Aber vergleichen wir jetzt einmal die Welt mit dem Reich Gottes – und Geld gehört zu den Dingen, an denen der Unterschied zwischen beidem offen zutage tritt. Die Welt folgt dem, was Aristoteles „mimetisches Begehren“ nennt. Es funktioniert folgendermaßen: Zwei kleine Jungen beschäftigen sich in einem Raum. Der eine nimmt sich einen Ball und beginnt, damit zu spielen. Sofort will der andere auch genau diesen Ball haben. Dieses Phänomen kann man auch im Weihnachtsgeschäft gut beobachten: Es gibt da die eine Sache, die alle unbedingt haben wollen. Die Leute treten sich fast tot, wenn es zum Endspurt für die Weihnachtseinkäufe geht. Jeder „braucht“ genau das, was die anderen anscheinend glücklich macht. Das ganze System beruht auf Neid und endlosem Konsum. Die Welt sagt: Geld erkauft dir Glück, also sieh zu, dass du möglichst viel davon ergatterst. Dazu ist das Leben da. Mitten in diesem Irrsinn steht Jesus da – wie der Einzige in einem brennenden Gebäude mit gesundem Menschenverstand – und weist uns gelassen den Weg zum Ausgang, indem er sagt:
Niemand kann zwei Herren gleichzeitig dienen. Wer dem einen richtig dienen will, wird sich um die Wünsche des anderen nicht kümmern können. Er wird sich für den einen einsetzen und den anderen vernachlässigen. Auch ihr könnt nicht gleichzeitig für Gott und das Geld leben.
Darum sage ich euch: Macht euch keine Sorgen um euren Lebensunterhalt, um Essen, Trinken und Kleidung. Leben bedeutet mehr als Essen und Trinken, und der Mensch ist wichtiger als seine Kleidung. Seht euch die Vögel an! Sie säen nichts, sie ernten nichts und sammeln auch keine Vorräte. Euer Vater im Himmel versorgt sie. Meint ihr nicht, dass ihr ihm viel wichtiger seid? Und wenn ihr euch noch so viel sorgt, könnt ihr doch euer Leben um keinen Augenblick verlängern.
Weshalb macht ihr euch so viele Sorgen um eure Kleidung? Seht euch an, wie die Lilien auf den Wiesen blühen! Sie können weder spinnen noch weben. Ich sage euch, selbst König Salomo war in seiner ganzen Herrlichkeit nicht so prächtig gekleidet wie eine dieser Blumen. Wenn Gott sogar das Gras so schön wachsen lässt, das heute auf der Wiese grünt, morgen aber schon verbrannt wird, wie könnte er euch dann vergessen? Vertraut ihr Gott so wenig? Zerbrecht euch also nicht mehr den Kopf mit Fragen wie: „Werden wir genug zu essen haben? Und was werden wir trinken? Was sollen wir anziehen?“ Mit solchen Dingen beschäftigen sich nur Menschen, die Gott nicht kennen. Euer Vater im Himmel weiß doch genau, dass ihr dies alles braucht. Sorgt euch vor allem um Gottes neue Welt, und lebt nach Gottes Willen! Dann wird er euch mit allem anderen versorgen. Deshalb sorgt euch nicht um morgen – der nächste Tag wird für sich selber sorgen! Es ist doch genug, wenn jeder Tag seine eigenen Lasten hat. (Matthäus 6,24-33)
Dann hätten also die Minimalisten mit ihrem Beharren auf einem einfachen Lebensstil recht. Wir sollten noch nicht mal darüber nachdenken, wie wir zu Geld oder zu irgendwelchen „Dingen“ kommen.
Na ja, in gewisser Weise schon. Wenn Jesus sagt, wer zwei Mäntel hat, solle einen verschenken, dann steckt darin die Logik: Man kann den zweiten Mantel nur verschenken, wenn man einen zweiten Mantel besitzt. Man kann den Armen nicht helfen, wenn man selbst arm ist. Und würdest du das nicht liebend gern tun? Also wirst du einen Weg finden müssen, den zweiten Mantel zu erwerben. Wenn du über Finanzen verfügst, kannst du damit die Welt verändern – zum Besseren. Für mich ist der Minimalismus ein Beispiel dafür, was mit einem wirklich guten Anliegen passieren kann, wenn es aus dem Zusammenhang gerissen wird. G. K. Chesterton hat bereits gewarnt:
Wenn ein religiöses System zertrümmert wird (wie das mit dem Christentum in der Reformation geschah), dann führt das nicht nur zu einer Entfesselung der Laster. Keine Frage, dass die Laster entfesselt werden; sie streifen umher und stiften Schaden. Aber auch die Tugenden werden entfesselt, und sie streifen noch haltloser umher und richten noch schrecklicheren Schaden an. Die heutige Welt steckt voll von alten christlichen Tugenden, die durchgedreht sind. Sie sind durchgedreht, weil sie auseinandergerissen wurden und allein umherstreifen.3
Ich habe durchaus Respekt für die Integrität der Vertreter der neuen Bescheidenheit. Aber ähnlich wie in den Sechzigern die Hippies haben sie eine ziemlich naive Vorstellung davon, wie die Welt funktioniert. (Übrigens: Ist doch seltsam, dass Leute deines Alters wieder von den Sechzigerjahren schwärmen. Das war damals eine Katastrophe.) Nur weil eine Bewegung bescheiden oder edelmütig daherkommt, verkörpert sie noch lange nicht das Reich Gottes. Der Kommunismus versprach der Arbeiterklasse einen gerechten Anteil am Volksvermögen, aber am Ende zerstörte er die Volkswirtschaften aller Länder, in denen er herrschte – und wer darunter am meisten litt, war die Arbeiterklasse. Vor ein paar Jahren besuchte ich ein kleines Dorf in der Slowakei. Ein Freund von mir wohnt dort. Rund um den Marktplatz standen alle Läden leer. „Hier waren einmal viele kleine Handwerksgeschäfte“, erklärte Bo. „Wirklich ausgezeichnete Waren. Aber unter dem Kommunismus gingen die Läden ein, und das Handwerk starb aus. Heute gibt es niemanden mehr, der die alte Kunst weitergeben könnte. Eine traurige Geschichte.“
Und wir Jungen verurteilen den Kapitalismus wegen der allgegenwärtigen Gier. Die „Occupy Wall Street“-Bewegung lebte doch von einer berechtigten Empörung, und ich kenne niemanden in meinem Alter, der nicht auf eine Revolution hoffte. Aber inzwischen kommen einem die unaufhörlichen Proteste eher als illegal vor als die Manipulation von Aktienmärkten und die dreisten Diebstähle von Aktienmanagern und Vorständen.
Ganz sicher hat die Gier das kapitalistische System korrumpiert. Aber das heißt nicht, dass das System an sich korrupt ist. Mit Geld ist es wie mit einem Auto: Es kann dich an gute Orte bringen, es kann dich an üble Orte bringen; es kann dir Abenteuer ermöglichen, und es kann dich ernsthaft verletzen. Alles hängt davon ab, wer am Steuer sitzt. Die Leute machen schon ziemlich viel Blödsinn mit Autos, aber das macht das Auto an sich nicht schlecht.
Aber lassen wir das Geld mal für einen Moment aus dem Spiel. Reden wir vom Ertrag unserer Arbeit. Geld ist eigentlich nur ein Symbol für unsere Arbeit. Wir werden zwar nicht mehr zu einem System des Gütertausches zurückkehren – ich repariere deine Schuhe und du gibst mir dafür das Brot, das du heute früh gebacken hast. Heute erhalten wir für unsere Arbeit ein Gehalt oder Honorar, und das wiederum verwenden wir, um für unsere Bedürfnisse zu sorgen – und hoffentlich auch für die anderer. Geld ist einfach die Frucht unserer Mühe, der Ertrag unserer Arbeit. Und Arbeit ist etwas sehr Gutes und ausgesprochen wichtig dafür, dass ein Mann sich als Mann fühlt. Als Gott den Menschen schuf, schuf er ihn, um „fruchtbar“ zu sein (1. Mose 1,28). Das Erste, was Adam erhielt, war eine Aufgabe. Arbeit. Ein Tag harter Arbeit kann uns sehr zufrieden machen. Kein echter Mann will sich wie ein Schmarotzer vorkommen, der von der Arbeit anderer lebt.
Einen wirklich üblen Job hatte ich in dem Sommer, als ich achtzehn wurde. Ich arbeitete für einen Landkreis in Oregon. Wir verkleideten Dachböden mit Isolierstoffen. Es war ein heißer Sommer; im Juli waren es über dreißig Grad – und das bedeutete bestimmt fünfundvierzig auf diesen Dachböden. Ich schwitzte wie ein Politiker an einem Lügendetektor. Ich schwitzte, wie ich noch nie geschwitzt hatte, und das führte dazu, dass die winzigen Fasern der Isolationsmatten an jedem Quadratzentimeter meines Körpers klebten. Grässliches Zeug. Aber trotz alldem: Wenn wir abends die Arbeit beendeten, erfüllte mich eine tiefe Zufriedenheit; dieses Gefühl: „Mann – wir haben’s geschafft! Wir haben eine wirklich harte Sache durchgestanden. Wir haben uns dieses Geld verdient!“
Das gehört ganz wesentlich zum Mannsein dazu: dass man sich vor den Pflug spannt. Nicht in sinnloser Sklaverei, sondern als Mensch, der geschaffen ist, um fruchtbar zu sein, als jemand, der produktiv sein will. Paulus sagte es so:
Ihr wisst doch genau, dass ihr auch darin unserem Beispiel folgen sollt. Denn wir haben uns nicht vor der Arbeit gedrückt. Oder haben wir jemals auf Kosten anderer gelebt? Im Gegenteil: Tag und Nacht haben wir gearbeitet und uns abgemüht, um niemandem von euch zur Last zu fallen. Wir hätten zwar von euch Unterstützung verlangen können, doch wir wollten euch ein Vorbild sein, dem ihr folgen sollt. Schon damals haben wir euch den Grundsatz eingeschärft: Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen.
(2. Thessalonicher 3,7-10)
Wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich zugeben: Oft ist es gar nicht der Job, den ich nicht mag. Lange war