"Jemand wie 'BigByte' ist eigentlich nicht unbedingt der typische Auftraggeber für einen Profikiller vom Schlage eines Desmond E. Cole", meinte er.
Ich konnte ihm da nur zustimmen.
"Tatsache ist, dass die beiden relativ kurz vor Coles Tod miteinander telefoniert haben", wandte ich ein. Und damit war 'Big Byte' zumindest ein wichtiger Zeuge.
Es dauerte noch eine halbe Stunde, bis wir per Computer-Recherche 'BigBytes' neue Adresse heraus hatten.
Offenbar war der junge Meister-Hacker in letzter Zeit des öfteren umgezogen. Selbst eine Anfrage bei seiner Telefongesellschaft führte uns zunächst in die Irre.
Wir stärkten uns noch mit einem faden Automatenkaffee.
Mandy, die Sekretärin unseres Chefs und nebenbei berühmteste Kaffee-Kocherin im ganzen Bundesgebäude, feierte an diesem Tag nämlich ein paar ihrer unzähligen Überstunden ab. So mussten wir uns mit der Automatenbrühe zufrieden geben.
"Ich hoffe, da ist wenigstens ein bisschen Koffein drin", meinte Milo und verzog dabei das Gesicht.
Ich grinste.
"Da bekommst du bestimmt nicht mehr Koffein mit, als wenn du einmal an einer Coke-Flasche riechst!"
"Sehr witzig, Jesse!"
Zehn Minuten später quälten wir uns mit dem Sportwagen, den uns die Fahrbereitschaft des FBI Field Office New York zur Verfügung stellte, durch den Berufsverkehr des Big Apple.
Unseren Recherchen nach hatte sich Mark 'BigByte' Sorellos Wohnsituation von Umzug zu Umzug stark verbessert. Als er unsere Internet-Seite auf den Kopf stellte, hatte er noch in einer miesen Gegend in Queens gewohnt, jetzt residierte er in einem luxuriösen Penthouse Ecke 72.Straße/Central Park West. Selbst für New Yorker Verhältnisse waren die Sicherheitsvorkehrungen hier extrem. Security Guards patrouillierten mit grimmigen Gesichtern in den Korridoren. Videokameras bannten jeden Besucher auf Magnetband.
Ein Metalldetektor am Portal verhinderte, dass irgendjemand, der dazu nicht autorisiert war, bewaffnet in das Gebäude gelangen konnte. Security Guards beobachteten Neuankömmlinge aus einem transparenten Kubus heraus, der aus ultrahartem Panzerglas bestand. Im Inneren dieses Glaswürfels befand sich ein Büro. Ein Monitor stand neben dem anderen.
Von hier aus wurden die Video-Bilder kontrolliert. Besucher mussten sich anmelden und ausweisen.
Der Metalldetektor machte sich bemerkbar, als wir eintraten.
Die aufgeregten Gesichter der Security Guards entspannten sich etwas, als wir ihnen unsere Ausweise entgegen hielten.
Einer der Guards trat durch eine Panzerglastür aus dem Kubus heraus und näherte sich uns.
An seinem schwarzen Uniformhemd war ein Namensschild angebracht. 'R. Temperton' stand darauf.
Temperton sah sich die ID-Cards genau an und nickte dann.
"Scheint alles in Ordnung zu sein. Zu wem möchten Sie?"
Ich hob die Augenbrauen. "Zu Mister Mark Sorello, Nr. 2789 F."
"Dann werde ich Mister Sorello ankündigen, dass Sie gleich vor der Tür seines Penthouse auftauchen werden..."
"Meinetwegen..."
Temperton ging zurück und verschwand in dem Panzerglas-Kubus.
"Das ist doch eine Adresse für Paranoide, Jesse", raunte Milo mir zu.
"Jedenfalls scheint 'BigByte' inzwischen vermögend genug zu sei, um sich so etwas leisten zu können."
"Schätze, unsere Kollegen aus dem Innendienst sollten sich mal die Bankverbindungen dieses Knaben vornehmen. Irgendwoher muss sein plötzlicher Reichtum ja stammen..."
"Ehrliche Arbeit schließt du in dem Fall von vorn herein aus?"
Milo zuckte die Achseln.
"Keine Ahnung..."
"Jedenfalls bist du hier so sicher wie in Abrahams Schoß."
"Für mich wäre das nichts!"
"Das sagst du nur, weil du dir die Miete hier von unseren Dienstbezügen als G-men gar nicht leisten könntest!"
Mit dem Aufzug fuhren wir hinauf. Einige Minuten später standen wir vor Sorellos Wohnungstür.
Milo wollte gerade die Klingel betätigen, da öffnete sich die Tür.
Ein schmächtiger junger Mann stand vor uns. Er hatte uns offenbar erwartet. Er trug eine übergroße Jeanshose und ein T-Shirt, das die Aufschrift I'M AN ASSHOLE trug.
Ich hielt meine ID-Card hin.
"Special Agent Jesse Trevellian, FBI. Dies ist mein Kollege Milo Tucker. Wir möchten Ihnen ein paar Fragen stellen..."
Sorello kaute auf einem Kaugummi herum. Er hatte rotstichiges, ungepflegtes Haar, das ihm in den Augen hing.
Mit einer ruckartigen Bewegung seines Kopfes fegte er es davon.
"Hey, G-men, bleibt cool!"
"Keine Sorge", sagte ich.
"Habt ihr Typen 'nen Durchsuchungsbefehl oder sowas?"
"Nein, haben wir nicht."
"Dann würde ich sagen, ihr macht wieder die Fliege. Ich lass' mich nicht von euch verscheißern. Und ohne meinen Anwalt sage ich keinen Ton."
"In dem Fall möchte ich Sie bitten, uns zur Federal Plaza zu begleiten", sagte ich. "Und was den Durchsuchungsbefehl angeht - den bekommen wir im Handumdrehen..."
Er vergrub die Hände in den Taschen. "Hey, G-man, warum so ungemütlich?"
"Ich schlage vor, wir unterhalten uns vernünftig. Ob Sie allerdings wollen, dass die Security Guards auf ihren Bildschirmen alles mitbekommen, liegt ganz bei Ihnen..."
Ich deutete auf eine der ganz offen platzierten Kamera-Augen.
Sorello zögerte.
"Kommt 'rein", forderte er uns dann auf.
Er führte uns in eine mindestens zweihundert Quadratmeter große Wohnung, die - abgesehen von Küche und Bad - nur aus einem einzigen Raum bestand. Wohnzimmer, Schlafzimmer und Computerzentrale in einem. In einer Ecke befand sich ein Futon. Auf einem niedrigen Tisch stapelten sich Reste einer Express-Pizza-Mahlzeit.
Mehrere Computer-Schirme flimmerten. Teile des Equipments lagen überall verstreut herum.
Ich trat an die Fensterfront heran, blickte zuerst auf die Strawberry Fields des Central Parks hinab, dann zu den Betonfassaden der anderen Skyscraper in unmittelbarer Nachbarschaft.
"Was kostet die Miete hier?", fragte ich.
"Das geht dich nichts an, G-man." Dann lachte er auf. "Ich verdiene gutes Geld. Als freier Unternehmer. Software Consulting und so etwas. Jedenfalls habe ich seit damals die Finger von euren Internet-Seiten gelassen!"
"Inzwischen gibt es Programme, die eine von unautorisierter Seite veränderte Internet-Seite innerhalb von zehn Minuten automatisch wieder herstellt", erwiderte Milo.
Sorello verschränkte die Arme.
"Inzwischen gibt es aber auch Tricks, wie man diese Software ausschalten kann", gab der Hacker zurück.
"Ich sehe, Sie kennen sich immer noch aus."
"Man bleibt auf dem Laufenden. Aber so ein dummes Zeug wie damals werde ich sicher nie wieder machen."
"Freut mich zu hören", meinte Milo.
Er zuckte die Schultern. "Ich würde so etwas nur dann noch einmal machen, wenn es sich wirklich lohnt. Der Fun, den wir dabei hatten, war den ganzen Ärger nicht wert!" Er grinste.
"Aber wie ihr seht, kann ich mein Wissen inzwischen