3 Nachwirkungen im Alten Testament
Auf die Geschichte von Jakob, dem Betrüger, wird außerhalb der Genesis mehrfach im AT Bezug genommen. So spielt Hos 12,4 auf die Deutung des Namens Jakob an, wie sie sich in Gen 27,36 findet, stellt aber den Betrug ungleich stärker heraus und tilgt „alle positiven Züge der alten Erzählungen über die zwielichtige Jakobsgestalt“ (JEREMIAS 1983, 153). Strittig ist, ob sich auch in Jer 9,3 und Mal 3,6 Anspielungen auf den Betrug Jakobs an Esau finden (vgl. zur Diskussion der Stellen GESE 1995).
4 Literatur
BAR-EFRAT, Shimon (2006): Wie die Bibel erzählt. Alttestamentliche Texte als Kunstwerke verstehen, Gütersloh.
BLUM, Erhard (1984): Die Komposition der Vätergeschichte, Neukirchen-Vluyn.
BOECKER, Hans-Joachim (1992): 1. Mose 25,12–37. Zürcher Bibelkommentar AT I/3, Zürich.
GESE, Hartmut (1995): Jakob der Betrüger? In: M. Weippert, St. Timm (Hrsg.): Meilenstein, Festschrift H. Donner, Wiesbaden, 33–43.
GRADWOHL, Roland (1999): Waren Leas Augen häßlich? In: Vetus Testamentum 49, 119–124.
GUNKEL, Herrmann (1921): Das Märchen im Alten Testament, Tübingen.
JEREMIAS, Jörg (1983): Der Prophet Hosea. Das Alte Testament Deutsch 24/1, Göttingen.
KLEIN, Renate A. (2007): Jakob. Wie Gott auf krummen Linien gerade schreibt, Leipzig.
KLOPFENSTEIN, Martin A. (1991): Betrug, in: Neues Bibel-Lexikon I, 285f.
KRAUSS, Heinrich; KÜCHLER, Max (2004): Erzählungen der Bibel II. Das Buch Genesis in literarischer Perspektive: Abraham–Isaak–Jakob, Göttingen.
SEEBASS, Horst (1995): Jakob, in: Neues Bibel-Lexikon II, 272–274.
SEEBASS, Horst (1999): Vätergeschichte II (23,1–36,43), Neukirchen-Vluyn.
WESTERMANN, Claus (31.983): Genesis (12–36). Biblischer Kommentar AT I/2, Neukirchen-Vluyn.
WILLI-PLEIN, Ina (2002): Genesis 27 als Rebekkageschichte. Zu einem historiographischen Kunstgriff der biblischen Vätergeschichten, in: dies.: Sprache als Schlüssel. Gesammelte Aufsätze zum Alten Testament, hrsg. von M. Pietsch und T. Präckel, Neukirchen-Vluyn, 41–49.
WILLI-PLEIN, Ina (2011): Das Buch Genesis (12–50). Neuer Stuttgarter Kommentar AT I/2, Stuttgart.
Peter Riede
Bild
„Lauft nicht in euer Verderben und macht euch kein Gottesbildnis, das irgendetwas darstellt, keine Statue, kein Abbild eines männlichen oder weiblichen Wesens, kein Abbild irgendeines Tiers, das auf der Erde lebt, kein Abbild irgendeines gefiederten Vogels, der am Himmel fliegt, kein Abbild irgendeines Tiers, das am Boden kriecht, und kein Abbild irgendeines Meerestieres im Wasser unter der Erde“ (Dtn 4,16–18). Dies ist der deutlichste Text in Bezug auf das Bilderverbot und es scheint auf den ersten Blick, dass Israel damit jegliche Möglichkeit einer Abbildung ausgeschlossen habe. Sein Kult ist bilderlos, vollkommen geistlich und stützt sich allein auf das „Wort“. Ausgehend von diesem und ähnlichen Texten, haben manche die hebräische Kultur der griechischen entgegensetzen wollen mit der Begründung, dass erstere eine Kultur des Ohres und des Hörens sei, während letztere eine auf das Visuelle ausgerichtete Kultur sei. Die erste sei dynamischer, weil auf dem Dialog basierend, während die zweite statischer sei, da ein Blick die Tendenz habe, das Geschaute erstarren zu lassen und es zu dominieren. Die biblische Religion basiere auf dem Hören und dem Gehorsam – „der Glaube kommt vom Hören“ (Röm 10,17) –, während die griechische Religion auf die Schau der ewigen Ideen ausgerichtet sei (Platon) oder auf Gottheiten, die dem menschlichen Geist erreichbar erscheinen, wie in den Volksreligionen. Diese Gegenüberstellungen enthalten einen wahren Kern, aber eben nur einen Teil der Wahrheit. Die Archäologie und das Studium der Texte haben gezeigt, dass die Volksreligion Israels zu allen Zeiten seiner Geschichte, selbst nach dem Exil, Bilder kannte. Deshalb muss als Erstes nach dem Grund dieses Bilderverbotes gefragt werden.
1 Warum verbietet die Bibel die Bilder?
Ägypten und Mesopotamien sind berühmt für ihre Statuen und ihre Ikonographie. Auch in den anderen Kulturen der Region wie Phönizien, den Königreichen Syriens und dem Reich der Hethiter waren Bilder Bestandteil der Kultur. Gottheiten, Herrscher, wichtige Beamte des Hofes und Mitglieder der Priesterklassen werden oft abgebildet. In Syrien und Phönizien wird die Gottheit oft durch eines ihrer Symbole dargestellt. Der Zweck dieser Bilder ist ziemlich einfach zu verstehen. Handelt es sich um eine Gottheit, so wird sie von der Statue oder dem Bild repräsentiert, das heißt vergegenwärtigt. Den Experten zu Folge geht es weniger darum, die äußere Form der Gottheit darzustellen, als vielmehr ihre Funktion, ihren Status und ihre Macht. Eine Statue oder ein Bild zu ehren – oder nicht zu ehren – bedeutet daher, die Gottheit selbst zu ehren oder zu verachten.
Wenn es um die Darstellung eines Herrschers oder anderer Personen des öffentlichen Lebens geht, spielt die Statue eine ähnliche Rolle. Hier kommt allerdings noch ein anderes Element ins Spiel, das deutlich aus folgendem biblischen Text hervorgeht: „Absalom hatte sich schon zu Lebzeiten den Gedenkstein, der jetzt im Königstal steht, herbeischaffen und für sich aufstellen lassen; denn er sagte sich: Ich habe keinen Sohn, der meinen Namen im Gedächtnis (der Menschen) halten würde. Er benannte den Stein nach seinem Namen; deshalb heißt er bis zum heutigen Tag ‚Absaloms Hand‘“ (2 Sam 18,18). Unabhängig davon, ob es sich hier nun um eine Stele oder um eine Statue handelt, ist der Zweck derselbe: Sie soll den Namen der Persönlichkeit fortleben lassen und ihr eine Art von Unsterblichkeit verleihen, da die Statue oder das Bild ihr Vorbild überleben wird.
Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass Israel den ikonographischen Geschmack seiner Nachbarn teilte. Warum also das Bilderverbot? Dafür gibt es mindestens zwei gewichtige Gründe.
Israel hat es nie geschafft, eine Großmacht zu werden. Weder das Nordreich noch das Königreich Juda konnten jemals einen wichtigen Platz auf der Bühne der internationalen Politik einnehmen. Darüber hinaus sind beide Reiche von fremden Armeen, der assyrischen bzw. der babylonischen, erobert und verwüstet worden. Es war damals üblich, nicht nur die Wertobjekte, die den Sieger bereicherten, sondern auch die Götterstatuen der besiegten Nationen als Beute mitzunehmen. Es ist daher mehr als wahrscheinlich, dass die Eroberer nach der Plünderung Samarias (722 v. Chr.) und Jerusalems (586 v. Chr.) alles, was nur irgend möglich war, mitnahmen. Wir werden daher nie wissen, was sich in den Heiligtümern der beiden Hauptstädte befand, ganz zu schweigen von denjenigen der übrigen eroberten Städte.
Zwei Gründe sprechen dafür, dass das Bilder verbot mit diesen Erfahrungen zusammenhängt. Erstens könnte es das Ziel des Bilderverbotes gewesen sein, einer Geiselnahme des „Nationalgottes“ (→ Volk, erwähltes) zuvorzukommen (SCHENKER 2001). Als die Sieger den Tempel von Jerusalem betraten, wie z.B. Pompeius im Jahre 66 v. Chr., fanden sie nichts bzw. man nimmt an, dass sie nichts fanden. Dem Propheten Ezechiel zu Folge, soll sogar die Herrlichkeit Gottes den Tempel verlassen und sich auf dem Ölberg niedergelassen haben, bevor der Tempel entweiht wurde. Auch dies ist eine Weise auszudrücken, dass es im Heiligtum kein Bild JHWHs mehr gab bzw. dort ein solches nie gegeben hatte.
Der zweite Grund ist noch einfacher. Auffälligerweise finden sich die heftigsten und sarkastischsten Polemiken gegen den Bilderkult bei „Deuterojesaja“ (Jes 40–55). Nun ist aber „Deuterojesaja“ mit der babylonischen Kultur wohl vertraut. Was kann man daraus schließen? Diese Texte spiegeln eine Mentalität wieder, die der Lebensweisheit „aus der Not eine Tugend machen“ entspricht. Die judäische Gemeinde konnte in keiner Weise mit den babylonischen Künstlern konkurrieren. Die mesopotamische Kultur war