Essay: Emotionen – Aggressoren und Warnsysteme
Befasse dich mit der Gewalt, oder die Gewalt befasst sich mit dir.
Das Für und Wider zu diesem Buch
Dieses Buch wurde in der Absicht verfasst, Menschen, die gegen ihren Willen mit Gewalt konfrontiert werden, Möglichkeiten aufzuzeigen, in einem realen Kampf zu bestehen.
Der amerikanische FBI-Profiler John Douglas1 schrieb in seinem Buch Obsession sehr richtig: »Geradezu jedes Verbrechensopfer, dem ich begegne, und jeder, der durch ein Verbrechen betroffen ist, bestätigt mir, dass er sich sehr schnell gezwungen sah, sich möglichst eingehend mit dem Phänomen der Kriminalität zu beschäftigen, sich über unser Rechtssystem zu informieren und darüber, welche Haltung die Gesellschaft zu Verbrechern und ihren Opfern einnimmt. Wir müssen uns also unbedingt mit fundiertem Wissen wappnen, bevor der Ernstfall eintritt, denn nur mit dem entsprechenden Wissen haben wir gewisse Chancen, unsere Lage zu verbessern. (…) Man muss all seine Anstrengungen nur auf den einen Gedanken richten, nämlich zu überleben.«
Ein realer Kampf ist immer gewalttätig. Wer sein Leben und seine Gesundheit schützen muss, sollte dies mit aller Macht tun, bis zur letzten Konsequenz. Doch verlieren kann man trotzdem. In einem Kampf ist man immer auf sich allein gestellt. Das Buch ist weder ein Ersatz für die eigenen Bemühungen noch für eigenes Denken. Uns ist auch bewusst, dass die Gefahr besteht, dass potentielle Gewalttäter die hier geschilderten Techniken missbrauchen. Dagegen ist jedoch kein Buch gefeit, das praktisches Wissen über den Kampf vermittelt.
Viele der in diesem Buch beschriebenen und dargestellten Dinge sind nach den Gesetzen der meisten Länder – nicht zuletzt auch nach den deutschen Gesetzen – unter bestimmten Umständen strafbar. Das gilt es zu wissen. Sich selbst schützen kann nur, wer in der Lage ist, die gegen sich ausgeübte Gewalt im Ansatz zu stoppen oder ihr mit überlegener Gewalt zu begegnen.2 Dieser Grundsatz hat sich seit Jahrtausenden bewährt. Was nutzt es, sich brav an Gesetze und gesellschaftlichen Konventionen gehalten zu haben, wenn man tot ist oder für den Rest des Lebens ein Krüppel?
Techniken und Methoden, wie wir Sie Ihnen in diesem Buch vermitteln, sind kein »Spielzeug«. Gehen Sie verantwortungsbewusst damit um. Wir wollen an dieser Stelle betonen, dass es nicht der Sinn des Buches ist, Sie zu ermuntern, das Gelernte um jeden Preis erproben zu wollen. Besteht die Möglichkeit, Gewalt aus dem Weg zu gehen, so nutzen Sie diese unbedingt. Auch Weglaufen vor Gefahr ist nicht im geringsten »unehrenhaft«. Und im Zweifelsfalle ist es immer besser, das »Gesicht« zu verlieren, als das Leben. Es gehört zu den wesentlichen Dingen, die wir Ihnen vermitteln wollen, dass Sie Gefahr bereits im Ansatz erkennen und damit die Möglichkeit haben, angemessen zu reagieren. Aber: Wenn die einzige angemessene Möglichkeit, Gewalt zu begegnen, im Einsatz von eigener Gewalt besteht – also wirklich im äußersten Notfall –, dann müssen Sie dazu in der Lage sein, dies ohne zu zögern und auf effektive Weise zu tun; das heißt, Sie müssen bessere Chancen haben, den Kampf zu gewinnen, als Ihr Gegner. Wie dies zu erreichen ist, stellt ebenfalls einen wesentlichen Bestandteil dieses Buches dar.
An den Beginn der einzelnen Kapitel haben wir Berichte gestellt, die nach verschiedenen Gesichtspunkten, zum Beispiel Zeit, Ort und Intelligenz im Zusammenhang mit Gewalttaten, geordnet sind. Diese Berichte beschreiben reale Verbrechen und sollen Ihnen ein Gefühl dafür vermitteln, wie bedrohlich und unberechenbar unsere Gesellschaft sein kann. Und sie sollen Ihnen klar machen, was passieren kann, wenn Sie sich nicht wehren bzw. wenn Sie unaufmerksam durchs Leben gehen.
Gedanken zum Thema Selbstschutz
Befasse dich mit Gewalt, oder die Gewalt wird sich mit dir befassen. Dieses Leitmotiv unseres Buches ist keineswegs provozierend gemeint, sondern ganz nüchtern und realistisch. Wir huldigen nicht der Gewalt, wir verdammen sie aber auch nicht, denn Gewalt ist Teil unseres Lebens. Gewalt kann unter Umständen die einzige Lösung eines Problems sein.
Die Geschichte hat gezeigt, dass es einzelne Menschen geben kann, die sich der Gewalt konsequent und erfolgreich verweigern. Aber eine Gesellschaft ohne Gewalt hat es nie gegeben.
Viele Menschen – und nicht zuletzt viele Kampfsportler – sind der Ansicht, dass man sich erst wehren sollte, wenn die Gewalt schon zum Ausbruch gekommen ist. Es gilt als unmoralisch, einem Angriff zuvorzukommen, d. h., selbst mit der Gewalt zu beginnen, wenn man ihr nicht aus dem Weg gehen kann. Das ist jedoch eine sehr gefährliche und wenig realistische Sichtweise. Besser ist es, die Gewalt im Ansatz zu stoppen, mit der einzigen Macht, die hierfür taugt: Gewalt.
Für sich anbahnende Gewalt gibt es für gewöhnlich deutliche Anzeichen. Wir werden Ihnen in diesem Buch erläutern, woran Sie erkennen, ob ein Angriff unmittelbar bevorsteht und Sie reagieren müssen. Wenn ein Schläger Sie angreift, kann es bereits zu spät zur Gegenwehr sein. Jegliche Empörung über ein solches Konzept wäre Naivität oder Heuchelei. Die Hunderten Verletzten und Getöteten der letzten Jahre, die allein in Deutschland das Opfer ihres Zauderns, ihres Leichtsinns oder auch ihrer unüberlegten Zivilcourage wurden, sprechen eine eigene Sprache. Die Tatorte liegen in unseren Städten, in unserer Nachbarschaft. Jeder, der nicht bereit ist, in die Opferrolle zu schlüpfen, der nicht Gewalt durch andere erleben möchte, sollte dieses Buch als Kampfansage verstehen. Wir werden uns wehren, mit allen Mitteln!
Wir möchten in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass Gewalt nicht nur im negativen Sinne angewandt werden kann, sondern auch für gute Dinge, den Schutz eines Menschenlebens zum Beispiel. Genau darum geht es uns hier. In der Öffentlichkeit wird Gewalt oft mit Anarchie und Zerstörung gleichgesetzt. Doch eine allzu pazifistische Einstellung nützt häufig nur denen, die sie ausnutzen, um anderen zu schaden. Wenn man Pazifismus aber so versteht, dass man alles tun wird, um den Frieden zu bewahren, schließt dies die Anwendung von Gewalt zwangsläufig mit ein. Würde es wirklich immer ein realistischer Ausweg sein, dass der Klügere in einem Streit nachgibt, hätte Hitler den Krieg gewonnen und die USA hätten Vietnam besetzt. Tibet hat sich klug verhalten … und ist heute ein Teil Chinas. – Der Klügere schützt sein Leben. Nichts anderes hat die Natur für uns vorgesehen.
Terence Hill1 hat einmal gesagt, er halte es für Heuchelei, wenn in einem Film Gewalt dargestellt werde, die Produzenten aber beteuerten, sie seien gegen Gewalt und würden nur zeigen, wie es auf der Welt zugehe. Gewiss hat der Schauspieler nicht unrecht. Es hilft in der Tat niemandem, immer und immer wieder mit Gewaltszenen konfrontiert zu werden. Aber auch die Produzenten liegen nicht falsch. Gewalt ist Teil des Lebens. Unsere Gesellschaft wurde auf Gewalt gegründet und wird durch eine Machtbalance aufrechterhalten. Ob es nötig ist, Gewalt in unzähligen Filmen zu verherrlichen, ist eine andere Frage. Fakt ist jedoch, sie ist faszinierend, und wir alle geraten immer wieder in ihren Bann. Das ist Teil unseres evolutionären Erbes. Wir Menschen bewundern Gewalt, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht. Wir werden von primitivem, instinktivem Verhalten angezogen wie die Motten vom Licht.
Wie ein Kampf verläuft, hängt stets von verschiedenen Faktoren ab. Sein Ausgang kann nicht vorausberechnet werden. Es kann tatsächlich alles geschehen. Selbstschutz ist nicht planbar. Gehen Sie niemals davon aus, dass etwas erwartungsgemäß verläuft. Damit schützen Sie sich vor unangenehmen Überraschungen. Und solche Überraschungen können vielfältig sein. Es ist nicht leicht, alle Unwägbarkeiten im Blick zu behalten. Wenn sich beispielsweise Dritte einmischen, wenn Ihr Gegner die härtesten Schläge unbeeindruckt aufnimmt, oder wenn schwere Verletzungen ins Spiel kommen, egal