„Ein Referat?“, Tante Edelgard machte ein nachdenkliches Gesicht!
„Weißt du nicht was ein Referat ist?“ Tim konnte sich diese Bemerkung einfach nicht verkneifen.
„Doch, doch, nur zu meiner Schulzeit sagten wir dazu „Vortrag“! Da hat sich inzwischen wohl so einiges geändert! Das Buch leihe ich euch gerne. Ich weiß ja, dass ihr mit Büchern sehr vorsichtig umgeht! Viel Spaß beim Vortrag … ääh Referat.“ Mit einem Augenzwinkern drehte sich Tante Edelgard um und ging wieder ins Haus.
Beide folgten ihr und verschwanden schnurstracks im Wohnzimmer. Um das Buch wieder zu finden, lasen sie die Aufschrift an jedem Buchrücken genau. Tinka, die mit den Beiden spielen wollte, hüpfte bellend um sie herum, doch dafür war nun keine Zeit. Zuerst mussten sie sich für Morgen Notizen machen. Damit sie ihre Suche nach dem Buch ungestört fortsetzen konnten, wurde Tinka kurzerhand nach draußen verband.
Die Entscheidung, wer das Referat halten sollte, hatten sie schon auf dem Schulhof durch das Spiel „Schnick, Schnack, Schnuck“ ausgeknobelt. Vor Spielbeginn einigten sie sich, dass der Gewinner die Aufgabe übernimmt. Lisa war sich ganz sicher, wie immer zu verlieren, doch am Ende des Spiels konnte sie es zuerst gar nicht glauben. Sie, Lisa Brünner, hatte ihren Bruder Tim im „Schnick-Schnack-Schnuck-Spiel“ besiegt. Wow, dass war einfach super. Sie hatte zwar das komische Gefühl ausgetrickst worden zu sein, doch es war ihr egal. Nun konnte sie endlich damit angeben, auch einmal gewonnen zu haben.
Nach kurzem Suchen entdeckten sie das Buch. Tim nahm es an sich und stürmte die Treppe hoch. „Wenn du auf den Dachboden willst, dann brauchen wir aber eine Taschenlampe!“, rief Lisa ihm hinter her. Tim kramte kurz in seiner Hosentasche herum und mit einem breiten Grinsen schwenke er eine kleine Lampe hin und her.
Auf dem Dachboden hatte sich in der Zwischenzeit nichts verändert. Es war, als hätten sie erst Gestern hier oben gesessen und sich über den Galgenberg unterhalten. Die Kiste, auf der sie damals saßen, stand noch immer unter der Dachluke. Bevor Lisa wieder ihre Nase rümpfen konnte, wedelte Tim schnell den Staub und ein paar Spinnen zur Seite.
Mit dem Notizblock und Kuli in der Hand sah sie Tim fragend an. „Du liest laut und ich mach mir Notizen?“
„Okay“, antwortete Tim, „dann sind wir ja auch schneller fertig.“
Schon bald bemerkten beide, dass viele interessante Dinge über das Wattenmeer und der Insel Neuwerk in dem Buch standen. Tim las mit zunehmendem Interesse vor.
„Was meinst du“, unterbrach Lisa ihn, „im Referat muss ich doch nicht erklären, dass Flut Hochwasser und Ebbe Niedrigwasser bedeutet?“
„Nee, das wissen doch alle aus unserer Klasse! Die sind doch hier geboren und kennen sich damit aus. Du könntest aber sagen, dass das Wasser zweimal am Tag steigt und fällt. Hier steht, bei Ebbe wird die Nordsee mehr als 15 Kilometer aufs Meer hinaus gezogen. Der Grund dafür ist die Anziehungskraft von Mond und Sonne.“
„Deswegen“, bemerkte Lisa noch schnell, „ist ja auch bei Ebbe die Insel Neuwerk zu Fuß oder mit dem Wattwagen zu erreichen.“
„Ja“, stimmte Tim zu. „Hier steht aber auch, die Wattwagen dürfen nur die gekennzeichnete Strecke benutzen. Das sind diese Büsche auf dem Watt. Die heißen Priggen.“
Lisa machte sich schnell darüber eine Notiz. Das fand sie echt interessant. „Ich freue mich schon richtig auf die Fahrt mit dem Wattwagen. Auf der Insel gibt es bestimmt interessante Sachen zu sehen.“
„Hör dir das an“, unterbrach Tim sie. „Im 13. Jahrhundert hatte die Insel noch gar keinen Namen. Die Friesen nannten sie einfach „O“, so steht es in den alten Akten. Das ist die Abkürzung für „Nige Ooge“, und ist die friesische Bezeichnung für Insel. Auf Neuwerk gibt es auch ein Bernstein Museum. Bernstein ist das Harz von Nadelbäumen, die vor vielen tausend Jahren gewachsen sind. Mama hat ja auch so einen Anhänger. Hier, kannste ja selber lesen.“
Lisa nickte zustimmend, nahm das Buch und machte sich weitere Notizen. So verging der Nachmittag wie im Flug. Vor dem Schlafengehen las sie noch einmal alles durch. Dann legte sie ihre Notizen unter das Kopfkissen. Ihre Mutter hatte mal gesagt, dass man sich das Gelernte so besser merken kann. Bevor sie sich im Bett einkuschelte, blickte sie noch zur Zwischentür, doch bei Tim war bereits das Licht aus. Es dauerte gar nicht lange, bis auch sie im Land der Träume war.
Der Morgen begann wieder mit dem lauten Weckruf. Sie beeilten sich mit der Morgenwäsche und stürmten nach unten. Im Flur fielen ihre Blicke auf den Bernstein-Anhänger, doch verschwörerisch sahen sie sich an und machten das Zeichen der verschlossenen Lippen. Nach dem Frühstück radelten sie zur Schule. Lisa wurde es nun doch ein wenig mulmig. Zum ersten Mal sollte sie ein Referat halten.
Doch Tim beruhigte sie und meinte: „Wenn du ins stottern kommst, helfe ich dir weiter. Unsere geistige Verbindung ist ja immer da. Außerdem hast du dich doch prima vorbereitet!“
„Ja, ja, du hast gut reden. Du stehst ja auch nicht da vorne.“
„Mensch Lisa, du packst das schon, du weißt doch, gemeinsam sind wir stark!“
Der Erdkunde-Unterricht war zum Glück in der ersten Stunde und Lisa konnte gleich mit dem Referat beginnen. Die ersten Sätze waren noch etwas zaghaft und holperig, aber dann kam sie richtig in Fahrt.
Tim hörte jetzt nur noch mit halbem Ohr zu. Er war sich sicher, dass Lisa ihr Referat ohne seine Hilfe prima hinkriegen wird. Seine Gedanken wanderten zu den Geschichten über die Seeräuberei. Er hatte sich auch einige Notizen gemacht. In dem Buch stand, die letzten Seeräuber gab es auf Neuwerk. Der bekannte Seeräuber „Klaus Störtebeker“ soll ja ein Versteck auf der Insel gehabt haben. Sogar von einem geheimen Tunnel, der unter dem Wattenmeer bis zum Schloss Ritzebüttel in Cuxhaven führte, wird berichtet. Wo dieser Geheimgang war, stand nicht in dem Buch. Beweisen konnte es bis jetzt auch niemand. Vielleicht war das ja nur Seemannsgarn. Die alten Seebären tüddeln ja gerne ein bisschen. Tim nahm sich aber fest vor, auf der Insel seine Augen und Ohren offen zu halten. An den alten Geschichten soll ja auch immer etwas Wahres dran sein! Lautes Klopfen riss Tim aus seinen Gedanken. Lisa hatte ihr Referat erfolgreich beendet und die anderen Schüler bedankten sich durch das Klopfen auf den Tischen.
Herr Genscher sprach auch noch ein paar lobende Worte und meinte: „Nun kann morgen unsere Klassenfahrt losgehen. Denkt daran, der Treffpunkt ist am Sahlenburger Strand, Abfahrt um 9.30 Uhr. Seid alle pünktlich, ihr wisst, die Fahrzeit richtet sich genau nach der Tide.“
In den restlichen Schulstunden fiel es einigen Schülern der Klasse schwer sich zu konzentrieren. In ihren Köpfen drehten sich ihre Gedanken nur um die Klassenfahrt.
Am Abend standen Lisa und Tim noch lange am Fenster. Vor lauter Vorfreude und Neugierde was der morgige Tag bringen wird, war an schlafen noch lange nicht zu denken. Morgen war ihr zehnter Geburtstag. Sie mussten nicht länger schweigen und konnten ihre Mutter über die Bedeutung des Anhängers befragen. Was wird sie ihnen antworten? Was werden sie dann erfahren? Die magische Kraft des Steines konnten sie ja bereits spüren, doch was wird geschehen, wenn sie ihn auch in die Hand nehmen dürfen?
Sie sahen rüber zum Wernerwald und hofften von dort ein Zeichen zu bekommen. Doch es blieb geheimnisvoll ruhig. Es ging bereits auf Mitternacht zu, als sie sich endlich in ihre Betten kuschelten.
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