Der Gorilla redet in einer Tour. Mit stoischem Gesichtsausdruck verfolge ich seine Ausführungen und er glaubt wahrscheinlich, dass ich ihm zuhöre. Unbemerktes Beobachten liegt mir, ebenfalls meinen Beruf geschuldet. Und so betrachte ich Marion, die ihren perfekten Körper einölt, um ihre Bräune zu vervollkommnen, was mir fast unmöglich erscheint. Wäre sie ein Braten, würde ich sagen: Angerichtet. Wirklich zum Anbeißen. Sie ist nicht so geschickt wie ich, doch auch sie beobachtet mich heimlich. Für ihren Mann reicht ihr Können. Sie ist vorsichtig genug, ihn nicht merken lassen, dass sie den Markt sondiert. Da tut sie gut daran, denn es gibt keinen Ehevertrag. Das weiß ich, weil es Frank lautstark verkündet. Täglich.
„Nicht wahr Püppchen. Du weißt, dass du es gut bei Vaddern hast. Solange wir am gleichen Tisch sitzen. Allein würdest du verhungern. Ha ha ha …“
Marion lächelt dann immer milde und legt ihren Kopf an seinen beharrten Oberarm. In diesen Momenten bewundere ich sie. Auch ihre Gesten passen. Wie gesagt, ein Profi.
Frauen müssen für mich nicht vor Intelligenz strotzen. Ich begehre mit dem Herzen und den Augen. Marion ist liebenswert, nett, nicht intelligent aber clever und sieht fantastisch aus. Wenn es überhaupt etwas gibt, um das ich den Gorilla beneide, dann ist es sein Seesternchen.
Ich bin darauf trainiert, Wesentliches zu erkennen und zu hören und so nehme ich aus der endlosen Tirade meines Gegenübers plötzlich wahr: „Du bist ja ein Gesundheitsapostel. Ich habe da so meine Probleme. Soll mich schonen, sagt mein Arzt. Die Pumpe. Demnächst bekomme ich Stents, oder wie das heißt. Bis dahin muss mein Püppchen die Hauptarbeit leisten, wenn Du verstehst was ich meine. Ha ha ha …“
Beide lächeln wir gequält, ob dieses Scherzes. King Kong fällt das nicht auf. Ich lehne mich zurück und stelle mich schlafend. So geht es nicht weiter. Irgendetwas wird heute Abend in meinem Musterkoffer zu finden sein. Ich werde sehen.
Es gäbe einige Möglichkeiten, so habe ich ein experimentelles Produkt in meiner beruflichen Laufbahn bisher nicht genutzt. Zu einem weil es recht neu ist, aber auch weil Experimente während meiner Tätigkeit nicht in Frage kamen. Da bedurfte es eindeutiger Resultate. Irgendwie fände ich es jetzt passend, einen Versuch zu starten. Ein Mittel basierend auf dem Extrakt der Meeresqualle Irukandji Jellyfish müsste genau das Richtige sein. Es soll erstmals gelungen sein, die Nebenwirkungen der Vergiftung und den erheblichen Schmerz zu unterdrücken. Wenn es schon enden soll, wenigstens einigermaßen angenehm. Das war schon immer mein Motto. Außerdem passt so etwas ans Meer. Hat einen gewissen Stil und das war mir immer wichtig.
Am nächsten Tag ist Kasischke begeistert von mir. Wir reden, ich lache über seine Scherze und am Nachmittag schlägt er mir anerkennend auf die Schulter: „Mensch Werner, Du bist ja gar nicht so eine Spaßbremse. Wird doch noch was, mit guter Strandkorbnachbarschaft.“
„Frank, darauf einen Dujardin. Nein im Ernst. Ich habe da ein leckeres Tröpfchen.“
Frank leckt sich genüsslich die Lippen und hält mir fordernd das leere Glas nochmals hin. Nun, wenn Du unbedingt willst, denke ich mir und schenke nach. Kurz darauf stellt der Gorilla sein schier endloses Geschwafel ein. Stattdessen betrachtet er Marion, legt sich ein Handtuch über den Schoß, grunzt und leckt sich wieder die Lippen. Diesmal will er nichts trinken. Stattdessen greift er Marions Hand, zieht sie hoch und stapft mit ihr so schnell es geht, Richtung Promenade. Nach einer halben Stunde packe ich auch zusammen und nehme aufgrund der inzwischen guten Strandkorbnachbarschaft auch die Sachen mit, die die beiden aufgrund ihres eiligen Aufbruchs haben liegen lassen. Da aus der Wohnung der beiden laute Geräusche erklingen, lege ich die Tasche höflicherweise vor der Tür ab.
Tags darauf bleibt der mir gegenüberstehende Strandkorb leer. Offensicht wirkte das Mittel wie erhofft.
Es ist eine schöne Trauerfeier. Als der Pastor erwähnt, dass dem geschätzten Mitbürger und ehemaligen Bauunternehmer ein kurzer, friedvoller Tod beschieden war, huscht der mittellosen Witwe ein kurzes Lächeln über die Lippen. Zum Glück fällt es nur mir auf. Der Extrakt des Jellfishes verlängert die Erektion eines Mannes erheblich. Das kann von Vorteil sein, muss es aber nicht. Sorgen mache ich mir keine. Die Aufklärungsquote der bekanntgewordenen Morde in Deutschland liegt zwar bei 95,6 Prozent, aber mir war es in meiner Karriere als Auftragsmörder immer wichtig, dass keiner meiner Fälle jemals als solcher erkannt wurde. Ich darf behauten: Das ist mir gelungen. Ich finde es schön, in seinem Rentnerdasein, auf berufliches Können zurückgreifen zu können.
Wir stehen am Grab als sich Marion sich so bei mir einhakt und an mich drückt, dass ich ihre perfekte Brust spüre. Sie legt den Kopf an meine Seite und flüstert für andere unhörbar: „Danke für die Anteilnahme!“ Wie gesagt, ich schätze Profis.
Am nächsten Tag scheint wieder die Sonne. Auch wenn die Wärme mich träge macht, lasse ich es mir nicht nehmen und sage: „Komm mein Seesternchen, das braucht du doch nicht selber machen. Leg dich hin. Ich öle dich ein.“
DER BESTE KAFFEE
Karsten sitzt zu ersten Mal in diesem neuen, angesagten Café. Rappelvoll. Kein Wunder, denkt er. Er hatte schon so einiges gehört und es ist in seinem Städtchen tatsächlich etwas Besonderes. Mit Glück ergattert er einen Platz, da gerade, als er dort steht, ein größerer Tisch frei wird. Interessiert studiert er die Karte. Wie umfangreich! Meine Güte, denkt er, das sind ja über hundert Variationen.
„Hallo, ist bei Ihnen vielleicht noch ein Plätzchen frei für uns?“ Er schaut auf und sieht in die Gesichter eines Paares, welches für dieses edle Café offensichtlich die Idealbesetzung darstellt.
„Natürlich, gerne. Ich halte nur einen Platz frei für meine Frau“, antwortet er und wendet sich erneut der Karte zu.
Der elegant gekleidete Herr nimmt sogleich das Gespräch mit ihm auf. „Ja, das ist schon mal anderes, als wir es in unserem Kaff gewohnt sind, oder?“
„Allerdings“, gibt er zu. „Die meisten der hier angebotenen Kaffeevariationen sagen mir ehrlicherweise nichts. Wiener Melange. Kenne ich nicht.“
Das Paar lächelt sich milde an. „Das ist eine österreichische Kaffeespezialität.“
Na toll, denkt Karsten. Das hätte ich eventuell auch noch gewusst.
Doch der Herr ist noch nicht fertig: „Sie besteht aus einem Teil Kaffee, zumeist Espresso und einem Teil Milch mit einer Haube aus geschäumter Milch. Erstmals um 1830 in Wien serviert.“
Jetzt wechselt das Lächeln der beiden in eine selbstgefällige Variante.
„Ach“, erwidert Karsten.
„Wenn ich etwas empfehlen darf, der Espresso ist hervorragend. Sehr gutes Mischungsverhältnis, exzellente Bohne, gut gemahlen, hervorragende Maschine.“ Der Herr tätschelt seiner Frau die Hand. „Oder wenn Sie etwas Besonderes bevorzugen, sie führen hier natürlich auch Jamaica Blue Mountain No. 1.“
Karsten hat zufälligerweise gerade diese Sorte im Blick. Zum Glück überschlägt sich seine Stimme nicht als er sagt: „Vierzehn Euro die Tasse? Ist das flüssiges Gold?“
„Na ja, dazu müssen Sie wissen, dass das Anbaugebiet recht klein ist. Der vulkanische Boden auf Jamaika und ideale Temperaturen verhelfen ihm zu einem hervorragenden Reifeprozess. Eine perfekte Ausgewogenheit von leichter Säure, leicht süßem, fruchtig, nussigem Geschmack, sowie einem harmonisch fülligem Charakter. Der Champagner unter den Kaffeesorten.“
Karsten hatte neulich etwas über fermentiertem Kaffee gelesen. Irgendwie so eine seltene Bohne, die für den wahren Gourmet zuerst durch den Verdauungstrakt der sogenannten Schleichkatze gewandert sein muss. Er überlegt, ob er mit diesem Wissen angeben soll, nachher kennt der Herr hierzu noch mehr eklige Details, und zu allem Überfluss