Geständnis mit Folgen. Ursula Schmid-Spreer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ursula Schmid-Spreer
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783941935563
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Knallrot.

      »Lass Katharina in Ruhe. Nur weil du Mathe nicht magst und es auch nicht kannst, du Zahlengenie, brauchst du nicht so abfällig zu reden. Immerhin ist ein Mensch gestorben, das ist schlimm genug«, antwortete der Junge, der von Matze Bohl mit Nico angesprochen worden war.

      »Das sagt der Richtige. Du hast das Handtuch geschmissen. Ist die Mathematik wohl doch nicht deine Berufung, he, Streber?« Ben sah sich Beifall heischend um, erntete aber nur Schweigen von seinen Mitschülern.

      »Lasst gut sein, hört auf zu streiten«, mischte sich Petermann ein. »Ich glaube, wir haben im Moment andere Sorgen. Schon vergessen? Zehnte Klasse? Schulaufgaben? Abschlussprüfungen? Jetzt ein Mordfall. Wer soll eure Klasse bis zum Schuljahresende führen? Einige von euch werden nach der Zehnten abgehen, die brauchen ein vernünftiges Zeugnis.« Petermann hatte sich richtig in Rage geredet. Er stützte sich mit beiden Händen an einer Bank ab, sah die Schüler eindringlich an.

      Klassensprecher Matze hüpfte von dem Tisch herunter, auf dem er gesessen hatte. Zu Nico gewandt meinte er: »Du bist noch nicht lange an der Schule und kanntest Meier nicht so gut wie wir. Der konnte ganz schön austeilen. Und wen er auf dem Kieker hatte, Mannomann, der hatte wirklich nichts zu lachen.«

      Ein paar Schüler nickten zustimmend.

      »Wie geht’s nun weiter, Herr Petermann?«, schob Matze nach.

      »Das kann ich euch wirklich noch nicht sagen. Wir werden eine Konferenz einberufen müssen und beratschlagen, was zu tun ist. Vorerst gilt der Vertretungsplan.«

      Kurz schwoll Stimmengewirr an, manche maulten.

      »Mann, das haben wir heuer nicht zum ersten Mal. Meier hat schon letztes Schuljahr längere Zeit gefehlt und war vergangenen Dezember über weg, und da hatten wir auch Vertretungen«, meinte ein Schüler genervt.

      »Wer sind Sie?« Belu sah den schlaksigen Jungen an, der von der letzten Bank vorgerufen hatte.

      »Tobias Herbst. Ich bin auch in der Mathe-AG. Der Meier war schon ein Hund. Erinnert euch nur daran, wie er Matze die Clownsmaske aufgesetzt hat und meinte, dass auch jeder weiß, wo der Spaßvogel sitzt. Und zu Bella hat er gesagt, wenn er sich einen Döner ans Ohr hält, dann hört er wenigstens die Sau grunzen, bei ihr käme nix, und sie hätte keinen blonden Schimmer von Zahlen.«

      »Ha ha«, maulte Matze und setzte sich seine Baseballkappe verkehrt herum auf.

      »Du bist so ein Arsch, Tobias.« Bella nahm einen Gummi, warf ihn dem jungen Mann an den Kopf. Tobias duckte sich geschickt. Nico, der hinter ihm stand, reagierte nicht schnell genug und bekam ihn direkt an die Nase.

      »Aua, Volltreffer! Bella, seit wann bist du ein Wurfgenie?« Nico rieb sich die Nase, machte gute Miene zum bösen Spiel. Petermann sah etwas pikiert drein. Klaus Hofmockel verzog die Mundwinkel und Belu beobachtete die Szene gespannt. Was würde sie von den Schülern noch über Meiers Charakter erfahren?

      »Ehrlich, Leute, ich fand Meier nicht so schlimm. Er konnte sehr gut erklären. Seinen Humor musste man halt verstehen.«

      »Nico, du kannst überhaupt nicht mitreden. Die paar Monate, die du an unserer Schule bist, zählen gar nicht. Wir haben Meier schon das dritte Jahr in Mathe. Einige von uns kennen ihn noch länger. Er ist im Laufe der Zeit immer schlimmer geworden. Das letzte Jahr war einfach übel. Er hat sich auf unsere Kosten ganz schön amüsiert. Ich finde Lehrer, die glauben, nur ihr Fach ist das wichtigste, einfach nur zum Kotzen.«

      »Julia Schott«, sagte Petermann zu Belu gewandt.

      Die Schülerin fuhr sich mit den Fingern durch die blonden Haare und blies sich den Pony aus den Augen. Dann stand sie auf und schmiss wütend ein zusammengeknülltes Taschentuch in den Abfalleimer.

      »Immer, wenn er exzessiv Sport betrieben hat«, warf Matze ein, »und mit blauen Flecken in den Unterricht kam«, sagte ein anderer Schüler, »dann war sein Zynismus besonders schlimm. Dann konntest du deinen Arsch drauf verwetten, dass er eine Ex geschrieben hat, die sich gewaschen hatte. Kam dir das nicht so vor, Nico?«

      »Na ja, schon«, antwortete dieser breit. »Ich kann nur sagen, in der Mathe-Arbeitsgruppe hat er sich ganz anders gegeben. Geduldig, voll dabei, immer ein offenes Ohr. Was sagst du dazu, Katharina?«

      Die Schülerin hatte sich bisher nicht am Gespräch beteiligt, nur still vor sich hin geweint, wie Belu feststellte. Katharina nickte, biss sich auf die Lippen und stierte aus dem Fenster.

      »Mensch, Leute! Hallo! Habt Ihr euch eigentlich mal gefragt, wer Meier den Schädel eingeschlagen hat?« Matze stellte sich breitbeinig vor die Klasse und verschränkte die Arme.

      »Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ein Schüler war. So ernsthaft gefährdet durchzufallen, ist keiner von uns. Also hätte auch niemand ein Motiv, ihn kaltzumachen.« Der Schüler Tobias nahm seine Brille ab und sah mit kurzsichtigen Augen seine Klassenkameraden an. Er erntete zustimmendes Gemurmel. Studiendirektor Petermann meinte mit Blick zu Belu und Klaus: »Ihr könnt gehen. Aber bitte leise. Morgen wissen wir sicher mehr.« Das ließen sich die Schüler nun doch nicht ein zweites Mal sagen. Schnell leerte sich das Klassenzimmer. Die Kommissare und Petermann blieben zurück.

      »Die sind ja recht diszipliniert«, meinte Belu. Sie sah, wie etliche der Schüler beim Rausgehen die Handys zückten. Meiers Tod hatte bestimmt schon die Runde gemacht.

      »Beim Kollegen Meier trauten sich die wenigsten Schüler zu quatschen oder eine große Lippe zu riskieren. Zu groß war die Angst, von ihm bloßgestellt und blamiert zu werden.« Johannes Petermann zupfte wieder nervös an seinem Hemdknopf. »Ja, das konnte er gut. Andere bloßstellen. Nicht nur Schüler. Leider auch Kollegen.«

      »Hatte er Sie bloßgestellt? Wie wir hörten, haben Sie sich beide auf den Posten des Direktors beworben.«

      »Da gibt es nichts zum Bloßstellen.« Petermann lächelte. Seine Augen lächelten nicht mit. »Ich habe die erforderlichen Seminare besucht, und wenn es diesmal nicht klappt – es gibt noch andere Schulen in Nürnberg, die einen Direktorenposten zu besetzen haben. Eine Frage der Zeit. Wissen Sie, Meier ließ keinen Zweifel daran, dass er Autorität besaß. Und er war sehr konsequent in seinem schulischen Fortkommen. Nicht nur zu den Schülern, auch im Lehrerzimmer ließ er seinen Lieblingsspruch los: Man soll den Tag nicht vor dem Elternabend loben!«

      »Ich nehme an, dass er für die Schülerzeitung ein ergiebiges Opfer war.« Klaus Hofmockel nahm eine Broschüre, die auf einem Packen Papier lag. Laut las er vor: »Das Gehirn ist eine fabelhafte Einrichtung. Es beginnt zu arbeiten, sobald man aufsteht, und es hört auf, wenn man in der Schule ist. Setz dich wieder hin, Martin, die Tafel ist heute offenbar dein Feind. Das wird wohl nichts mehr, oder?«

      Belu schmunzelte. »Solche Sprüche werden von Schülern mit Vorliebe gesammelt und in den Schülerzeitungen zum Besten gegeben. Das war schon zu meiner Schulzeit so. War er eigentlich ein guter Lehrer?«, fragte sie übergangslos.

      »Wenn er gut drauf war, konnte er wirklich fantastisch erklären. Das haben wir oft von den Schülern gehört. In der Mathe-AG ist er richtig aufgegangen und meist hatte er einen flotten Spruch auf den Lippen. Wenn er menschlich nicht so ein Arschloch gewesen wäre, hätte man ihn glatt nett finden können.« Petermann schlug sich leicht auf den Mund.

      »Entschuldigen Sie die Wortwahl«, sagte er. »Man soll nicht schlecht über einen Toten sprechen. Noch dazu, wenn es ein Kollege war. Es war nicht immer leicht mit ihm.«

      Belu sah den Lehrer aufmerksam an. Der konnte ihn partout nicht leiden, konstatierte sie für sich. Und nicht nur, weil beide auf den Posten des Direktors scharf waren.

      »Wissen Sie«, Petermanns linkes Auge zuckte ein bisschen, »früher war Meier nicht so. Da war er eher ruhig und zurückhaltend.«

      »Sie kennen ihn schon länger?« Klaus kramte einen Notizblock aus seiner Jackentasche.

      »Wir haben vor gut zehn Jahren hier am Hedwig-Gymnasium angefangen. Da wir beide neu waren, haben wir uns, sagen wir solidarisiert. Wir waren jetzt nicht unbedingt die besten Freunde, aber ab zu sind