Prinzessin wider Willen. Rachel Hauck. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rachel Hauck
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Религия: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783865068026
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bald eine reale Person auftun, die das Haus Augustin-Sachsen wieder vom heiligen Grund des Palastes aus regieren würde.

      Als er um die letzte Ecke vor seinem Büro bog, begegnete Tanner im Korridor seinem Assistenten Louis.

      »Da sind Sie ja.« Louis fiel neben Tanner in den Gleichschritt. Wie immer hielt er seinen kleinen Tablet-Computer in der Hand. »Ich habe versucht, Sie anzurufen.«

      »Ich habe mein Telefon im Auto gelassen, während ich im Museum war.« Auf dem Weg ins Büro griff sich Tanner in die Jackentasche, um ein Kästchen herauszuholen, das er auf den Tisch stellte, bevor er aus dem Mantel schlüpfte und diesen samt seiner Anzugjacke an die Garderobe hängte. »Was ist so wichtig?«

      Tanner hob den Deckel des Kästchens und nahm die Hälfte eines zerrissenen Fotos heraus. Prinzessin Alice, jung, lächelnd, umgeben von einer Aura klassischer Schönheit. Ihr linker Arm – oder das, was Tanner davon erkennen konnte – war mit einem anderen Arm verschränkt. Anhand des Ärmels vermutete er, dass der Partner der Prinzessin ein junger Mann gewesen sein könnte.

      Er drehte das Bild um. Die Schrift war verblasst und ebenfalls entzweigerissen.

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      »Hören Sie mir zu?« Louis beugte sich über den Tisch. »Was haben Sie denn da?«

      »Nichts. Ein Kästchen, das ich einer der Palastwohnungen gefunden habe.«

      »Ein ziemlich unscheinbares Kästchen, finden Sie nicht auch?« Louis versuchte, einen besseren Blick auf das glatte braune Holz zu erhaschen.

      »Ja, ziemlich unscheinbar.« Irgendwie einsam, um ehrlich zu sein. Tanner tat das alte Kästchen leid, das im Palast zurückgelassen worden war. Bevor er es aufgemacht hatte, hatte er gedacht, es gehöre jemandem vom Reinigungspersonal.

      Dann wusste er Bescheid. Es hatte der Prinzessin gehört.

      »Sind Sie so weit, Ihre Termine durchzugehen?«, fragte Louis und hielt Tanner sein iPad hin, sodass der den Kalender sehen konnte.

      »Beginnen Sie.« Mit einem Auge auf Louis und dem anderen auf seinem Computerbildschirm, lauschte Tanner seinem Tagesplan – vorgetragen von Louis Batten.

      Treffen mit dem Kulturbüro der Universität.

      Besprechung der Sponsoren und Lieferanten des Kunstfestivals.

      Beauftragung des Redenschreibers für seine Ansprache im Zentrum zur Bewahrung Europäischer Kunst.

      Während Tanner zuhörte, störte ihn innerlich etwas auf, etwas, das sein Empfinden für Harmonie und Ausgeglichenheit beträchtlich störte. Aber was? Bislang schien alles in Ordnung zu sein.

      Vielleicht lag es an dem Kästchen. Vielleicht war es der Tunnelblick der letzten Monate auf die ehemalige königliche Familie Hessenbergs.

      Vor sechs Monaten hatte der frisch gekrönte König, Seine Majestät König Nathaniel II. von Brighton, Tanner zum Kulturminister ernannt. Als vordringliches Ziel dabei galt es, das Großherzogtum Hessenberg darauf vorzubereiten, wieder eine unabhängige, souveräne Nation zu werden, wenn das hundertjährige Abkommen über das Erblehen zwischen Brighton und Hessenberg auslief.

      Der König war wild entschlossen, eine Lösung zu finden, um die glasklaren, eisenharten Klauseln zu erfüllen. Ein Erbe oder eine Erbin für Hessenbergs augustinisch-sächsischen Thron musste her, um die Insel in die Unabhängigkeit zu führen.

      Wenn nicht, würde das Großherzogtum Hessenberg dauerhaft zu einer Provinz Brightons werden und endgültig die Aussicht verlieren, eine eigenständige Nation zu werden.

      Allein der Gedanke daran ließ Tanners Herz rasen – er sehnte sich danach, dass sein Heimatland ein eigenständiges Land würde. Er wollte, dass es sein geliebtes Hessenberg für weitere tausend Jahre gab. Ein Saphir in der Nordsee.

      »… und ich habe das Treffen mit den jungen Künstlern auf nächste Woche verschoben.« Damit setzte sich Louis auf die Tischkante und lächelte. Er war zufrieden mit sich. »Auf geht’s, wie mein alter Onkel sagen würde. Der Tag kann weitergehen.«

      »Auf geht’s, ja.«

      »Was hat der Kurator denn nun mit dem Renoir gemacht?« Der Assistent war ebenso in das Porträt der letzten Prinzessin von Hessenberg verliebt wie Tanner.

      Die Prinzessin, die gerade sechzehn gewesen war, als das Bild gemalt wurde, posierte darauf auf einer Frühlingswiese. Sie trug ein weißes Sommerkleid. Strähnen ihres leuchtend roten Haares flatterten wie kleine Federn über ihre Wangen, und ihre blauen Augen waren begierig und unschuldig, so voller Hoffnung. Höchstwahrscheinlich hatte sie keine Ahnung gehabt, dass ein Krieg vor der Tür stand oder dass ihr Onkel, Prinz Franz, schlecht bis gar nicht auf Kampfhandlungen vorbereitet war.

      Tanner mochte das Gemälde, weil es einen verborgenen Fleck in seinem Herzen berührte. Das Bild ließ ihn … etwas fühlen.

      »Ich habe es in den Palast geschickt. Wo es auch hingehört.«

      Louis pfiff leise. »Ich könnte wetten, dass der Kurator nicht gerade begeistert davon war. Das einzige helle und schöne Bild eines Mitglieds des Königshauses wird weggeschickt, und ihm bleiben nur die dunklen, ernsten alten Herzöge und Herzoginnen, deren Mienen ungefähr so fröhlich sind, als müssten sie auf Nagelbrettern sitzen oder bittere Kelche leeren.«

      Tanner lachte. »Ungefähr das hat er auch gesagt, aber das Porträt der Prinzessin ist nicht groß genug für eine Museumswand. Die anderen sind zweieinhalb, drei Meter hoch. Ihres ist vielleicht halb so groß. Sie gehört in den Palast. Vielleicht in die Suite, die wir für die erwartete Prinzessin vorbereitet haben.«

      Tanner lehnte sich zurück und fing an, seine Hemdsärmel hochzukrempeln. Vor seinem inneren Auge sah er immer noch das Gemälde von Alice, das sich fest in seinem Gedächtnis verankert hatte.

      Er fühlte sich, als müsse er sie beschützen. Als müsse er Hessenberg beschützen. Aber als er das letzte Mal etwas beschützen sollte, hatte er erbärmlich versagt, als es am meisten darauf angekommen war. Nun, wo er die Chance hatte, etwas für sein Land und vielleicht sogar für das Gedenken der Prinzessin Alice und ihrer in alle Winde verstreuten Familie zu tun, würde er sie ergreifen. Und zwar von ganzem Herzen.

      »Wo wir gerade von dem Palast sprechen«, Louis tippte auf den Bildschirm seines Tablets, »Jarvis, der Hausverwalter, den Sie angestellt haben, hat seine Empfehlungen für das restliche Hauspersonal ausgesprochen. Soll ich die Bewerbungsgespräche in die Wege leiten?«

      »Lassen Sie uns abwarten. Wir haben ja noch keine Ahnung, an welchem Punkt genau wir auf der Suche nach dem Erben oder der Erbin von Prinzessin Alice gerade stehen.« Der König hatte ihn auf dem Laufenden gehalten, seitdem er die Ermittlungen in Gang gesetzt hatte, aber alles, was sie bislang wussten, war, dass der Erbe oder die Erbin wohl in den Staaten zu suchen war. Alle anderen Spuren und Hinweise hatten in Sackgassen geendet.

      »Gut. Ich werde ihn informieren, aber er würde gerne weitermachen. Gibt es sonst noch etwas?« Tanner musterte Louis. Er war gerade erst mit der Uni fertig und ein Musterbeispiel für die nächste Generation. Er sah gut aus und war hip. Ein netter Kerl. Tanner hatte sein Gesicht sogar für seine erste Kulturkampagne genutzt und das ganze Herzogtum mit seinem Foto tapeziert.

       Das Ende des Abkommens von 1914. Weißt du, was das mit dir zu tun hat? Besuche www.hessenberg.co.gd

      »Louis«, sagte Tanner, »was sagen eigentlich Ihre Freunde dazu, dass Hessenberg wieder eine eigenständige Nation werden soll – mit einer eigenen Regierung und einer eigenen Stimme, egal, wie klein die zwischen den anderen Nationen auch sein mag?«

      »Ich glaube, solange wir im Pub für unser Geld Bier bekommen, macht es für die meisten wohl keinen besonders großen Unterschied, ob wir von Brighton regiert werden oder selbstständig sind. Wir kennen es ja nicht anders.«

      »Und was, wenn die Unabhängigkeit