Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt. Erhard Heckmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Erhard Heckmann
Издательство: Автор
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Жанр произведения: Биология
Год издания: 0
isbn: 9783961451456
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gewann zwar unter John Singleton 1779 das erste St. Ledger, doch konnte Flying Childers keine dauerhafte Hengstlinie etablieren. Das tat jedoch sein nicht gelaufener Bruder Bartlett’s Childers, der Squirt zeugte, dessen Sohn Marske der Vater des großen Eclipse wurde. Auch in den Adern des englischen Derbysieger von 1966, Charlottown, pulsierte noch Blut von Flying Childers, dessen Enkel Snap (1857; 3 x 3 auf Fox ingezogen) eines der besten Rennpferde seiner Zeit war und das Blut seines Vorfahren erfolgreich weitertrug. So auch in den Derbyiegern Saltram, der 1783 zu Epsom triumphierte und 1799 nach Virginia exportiert wurde, und dem vier Jahre jüngerem Sir Peter. In beiden Fällen war Snap, der in die USA exportiert wurde, der mütterliche Großvater. In den Pedigrees der Derbysieger Whalebone, Whisker, Phantom und Pope stand Snap in deren Ahnenreihen ebenfalls weit vorn.

      Bei dem ersten wahrhaften Rennpferd, das 49 Jahre später diese Welt betrat, Eclipse, stand Flying Childers Vater Darley Arabian als Ururgroßvater bereits drei Generationen weiter hinten, und seine Mutter Spiletta war eine Enkelin von Godolphin Arabian. Der von Marske stammende Hengst, der sieben Heats und 19 Rennen im Spaziergang gewann, muss dabei in nur zwei Jahren etwa 2.200 Kilometer gewandert sein, um 100 Kilometer in seinen Rennen zu laufen, denn Transportmöglichkeiten gab es damals noch nicht. Der 1764 während einer Sonnenfinsternis geborene Fuchs wurde nie geschlagen, war stets überlegen, eisenhart, gesund, eine Legende und als Deckhengst von überragender Bedeutung. Heute – 2007 waren es 95% – steht sein Name in fast allen Pedigrees der Vollblüter rund um die Welt. Die Pferde unserer Zeit würden ihn schlagen, aber damals muss er ein Überpferd gewesen sein. „Eclipse Erster, der Rest nirgendwo“, ein Spruch, den uns jene Zeit überlieferte. Mit diesem Phänomen überlappte sich auch die Zeit dreier weitere bedeutender Hengste: Dem harten Steher und Godolphin Arabian-Enkel Matchem (1748-81); Herod (1758-80), ein Ur-Ur-Enkel von Byerly Turk, der die Besten seiner Zeit schlug, achtmal die Deckhengstliste Englands anführte, und dessen Sohn Florizel (1768) zehn Rennen gewann und an Diomed Englands ersten Derbysieger zeugte. Der Dritte war Herold’s Sohn Highflyer (1794-93), den Sir Charles Bunbury zog, Richard Tattersall besaß und der 13 Deckhengst-Championate gewann. Mit diesen Pferden standen den Züchtern auch alle Möglichkeiten offen, um in der Zucht zu experimentieren oder neue Kreuzungen zu versuchen. Und auch die vielerorts verpönte Inzucht wurde von den frühen Züchtern intensiv genutzt (heute spricht man nur noch von Inzucht, wenn der gleiche Vorfahre weit vorn, bis zur dritten und vierten Generation, vorkommt, denn der Vollblüter als solcher ist insgesamt ingezogen). Auch die Idee des ausgewiesenen Pferdemannes Richard Tattersalls, das Blut Herod’s mit dem von Eclipse durch dessen Töchter und Hyfligher zu vereinigen resultierte in drei Derbys, zwei St. Ledgers und Frankreichs Derby 1912.

      Wichtiger als die Statistik ist jedoch die Tatsache, dass ihr Einfluss die kritische Phase in der Vollblutzucht dominierte. Sie liefen zu Beginn dieser neuen Zucht, als sich die Pferde viel langsamer entwickelten als heute (Eclipse lief erstmals als Fünfjähriger), und das „Kings Plate“, das Eclipse elfmal gewann, besaß damals den größten Prestigewert. Aber diese Rennen basierten auf Kraft und Ausdauer, und die Pferde hatten 12 Stones (76,2 kg) über vier Meilen zu tragen. Ihre Nachfahren aber liefen in einer neuen Zeit, und in dieser galten Speed und Frühreife als immer wichtigere Faktoren. Es gab nun auch Rennen für Zweijährige, und für die Dreijährigen wurden die „Classics“ St. Ledger, Oaks und Derby als der ultimative Test entwickelt. Es war jedoch keiner dieser vier großen Hengste – Eclipse, Herod, Matchem, Highflyer – allein für die neue Entwicklung verantwortlich, sondern die Kombination von Eclipse und Herod galt für die „klassische Zucht“ als das frühe Rezept. Bestes Beispiel war damals der Derbysieger von 1793, Waxy, ein Hengst von Pot-8-Os (Eclipse) aus der Herod-Tochter Maria (1777), der von William Clift geritten wurde. Sein Trainer Robson gewann sieben Derbys, zehn Oaks und galt in jenen Jahren als Bester seiner Zunft. Er starb 1838 in Newmarket. Und Waxy zeugte die Derbysieger Pope, Whalebone, Blucher und Whisker.

      Waxys Vater, der noch als Zehnjähriger im Training war, war ebenfalls ein gutes und hartes Pferd, das die Spitzenkönner seiner Zeit alle schlug. Er gewann 35 Rennen, und 17 davon führten über mehr als vier Meilen auf Newmarkets Beacon Course. Im Gestüt war er extrem erfolgreich. Er zeugte noch zwei weitere Derbysieger, und in Waxys Derby war er der Vater von sechs der dreizehn Starter. Waxy, der im Derby Gohanna (Mercury) schlug, focht mit diesem anschließend noch zahlreiche Duelle aus. Insgesamt behielt dabei aber der Derbysieger die Oberhand, doch hatte der schmale Gegner die Courage eines Löwen.

       Eclipse (1764), das überlegene Rennpferd seiner Zeit

      Im Gestüt war er ebenfalls erfolgreich, und sein Derbysieger hieß 1807 Election, der John Arnull im Sattel hatte. Für Lord Egremont war dieser Fuchs der vierte Derbysieger in Folge.

      Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts sah ebenfalls zwei ungeschlagene, brillante Vollblüter: St. Simon und Ormonde, den Gewinner der „Dreifachen Krone“. Aber sie erlebte mit Stockwell, Hermit und St. Simon auch drei außergewöhnlich erfolgreiche Deckhengste. Und diese Pferde waren gleichzeitig ein messbarer Prüfstein dafür, dass sich das Englische Vollblut weiterentwickelt hatte. Dieser Beweis wurde spätestens 1975 erbracht, als die Siegerzeiten von Derby, Oaks und St. Ledger wissenschaftlich analysiert wurden und in dem Ergebnis resultierten, dass es bis 1900 pro Dekade eine stetige Verbesserung um etwa 2 % gab. Danach war diese Tatsache kaum noch feststellbar. Wahrscheinlich war das Vollblut damals am Ende seiner genetischen Entwicklung angekommen.

      Admiral Rous schrieb bereits 1850: „Es wird angenommen, dass ein erstklassiges englisches Vollblut-Rennpferd dem besten Araber, der zu finden ist, sechs Stones (etwa 38 Kilo) geben kann“. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass sich damit die neue Rasse „Thoroughbred“ gewaltig verbessert und zu einer neuen, sich über alle anderen Pferderassen erhebenden eigenen Rasse entwickelt hat, deren Markenzeichen Speed (Schnelligkeit) ist. Und in diese Entwicklung flossen auch Faktoren ein wie der Import von „Speed“ zur Jahrhundertwende aus den USA, die Inzucht auf St. Simon, die sich auch in den beiden mächtigen klassischen Vererbern des 20. Jahrhunderts, Hyperion und Nearco, zeigte. Auch der Einfluss so großer Stallions wie Phalaris und Blandford, die Etablierung des englischen Nationalgestüts, das Spitzenhengste aufstellte, Geldspritzen aus den Wettumsätzen und anderen Quellen in den Sport, moderne Erkenntnisse zu Fütterung, Aufzucht, Training, Veterinärmedizin oder Geläufspflege dürften sich auf dem Weg zum „vollendeten Vollblüter“ ebenso positiv ausgewirkt haben, wie die US-Hengste, die in den 1960er Jahren nach England kamen, oder die 1969 eingeführten Gruppen-Rennen und die Globalität, die Zucht und Sport erfasste. Wenn auch die Zucht keinen mathematischen Formeln folgt, das heutige Rennpferd entwicklungsmäßig vielleicht fast „ausgereizt“ ist, so dürfte es aber auch in der Zukunft Pferde geben, die, wie zuletzt ein Frankel, immer noch einen Tick genialer sind, als der beste Vorgänger. Und wenn sich diese wunderbaren Geschöpfe mit ihren Champions auch weiterhin „nur“ so präsentieren, wie das inzwischen der Fall ist, dann müsste man doch eigentlich voll zufrieden sein, zumal das Spiel der Gene ohnehin in jeder Generation für neue Spannung sorgt.

      Für die frühe Importation von „Speed“ steht der 1892 geborene Topsprinter und Lexington-Urenkel Americus, dessen väterlicher Urgroßvater auch der Vater seiner Großmutter war. In Amerika lief er als Rey del Carreres. Die neue Heimat gab ihm einen neuen Namen, und er England 1905 seine Tochter Americus Girl. Und diese Fuchsstute wurde Vorfahrin einer brillanten Sprinterlinie-Linie des 20. Jahrhunderts, an deren Spitze mit Mumtaz Mahal, „the flying filly“, stand, die The Tetrarchs beste Tochter war. Die gesamte Nachkommenschaft dieser Schimmelstute, die eine der einflußreichsten Pferdedamen in der Vollblutzucht wurde, besaß Geschwindigkeit. Lexingtonblut trugen auch Sibola (Ur-Ur-Großmutter von Nearco) und Rhoda B, die Mutter von Orby, dessen Stehvermögen gerade ausreichte, um 1907 die Derbys von England und Irland zu gewinnen. 1908 wurde Americus in Irland als Hauptbeschäler für das Trakhener Hauptgestüt gekauft, wo er schon im Frühjahr 1909 an Darmriss einging.

      Den offiziellen Begriff des „klassischen Rennpferdes“ gibt es nicht, doch waren und sind es die „klassischen Rennen“, die die jeweils dreijährige Hengst- und Stutenelite über unterschiedliche Distanzen prüfen und der Zuchtauslese dienen, auch wenn heute noch viele andere, internationale Großereignisse ebenfalls eine Rolle spielen. Und unter „Classic“ werden