Kombination, die ihm jedoch in der Entwicklung von Spielen immer wieder gute Dienste geleistet hatte.

      Kleiner, du bist genial!, dachte er. Er räusperte sich.

      „Okay, Jonte, ich sehe mal, was ich für dich tun kann. Nächsten Freitag darfst du dir deine neue Welt anschauen. Und zwar als Erster. Du wirst dir vorkommen wie Kolumbus, als er Amerika entdeckt hat.“

      „Wirklich?!“, jubelte der Kleine, „eine ganze Welt nur für mich?“

      „Warte es nur ab! Hab ein schönes Wochenende mit Mama!“ Noch ehe Ron das Telefon aus der Hand gelegt hatte, war er schon wieder in sein Projekt vertieft. Die Anregungen seines Sohnes waren Gold wert.

      Endlich hatte er das Ziel klar vor Augen. Für die Demo empfahl sich ein abgegrenzter Bezirk. Am besten eine Insel. Tropisches Klima. Eine üppige Pflanzenwelt. Viele Tiere. Das würde die Grafikleistung des Cyberhelms gut zur Geltung bringen. Zu schade, dass er noch keine genauen Hardwaredaten hatte. Aber okay. Er hatte den Helm auf der Messe ja schon in Aktion erlebt und glaubte, einigermaßen einschätzen zu können, was damit möglich war.

      Ron rief sein Building-Tool auf. Der Monitor wurde schwarz. Lediglich ein aufgeregt blinkender Unterstrich zeigte an, dass der Computer auf Eingaben wartete.

      „Es werde Licht“, murmelte der Programmierer, während seine Finger über die Tastatur flogen.

      Zuerst erschien eine endlose Wasserfläche. Ein weiterer Befehl ließ darin eine Insel aufsteigen. Ron legte die Parameter fest. Ein Quadratkilometer sollte für den Anfang genügen. An der Küste ein tropischer Traumstrand, im Landesinneren ein paradiesischer Garten …

      Ron klickte und tippte und ging in seinem Werk völlig auf. Die Uhrzeit und der Rhythmus der Umwelt hatten jegliche Bedeutung verloren. Gelegentlich aß und trank er, ohne darauf zu achten, was er zu sich nahm. Er liebte diese rauschhaften, schöpferischen Phasen und wollte sie so lange wie möglich auskosten. Doch irgendwann konnte er die Augen nicht mehr offenhalten. Sie brannten vom kalten Licht des Monitors.

      Ron schickte den Computer in den Energiesparmodus und legte sich auf den Teppich in seinem Arbeitszimmer, um einen Augenblick zu entspannen. Bloß keine Zeit verschwenden. Man musste am Ball bleiben, wenn der Kreativitätsstrom floss.

      Nach wenigen Stunden traumlosen Schlafes wachte er auf. Wie in Trance putzte er sich den unangenehmen Geschmack von den Zähnen, ließ den Kaffeeautomaten