Vom Autor bisher bei KBV erschienen:
Vorhang zu!
André Storm (Pseudonym), geb. 1974, ist Profizauberkünstler aus Hamm in Westfalen. Seinen »ordentlichen« Beruf hat er schnell abgelegt, und er freut sich noch heute jeden Tag, dass er das Studium zum Elektroingenieur rechtzeitig abgebrochen hat. Sein Schreibtalent nutzte er in den letzten Jahren dafür, in seinen Shows »Helden« auf die Bühne zu bringen, denen man ihre Heldenhaftigkeit auf den ersten Blick nicht unbedingt ansehen kann. Sein Krimidebüt Vorhang zu! erschien 2020 bei KBV. André Storm ist verheiratet und hat zwei Kinder.
André Storm
LICHT AUS!
Kriminalroman
Originalausgabe
© 2021 KBV Verlags- und Mediengesellschaft mbH, Hillesheim
www.kbv-verlag.de E-Mail: [email protected] Telefon: 0 65 93 - 998 96-0
Umschlaggestaltung: Ralf Kramp
unter Verwendung von © Pixel-Shot - stock.adobe.com Lektorat: Volker Maria Neumann, Köln
Print-ISBN 978-3-95441-560-1
E-Book-ISBN 978-3-95441-569-4
Für Nick und Emily
Auf der anderen Seite des Lichts? Ist es dunkel.
Peter Rudl
Inhalt
PROLOG
Erwachen. Er vernahm ein fernes, gedehntes Stöhnen und stellte im gleichen Augenblick fest, dass er selbst es war, der dieses Geräusch von sich gab. Er öffnete die Augen. Zumindest fühlte es sich so an. Sein Sehsinn war nicht in der Lage, einen Unterschied auszumachen. Um ihn herum herrschte Dunkelheit. Mit dem Geräusch, welches als Nächstes das eingeschränkte Feld seiner Wahrnehmung erreichte, kam die Erinnerung.
Er lag im Kofferraum eines fahrenden Autos. Seine Hand versuchte, die pochende Stelle am Hals zu berühren, an der ihm der Entführer den Elektroschocker an den Hals gesetzt hatte. Handschellen. Die Hände auf dem Rücken gefesselt. Ein Anflug von Panik wischte die Benommenheit beiseite, die ihm bis jetzt eine Art tauber Distanz bei der Einschätzung seiner Lage verliehen hatte. Er zappelte, zerrte wirkungslos an den Fesseln. Schrie.
Als er glaubte, das Entsetzen könne sich unmöglich steigern, wurde der Wagen langsamer. Er hörte, wie feiner Kies an die Innenseiten der Radkästen schlug, als die Reifen zum Stehen kamen. Das Motorengeräusch verebbte. Stille um ihn herum.
KAPITEL 1
Das Kapitel, in dem Ben wartet, wartet und wartet – und dann den Flugverkehr über Dortmund gefährdet
Ben sah auf die große Wanduhr, die sich auch wunderbar im Wartesaal eines Vorstadtbahnhofs gemacht hätte. 9:33 Uhr. Genau eine Minute später als das letzte Mal, als er nachgesehen hatte, und zwei Minuten später als das vorletzte. Er trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte, dann lehnte er sich im Bürostuhl zurück, dessen in die Jahre gekommene Scharniere ein angestrengtes Seufzen von sich gaben.
»Der kommt wohl nicht mehr«, gestand er sich ein. Auch ein weiterer Blick zur Uhr, die nach wie vor auf 9:33 Uhr stand, vermochte an diesem Sachverhalt nichts zu ändern. Er stieß ein verärgertes Schnauben aus.
»Wie hieß der Kerl noch?« Er zog die Tastatur näher zu sich heran und öffnete die Google-Suchmaske auf dem Monitor. »Ivo …«, murmelte er und tippte mit seinem Zeigefinger die drei Buchstaben ein. »Ivo … nicht Einstein … äh … Sunstein. Ja, Sunstein war es, glaub ich.« Ben erwartete nicht, dass er mit seiner Recherche Erfolg haben würde, er hielt es mehr für einen Zeitvertreib. Sein Neun-Uhr-Termin hatte am Telefon mit aufgeregter Stimme davon gesprochen, dass er in einem Hotel in der Nähe von Bens Detektei wohne und, so wörtlich, »dringend mal rüberkommen« müsse. Es handle sich um etwas, »mit dem er nicht zur Polizei gehen« könne. Bei der Detektei handelte es sich in Wahrheit um Bens »Büro-Schrägstrich-Probenraum«, in dem er seine Shows einstudierte, Angebote schrieb und Telefonate führte. Etwas über ein Jahr war es her, dass Ben Pruss, seines Zeichens Zauberkünstler mit mäßigem Erfolg, den, wie die Presse ihn titulierte, Varieté-Killer festgesetzt hatte. Seitdem verdingte er sich nebenberuflich als Privatdetektiv, und damit war sein Büro/Probenraum eben zu einem (Detektiv-)Büro/Probenraum avanciert.
Ben hatte sich einen rollbaren Riesenstadtplan von Dortmund im Format 250 x 200 cm an die Seitenwand gehängt, den ihm sein Kumpel Dennis auf fragwürdigen Wegen aus dem Fundus ihrer alten Schule besorgt hatte. Er diente einzig dazu, die beiden Zauberplakate von Houdini und Dante zu verdecken – und im günstigsten Fall, um etwas Eindruck zu schinden. Zur Steigerung der Dramatik hatte er an einigen Stellen des Plans kleine rote Klebepfeile angebracht, die dem interessierten Betrachter suggerierten, dass dort ein bedeutungsvoller Ort in einem von Bens zahlreichen Fällen zu finden sei. Um die Idee der zahlreichen Fälle im Kopf seiner Besucher zu festigen, hatte er die Sammlung seiner Zauberzeitschriften in ein offenes Hängeordnersystem sortiert. Die Reiter der Ordner waren fantasievoll beschriftet, unter anderem mit Titeln wie Schulz gegen Schulz, Kapitalsache Reuter, Diebstahl KBV und natürlich Zack Varieté. Wenn Ben auch noch immer nicht viel von seinem neuen Job wusste, so hatte er doch schnell gemerkt, dass ein klein wenig Show auch hierbei Wunder wirkte.
Nachdem er den Nachnamen in das weiße Feld der Suchmaschine getippt hatte, drückte er die Entertaste. 235.000 Ergebnisse. Ben gab einen Grunzlaut von sich und ergänzte seine Suchanfrage um das Wort Dortmund. Siehe da, durch diesen Kunstgriff detektivischer Recherche (der Ben ein überlegenes Grinsen und ein gehauchtes »Yes, Baby!« entlockte) dezimierte sich das Suchergebnis auf schlappe 809. Er überflog die Treffer auf der ersten Seite. Ivo tauchte auf und auch Sunstein. Aber immer waren es Ivos mit anderen Nachnamen oder Sunsteins mit anderen Vornamen, die der knappe Textschnipsel unter dem blau gefärbten Webseitenlink anzeigte.
Ben klickte auf die 2 am Ende der Webseite, und weitere Suchergebnisse erschienen. Der oberste Eintrag erregte seine Aufmerksamkeit. AStA Copyshop Dortmund lautete dieser,