Ich ärgerte mich, dass sie mich nicht zur Kenntnis nahm, hielt meinen Arm vor, hielt sie auf: »Ihren Ausweis bitte!« Erschrocken sah sie mich an: »Ich bin Carola Schwarz.«
»Ihren Ausweis«, wiederholte ich.
Die Schwarz blieb stehen, kramte in ihrer Handtasche, wurde nervös, weil sich hinter ihr die Eintretenden drängten. Während sie in ihrer Handtasche kramte, rief sie ihrer blonden Nachbarin hinterher: »Martina, warte doch.«
Die Schwarz fand ihren Ausweis, hielt ihn mir vor die Nase: »Können Sie lesen?«
»Passieren«, antwortete ich kalt.
Die Schwarz holte ihre Nachbarin ein. Doch bevor sie ihren Weg in das Dienstgebäude fortsetzte, drehte sie sich noch einmal empört um.
Eine Woche später musste ich mich beim Kompaniechef, Hauptmann Müller, melden. Unruhig ging ich in meinen Gedanken die letzten Tage durch, ob ich irgendwo etwas falsch gemacht hatte. Ich klopfte an der Tür des Kompaniechefzimmers an, trat ein, stand stramm, nahm mein Käppi in die rechte Hand.
Der Offizier saß hinter seinem Schreibtisch, musterte mich: »Sie sind also der Schaller?«
Er stand von seinem Stuhl auf, ging zum Fenster, grinste. »Kennen Sie eine Carola Schwarz?«
»Sie hat ihren Ausweis nicht gezeigt.«
Müller lachte, winkte ab, ging zu seinem Schreibtisch zurück, setzte sich, trommelte mit einem Bleistift auf seiner Schreibtischunterlage. »Sie sind Abiturient? Sie wollen Eisenbahnbautechnik studieren?«
»Jawoll.«
»Können Sie zeichnen?«
Ich zuckte die Schultern: »Das muss ich wohl.«
Müller lachte wieder in sich hinein. »Schaller. Sie sind ab morgen in die Dokumentenstelle abkommandiert. Der Stabschef hat Sie angefordert. Sie melden sich bei Stabsfeldwebel Klosch. Und damit es keine Unstimmigkeiten mit ihren Kameraden gibt, ziehen Sie in das Gruppenführerzimmer zu Eppers.«
Ich schlug die Hacken zusammen, setzte mein Käppi auf, wollte wegtreten. Müller saß, die Unterarme auf seinen Schreibtisch gestützt, hatte den Kopf gehoben, sah mir nach, sagte: »Eigentlich hatte ich für diese Stelle den Eppers vorgeschlagen.«
Klosch war ein kleiner zierlicher Mann mit dünnem weißblondem Haar, weißer Gesichtshaut und weißen Wimpern. Er musterte mich misstrauisch. »Wir werden doch miteinander klarkommen?«
»Ich denke schon«, antwortete ich dienstbeflissen. Er wies mich ein. Bereits am anderen Morgen musste ich die Ausgabestelle ab sieben Uhr besetzen.
Die Schwarz war eine der ersten Frauen, die kamen, um ihre Dokumententaschen zu holen. Sie legte ihre Karte vor. Während ich ging, um ihre Taschen aus dem Panzerschrank zu holen, fühlte ich ihre Blicke in meinem Rücken. Nervös legte ich ihr das Nachweisheft vor, in dem sie den Empfang der Taschen quittieren musste.
»Sie werden sich schon noch eingewöhnen.«, versuchte sie mich zu trösten, nahm die Taschen von dem Ausgabebord herunter, stellte sie ab, um die Ausgangstür zu öffnen. Während sie sich bückte, sah sie noch einmal zu mir auf. Um ihren Mund spielte ein selbstsicheres Lächeln.
»Du hast es gut«, begrüßte mich Eppers am Abend. »Du brauchst keine Wache mehr zu schieben. Darauf müsstest du eigentlich einen ausgeben.«
»In Ordnung. Ich trage mich für Sonnabend zum Ausgang ein.«
Es war ein später Sonnabendnachmittag. Ich wurde unruhiger, je mehr der Abend heranrückte, putzte meine Schuhe, holte meine Ausgangsuniform aus dem Schrank, lief hinüber zur Bügelstube, um die Falten aus meiner Hose zu plätten, bürstete meine Jacke aus, ging duschen, rasierte mich, wusch meine Haare, rieb sie intensiv trocken, zog frische Socken und Unterwäsche an.
Eppers lag auf seinem Bett, las ein Buch. »Du musst dich nicht beeilen«, lachte er. »Der Schwof geht erst um sechs los. Die Frauen und Mädchen kommen erst so gegen sieben. Sie kommen überall her, aus der Stadt, von den Dörfern. Sie kommen mit den Omnibussen, mit der Bahn, manche kommen mit dem Fahrrad. Sie wissen, wo die Männer sind.« Eppers schwang seine Beine aus dem Bett, gähnte. »Im Prinzip geht es erst nach um acht los. Dann sind die meisten von uns schon besoffen.« Er deutete mit dem Kopf in Richtung Kasernenhof. »Dann hast du mehr Auswahl.« Er lachte in sich hinein, warf sich sein Handtuch über die Schulter.
Es dämmerte bereits, als wir die Kaserne verließen. Wir gingen ein Stück stadteinwärts, überquerten die Hauptstraße, gingen auf dem Spazierweg, der zwischen dem Fluss, der vom Osten herankam, und der Landstraße in die Stadt hineinführte. Der Wasserlauf machte eine Biegung von der Straße weg. Wege führten in die weitläufige Aue, in die feuchten Wiesen. Während wir gingen, sah ich hinter den Baumkronen bereits die Lichter der Stadt. Musik klang zu uns herüber. An einer Wegbiegung sagte Eppers: »Ich muss hier entlang.« Er deutete in Richtung des Seitenweges, dessen Ende sich bereits in dem Nachtdunkel verlor. Am Ende des Weges sah ich durch das Gebüsch ein hell schimmerndes Kleid und blondes Haar. Verärgert, weil Eppers mich nicht eingeweiht hatte, ging ich weiter, beobachtete, wie eine Frauengestalt sich von einem Baumstamm löste, das Gestrüpp zur Seite bog, sich mir in den Weg stellte. Erschrocken trat ich einen Schritt zurück, sah das Gesicht der Frau vor mir. Es war Carola Schwarz.
»Ich habe auf dich gewartet«, sagte sie und es machte ihr Freude, mein Erschrecken zu beobachten. »Du bist also der Schaller?«, Carola trat etwas zurück, musterte mich mit funkelnden Augen: »Habe ich das nicht gut gemacht?«
»Was?«
»Na, dass du jetzt in der Verwaltung bist.«
Wie, als würde ich ihr gehören, umschlang sie meinen Hals, küsste mich, fuhr mit ihrer Zunge in meinem Mund herum, lehnte ihren Kopf zurück, betrachtete mein Gesicht. »Ich war neugierig, wer das ist, der mich da vorn am Kasernentor so blamiert hat. Ich habe mir deine Unterlagen geholt und gelesen, dass du zu den Sternen fliegen willst. Eigentlich ist Martina für die Besetzungsnachweise zuständig. Sie hatte auch schon den Eppers für diese Planstelle eingetragen. Sie ist ganz verrückt nach ihm. Ich habe Eppers ausradiert und dich dafür eingetragen.«
Carola drängte mich. Oben auf der Landstraße gingen Soldaten in Richtung des Tanzlokals. »Du brauchst keine Angst zu haben. Diese Leute kennen mich nicht. Mein Mann ist mit seiner Kompanie auf dem Schießplatz.«
Ich schob meine Hand unter ihren Rock, umfasste ihr Gesäß. Carola half mir ihren Schlüpfer herunterzuziehen. Ich musste in die Knie gehen, um in ihre Vagina einzudringen.
Wir gingen weiter. Jeden zweiten oder dritten Schritt blieb ich stehen, zog Carola an mich heran, küsste sie, liebkoste ihr Gesicht, ihren Hals, umfasste ihre Brüste. Diesmal drängte ich. »Es war alles so schnell vorhin.«
Wieder gingen wir. Ich konnte nicht genug kriegen von ihrem Entgegenkommen, ihrer Zärtlichkeit. »Carola.«, sagte ich, »wenn ich hier fertig bin, nehme ich dich mit.«
Diesmal war es Carola, die unser Gehen beendete. Sie schlang wieder ihre Arme um meinen Hals, legte ihr Gesicht an das meine und wir standen, als wollten wir uns nicht wieder voneinander lösen.
Doch dann ging ein Ruck durch ihren Körper. Sie nahm ihre Arme zurück, sah mich an: »Zu spät, Johann.« Unbewusst gingen wir aneinandergeschmiegt tiefer in das Nachtdunkel des Parks hinein, gingen nebeneinander her, schwiegen, küssten uns, wussten, dass der Morgen anders sein würde.
»Johann«, begann Carola. »Ich bin fünf Jahre älter. Ich habe mit siebzehn mein erstes Kind gekriegt. Damals war ich in den Mann meiner Schwester verliebt. Ich habe sogar sein Passfoto aus der Geldbörse meiner Schwester geklaut und in meinem Portemonnaie versteckt. Eines Tages hat sie das mitgekriegt. Seitdem ist Krieg zwischen uns. Meine Neugier waren immer Männer, die älter waren als ich. An einem Tanzabend, da kam einer und holte mich immer wieder zum Tanz. Danach bin ich mit ihm vor die Tür gegangen. Er war zärtlich, drängend und ich war