Endlich erreichten wir die Stadt! Der erste Eindruck von Frankenberg: eine graue, eine einfache und eine alte Arbeiterstadt. Unser Hotel allerdings nobel! Wir waren offensichtlich die einzigen Gäste. Im „Hotel zum Rittergut“ bezogen wir am frühen Abend Quartier. Ja, in einem noblen Haus konnten wir ein nobles Zimmer beziehen! Alles bestens!
Die Eingangstür zum Hotel öffnete sich uns nach Telefonanruf über Fernöffnung. Im Haus keine Menschenseele, doch folgten wir genau den Telefonanweisungen, und so kamen wir ohne Pannen zu unserem Zimmerschlüssel und in unser Zimmer. Dort richteten wir uns schnell ein. Viel gibt es ja an „Reisegepäck“ nicht auszupacken und einzuordnen. Körper auffrischen, kurz abruhen und noch einmal in die Stiefel steigen – wir hatten schlicht und einfach einen Mordshunger. Mussten uns folglich erneut auf den Weg machen.
Unser erster Eindruck von der Stadt bestätigte sich. Dazu trug ganz sicher der graue Wolkenhimmel bei, der keine milden Abendfarben zum Bild beisteuerte. (Hoffentlich kommt es nicht zu einer Wetterveränderung!) Großer Markt- bzw. Rathausplatz. Aber auch hier wie in Döbeln zur frühen Abendstunde: „hochgeklappte Bürgersteige“. Endlich trafen wir ein Ehepaar in mittlerem Alter, das wir nach einem Restaurant fragen konnten. Es kam von einer Geburtstagsfeier und war ein wenig angetrunken. Folglich ging es locker und lustig zwischen uns zu, obwohl weder Anne noch ich Alkoholisches im Blut hatten. Die beiden begleiteten uns einige hundert Meter auf dem Weg zu einem Weinrestaurant. Wir bedankten uns beim Abschied für die Begleitung. Anne und ich, wir hatten den Eindruck, dass zumindest der etwa vierzigjährige Mann ein wenig (oder vielleicht auch mehr) „schwarz“ dachte. „Ich bin eher national!“ ließ er nebenbei von sich hören. Es war nicht die Situation und wir hatten zu diesem Zeitpunkt auch nicht den Nerv, der Sache nachzugehen.
Im Weinrestaurant tranken wir keinen Wein, sondern: Weizenbier! Vielleicht war das nicht vornehm, aber das „Weizen“ löscht nach langer Wanderung doch besser den Durst als Wein. Etwas über das Essen, das wir bestellten, lobend zu notieren, entspräche nicht der Wahrheit. Ich hatte eine gebratene Forelle bestellt, die vom Koch unter einem riesigen Berg von Rotkohl versteckt worden war und folglich ihren knusprigen Charakter verloren hatte. Meine diesbezügliche (höfliche!) Frage an den Wirt beantwortete dieser mit dem Hinweis darauf, dass „Forelle unter dem Rotkohl“ ein typisch erzgebirgisches Gericht sei. Da dürfe die Forelle unter dem Rotkohl nicht zu sehen sein …
Das war der heutige Wandertag. Ein Blick aus dem Fenster. Weiter Blick. Der Himmel nicht nur nachtgrau, sondern schlechtwettergrau. Hoffentlich … Gehe ich wie Anne lieber schnell ins Bett! Doch halt! Erst muss ich im Tagebuch noch ein Gedicht festhalten, das ich heute unterwegs am Zschopauufer an einem „Amselstein“ von einer Holztafel abgeschrieben hatte. Das Ganze in einer künstlerisch romantisch gestalteten Schrift, darüber ein Rehbockkopf mit Eichelgezweig. „Herzbewegend“ schön, das Gedicht:
Am Amselstein
Es jauchzt das Herz,
wenn Well’ und Wipfel rauschen,
die Vöglein zwitschern
und die Rehe lauschen.
Doch still!
Der Waldgeist plauscht am „Amselstein“
mit Nix’ und Elf’ im trauten Stelldichein.
Und schläft er hier:
O Wand’rer, stör’ ihn nicht!
Sein Zorn ereilt den frechen Bösewicht!
Wenn sich zwei ihr Lieben hier gestehen,
dann lacht er leis’: das mag er gerne sehen.
Die Frage, ob ich jetzt hier und zu dieser Stunde meinem (T)Annchen wieder einmal die Liebe gestehen sollte, erübrigt sich.
Erstens schläft sie schon, zweitens war der Wandertag lang genug, und drittens sollte auch ich schnell Augen und Ohren schließen, um möglicherweise heranziehendes schlechtes Wetter nicht wahrzunehmen. Vielleicht hilft der alte Kindertrick: „Ich mach die Augen zu, dann ist es dunkel, und du siehst mich nicht mehr! Ätsch!“
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