Ein Blockhaus in der Einsamkeit. Nicole Lischewski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nicole Lischewski
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Книги о Путешествиях
Год издания: 0
isbn: 9783944921198
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Sommer bestimmt nicht oft laufen lassen. Die Funktelefone sollen ja abgeschafft werden, und billiger und vielseitiger als ein Satellitentelefon ist Internet auf jeden Fall“, sagte Chris. „Wenn wir Internet hätten, wären nicht nur die Reservierungen kein Problem, sondern die Leute könnten auch über PayPal bezahlen. Durch Skype hätten wir sogar eine Telefonverbindung.“

      Der Herbst naht

      „Hm.“

      „Und über E-Mail könnten wir leicht Kontakt zu unseren Freunden und Familien halten.“

      „Ach, ich weiß nicht … “ Seufzend befingerte ich die Schwielen an meinen Händen. Sah so das moderne Wildnisleben aus? Mit Satellitenschüssel und Generator im Wald? „Aber erst muss das Haus überhaupt mal fertig werden.“

      Herbstspaziergang

      Wettkampf gegen den Winter

       Tagish Lake, Anfang September 2005.

      Jetzt sah unsere Cabin nicht mehr wie ein Holzkasten mit Moosbewuchs aus, sondern fast wie ein richtiges Blockhaus: Das untere Stockwerk war fertig. Fünf Rahmen warteten darauf, dass wir die gebraucht gekauften Fenster einsetzten, und die Öffnung für die Tür gähnte in der Wand. Aber erst hieß es, das Loft und Dach fertigzustellen.

      „Okay, lass uns die Dinger hochschieben!“ Chris hievte das Ende eines der über vier Meter langen Stämme in die Höhe, die als Bodenbalken für den Loftfußboden dienen sollten. Wir hatten sie bereits vor Wochen geschält, damit sie gut austrocknen konnten und sich mittels Muskelkraft und Seilwinde mühelos in die Höhe befördern lassen würden.

      Aus den Stämmen wird ein Haus

      Ich kletterte mit Frank auf die Hauswand, um den Stamm in Empfang zu nehmen. „Kannst du den denn allein hochschieben?“, rief ich zu Chris hinunter.

      „Ausprobieren. Seid ihr bereit?“ Er umklammerte den dünnen Stamm, ging in die Hocke und begann zu stemmen. „Uuuuaaaah!“

      „Okay, weiter!“ Frank und ich griffen nach dem Holz und zogen.

      „Wohin damit?“, keuchte ich.

      „Quer über die Ecke legen!“

      „Okay!“

      Wir zogen und rückten, Chris stemmte, und mit einem Schwung hatten wir das Biest oben. Vorsichtig bewegten wir den Stamm, bis er quer über der Hauswandecke lag.

      „Super!“ Chris' verschwitztes Gesicht tauchte unter mir auf der Leiter auf. „Ich geh schnell auf die andere Seite, und dann schieben wir ihn in Position.“

      „Und das klappt, hier oben die Nut zum Verfugen anzuzeichnen und zu sägen?“ fragte ich. Kettensäge und Leiter waren mir als Kombination nicht so geheuer. Mangels Extrabretter und Zeit arbeiteten wir ohne Baugerüst.

      „Klar, ist alles kein Problem.“ Chris war schon auf der gegenüberliegenden Wand und zerrte am Stamm.

      Chris schraubt die Dachpaneele an

      Langsam bewegten wir ihn über die Wand in die Position, in der wir ihn in die Balken verfugen wollten, die nach oben hin die Wand abschlossen. Er schien haargenau zu passen, nur ein kleines Stück noch – plötzlich schrien wir alle durcheinander. „Scheiße, pass auf!“

      „Achtung, das wird knapp!“

      „Der ist ja viel zu kurz!“

      „Ich kann ihn nicht mehr halten!“

      Der Stamm rutschte von den Wänden und knallte auf den Fußboden des unteren Stockwerks. Mit einem lauten Rumms schlug er gegen die Wand, auf der ich saß. Der ganze Bau erzitterte. Panisch klammerte ich mich fest. Der Stamm fiel ganz auf den Boden, die Wand vibrierte noch einen Moment, und dann war alles still.

      „Verdammte Scheiße!“

      „Seid ihr okay?“

      „Wenigstens haben wir stabil gebaut.“ Nervöses Gelächter. Wenn der Stamm vorher abgerutscht wäre, als Chris noch darunter stand … Mit weichen Knien kletterte ich die Leiter hinunter und in die Cabin hinein. In der OSB-Fußbodenplatte, die der Stamm zuerst getroffen hatte, klaffte ein 20 Zentimeter langes Loch.

      Chris legte mir den Arm um die Schultern. Ich schmiegte mich an ihn, konnte den Blick nicht von dem Loch in der OSB-Platte reißen. „Hat doch alles gehalten.“

      „Das Ding ist zu kurz“, stellte Frank fest und griff nach dem Bandmaß. „Wie breit ist die Hütte?“

      „14 Fuß“, sagten Chris und ich wie aus einem Mund. Da in Kanada alles Baumaterial in Fuß und Inches statt metrisch bemessen ist, fährt man besser damit, auch in diesen Dimensionen zu bauen.

      Frank hakte das Maßband ans Stammende und zog es lang. „Exakt 14 Fuß.“ Er grinste schief. „Kein Wunder, dass das Ding runtergeknallt ist. Da ist nichts mehr mit Nut raussägen und verfugen! Dafür müsste der mindestens dreißig Zentimeter länger sein.“

      Mir drehte sich der Magen um. Hatten wir sie etwa alle zu kurz gesägt? Wir sahen uns an und rannten zu dem Stapel präparierter Stämme, die als Fußbodenbohlen fürs Loft gedacht waren. Wortlos ging Frank mit dem Messband von Stamm zu Stamm und sagte schließlich: „Tja, die sind alle auf genau 14 Fuß zugesägt.“

      „So eine verdammte Scheiße“, brüllte Chris los. „Die können wir alle wegschmeißen! Die ganze Arbeit umsonst!“

      „Und wenn wir nochmals Bäume fällen?“, fragte ich.

      „Wo denn? Das muss Nadelholz sein, weil es tragende Balken sind, und darf weder zu schlank sein wegen der großen Spanne, noch zu dick, weil wir sie sonst nicht hochkriegen“, protestierte Chris. „Selbst wenn wir passende Bäume auf dem Grundstück hätten – ohne erst auszutrocknen sind die viel zu schwer für uns! Und so lange können wir nicht warten!“

      „Und wenn du stattdessen Bretter sägst?“, schlug Frank vor.

      „Woraus denn? Die paar langen, dicken Stämme, die wir noch haben, brauchen wir alle, um die Bretter für den Dachstuhl herzustellen.“ Beklemmendes Schweigen.

      „Und wenn wir auf das Loft verzichten, einfach jetzt das Dach draufsetzen?“, fragte ich.

      „Dann zieht im Winter beim Heizen die ganze warme Luft nach oben und unterm Dach sind's 30 Grad, während wir unten im Kalten sitzen“, sagte Chris. „Da muss so oder so ein Boden eingezogen werden.“

      Unser Loft muss isoliert werden

      „Außerdem wollt ihr das oben doch als Schlafraum für die Jugendherberge nutzen, oder?“ Frank setzte sich auf den Stapel Baumstämme. Koyah, der ein feines Gespür für Missstimmung hatte, kam angetrottet und stupste mich tröstend an.

      Chris starrte auf unser Bauwerk. „Also, was machen wir? Hier rumsitzen bringt nichts! Los, Leute, wir müssen fertigwerden!“

      Gelbes und oranges Herbstlaub leuchtete um uns herum wie Warnlichter. Auf den Bergen lag bereits der erste Neuschnee. Ich seufzte. „Schlimmstenfalls bleiben wir den Winter über im Walltent. Einen Ofen haben wir ja drin.“

      „Ich verbringe doch keinen ganzen Winter im Zelt!“