Was seine allgemeine Einstellung zum Krieg angeht, so darfst du dich nicht zu sehr auf jene Gefühle des Hasses verlassen, über die die Menschen so gerne in ihren christlichen oder antichristlichen Zeitschriften diskutieren. Natürlich kann der Patient in seiner Not dazu angehalten werden, sich durch Hassgefühle gegenüber den deutschen Führern zu rächen, und das ist soweit auch schön und gut. Aber dahinter verbirgt sich meist nur ein melodramatischer oder mythischer Hass gegenüber imaginären Sündenböcken.
Im wirklichen Leben ist er diesen Leuten nie begegnet – es sind nur Pappkameraden, die er aus dem Material modelliert, das ihm die Zeitungen liefern. Die Resultate eines solchen eingebildeten Hasses sind oft höchst enttäuschend, und von allen Menschen sind die Engländer in dieser Hinsicht die beklagenswertesten Jammerlappen. Sie sind Geschöpfe von jener erbärmlichen Sorte, die lauthals verkündet, die Folter sei noch zu gut für ihre Feinde, und dann dem ersten verwundeten deutschen Piloten, der an ihrem Hintereingang auftaucht, Tee und Zigaretten anbietet.
Wie du es auch anstellst, es werden sowohl Güte als auch Bosheit in der Seele deines Patienten vorhanden sein. Der große Trick besteht darin, die Bosheit auf seine unmittelbaren Nächsten auszurichten, denen er jeden Tag begegnet, und ihn die Güte in weite Ferne schleudern zu lassen, zu Leuten, die er nicht kennt. Auf diese Weise wird die Bosheit völlig real, während die Güte weitgehend imaginär bleibt.
Es nützt nicht das Geringste, seinen Hass gegen die Deutschen zu entfachen, wenn sich gleichzeitig zwischen ihm und seiner Mutter, seinem Vorgesetzten und dem Mann, dem er im Zug begegnet, eine unheilvolle Gewohnheit der Nächstenliebe ausbildet.
Stell dir deinen Mann als ein System konzentrischer Kreise vor, deren innerster sein Wille ist, danach sein Verstand, schließlich seine Fantasie. Du kannst wohl kaum erhoffen, mit einem Schlag aus allen Kreisen alles auszumerzen, was nach dem Feind riecht. Aber du musst beharrlich alle Tugenden nach außen schieben, bis sie schließlich im Kreis der Fantasie angesiedelt sind, während du alle wünschenswerten Eigenschaften nach innen in den Kreis des Willens verlagerst.
Nur wenn sie den Willen erreichen und dort in Form von Gewohnheiten Gestalt gewinnen, sind die Tugenden wirklich fatal für uns. (Natürlich meine ich damit nicht das, was der Patient irrtümlich für seinen Willen hält, nämlich seine ständigen schaumschlägerisch verbissenen Vorsätze und Entschlüsse, sondern das wahre Zentrum, das Herz, wie es der Feind nennt.) Auch die höchsten Tugenden, die er sich in der Fantasie ausmalt, mit dem Verstand befürwortet oder gar liebt und bewundert, werden einen Mann nicht vor dem Haus Unseres Vaters bewahren: Sie könnten ihn sogar noch unterhaltsamer machen, wenn er dort ankommt.
Herzlichst,
Dein Onkel Screwtape
VII
Mein lieber Wormwood, ich bin erstaunt, dass du mich fragst, ob es wichtig sei, den Patienten über deine Existenz im Dunkeln zu lassen. Diese Frage ist uns, zumindest für die gegenwärtige Phase des Kampfes, vom Oberkommando bereits beantwortet worden. Im Augenblick besteht unsere Strategie darin, uns zu tarnen. Natürlich ist das nicht immer so gewesen. Wir stehen wirklich vor einem grausamen Dilemma.
Wenn die Menschen nicht an unsere Existenz glauben, gehen uns all die Annehmlichkeiten des unmittelbaren Schreckens verloren, und wir gewinnen keine Zauberer und Geisterbeschwörer. Glauben sie andererseits an uns, können wir keine Materialisten und Skeptiker aus ihnen machen. Zumindest noch nicht.
Ich hege große Hoffnung, dass wir mit der Zeit lernen werden, wie wir ihre Wissenschaft so sehr emotionalisieren und mythologisieren können, dass sich praktisch ein Glaube an uns (wenn auch nicht als solcher bezeichnet) einschleichen kann, während der menschliche Verstand gleichzeitig für den Glauben an den Feind verschlossen bleibt.
Die »Lebenskraft«-Theorie, die Verherrlichung des Sex und manche Aspekte der Psychoanalyse könnten sich hier als nützlich erweisen. Haben wir erst einmal unser vollkommenes Meisterwerk hervorgebracht – den materialistischen Magier, den Menschen, der das, was er »Kräfte« nennt, nicht nur gebraucht, sondern geradezu anbetet, doch gleichzeitig die Existenz von »Geistern« leugnet –, dann wird das Ende des Krieges in Sicht sein. Doch in der Zwischenzeit müssen wir unseren Befehlen gehorchen.
Ich glaube nicht, dass es dir sehr schwer fallen wird, den Patienten im Dunkeln zu halten. Die Tatsache, dass »Teufel« nach moderner Vorstellung vorwiegend komische Figuren sind, wird dir eine Hilfe sein. Sollte sich auch nur ein leiser Verdacht, dass du existierst, in seinem Geist regen, gaukele ihm ein Bild von irgendeiner Figur in roten Strumpfhosen vor und rede ihm ein, da er daran nicht glauben könne (eine alte Lehrbuch-Methode, sie zu verwirren), könne er folglich auch nicht an dich glauben.
Ich hatte mein Versprechen nicht vergessen, zu erörtern, ob wir den Patienten zu einem extremen Patrioten oder zu einem extremen Pazifisten machen sollten. Alle Extreme außer einer extremen Hingabe an den Feind sind zu fördern. Natürlich nicht immer, aber in dieser Phase.
Manche Zeitalter sind lauwarm und selbstzufrieden, und dann ist es unsere Aufgabe, die Menschen in noch tieferen Schlaf einzulullen. Andere Zeiten, zu denen auch die gegenwärtige gehört, sind unausgewogen und voller Parteiungen, und da ist es unsere Aufgabe, die Glut zu schüren. Jedes kleine Grüppchen, das sich durch ein Interesse zusammenfindet, das anderen Menschen zuwider oder gleichgültig ist, neigt dazu, um sich herum ein Treibhaus der gegenseitigen Bewunderung aufzubauen und der Außenwelt mit Stolz und Hass zu begegnen, ohne sich dessen zu schämen, denn dahinter steht ja die »Sache«, die man für unpersönlich hält.
Das trifft zu, selbst wenn diese kleine Gruppe ursprünglich ins Dasein kam, um einem Zweck des Feindes zu dienen.
Wir wollen, dass die Kirche klein bleibt, nicht nur, damit weniger Menschen den Feind kennen lernen, sondern auch, damit jene, die dazugehören, die ungesunde Intensität und streitbare Selbstgerechtigkeit einer Geheimgesellschaft oder Clique entwickeln. Die Kirche selbst verfügt natürlich über eine sehr gute Verteidigung, und es ist uns nie ganz gelungen, ihr alle Merkmale einer Splittergruppe zu verleihen; doch untergeordnete Splittergruppen innerhalb der Kirche haben oft vorzügliche Ergebnisse gezeitigt, von den Parteien des Paulus und des Apollos bis hinab zu den Parteien der High Church und der Low Church in der Anglikanischen Kirche.
Sollte sich dein Patient dazu bewegen lassen, den Kriegsdienst aus Gewissensgründen zu verweigern, wird er sich automatisch als Teil einer kleinen, lautstarken, organisierten und unbeliebten Gruppe wieder finden, und das wird sich auf jemanden, der so neu im Christentum ist, beinahe mit Sicherheit günstig auswirken. Aber nur beinahe mit Sicherheit.
Hatte er ernsthafte Zweifel darüber, ob es erlaubt sei, in einem gerechten Krieg zu dienen, bevor dieser gegenwärtige Krieg begann? Ist er ein Mann von großem körperlichen Mut – groß genug, dass er keine halb bewussten Bedenken bezüglich der Motive für seinen Pazifismus haben wird? Kann er in einem Moment, wenn er der Ehrlichkeit am nächsten kommt (kein Mensch kommt ihr jemals sehr nahe), völlig gewiss sein, dass er ausschließlich von dem Wunsch getrieben wird, dem Feind gehorsam zu sein?
Wenn er zu dieser Sorte Menschen gehört, dann wird uns sein Pazifismus vermutlich nicht viel nützen, und der Feind wird ihn wahrscheinlich vor den gewöhnlichen Folgen der Zugehörigkeit zu einer Sekte bewahren. In diesem Fall wärst du am besten beraten, wenn du versuchtest, eine plötzliche, verwirrende emotionale Krise zu verursachen, aus der er vielleicht als widerwilliger Überläufer zum Patriotismus hervorgeht. Ist er dagegen der Mann, für den ich ihn halte, so versuche es mit dem Pazifismus.
In welche Richtung er sich auch wendet, deine Hauptaufgabe bleibt dieselbe. Zunächst musst du ihn dazu bringen, seinen Patriotismus oder Pazifismus als Bestandteil seiner Religion aufzufassen. Dann lass ihn unter dem Einfluss des Partisanengeistes anfangen, ihn als den wichtigsten Bestandteil zu betrachten. Dann locke ihn leise und ganz allmählich weiter bis zu dem Stadium, in dem die Religion nur noch ein Teil der »Sache« ist und in dem er das Christentum hauptsächlich deswegen schätzt, weil es so vorzügliche Argumente für die britischen Kriegsanstrengungen oder für den Pazifismus liefern kann.
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