IM FADENKREUZ. Robert Blake Whitehill. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Blake Whitehill
Издательство: Bookwire
Серия: Blackshaw
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958356184
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Rechteck aus reinem Gold in der Größe einer Streichholzschachtel. Er sagte: »Marktpreis, etwa fünftausend Dollar. Verkauf es nicht hier in der Gegend. Das könnte zu dir zurückführen. Oder zu mir. Fahr raus, nach Jersey oder sogar Philly. Im Ernst. Jeder Laden mit Wir kaufen Gold im Fenster wird mit Freude versuchen, dich abzuzocken, ohne weitere Fragen. Ich würde wetten, dass du dafür 'ne ganze Menge mehr bekommen kannst, als der Typ dir für den Sprühjob gezahlt hat. Hab ich recht? Du hast es selbst gesagt, man muss von irgendwas leben.«

      Omega entspannte sich ein wenig. »Wirf's rüber auf meine Jacke.«

      Ben zögerte. »Haben wir 'nen Deal?«

      »Weiß, zehn oder zwölf Zentimeter kleiner als du und dünner. Vielleicht eins-achtzig. Aber kräftig. Grüne Augen. Dunkelrote Haare. Kleiner Leberfleck am Kinn.«

      Ben ließ das auf sich wirken. »Was hat er gesagt?«

      »Er sagte, wirf das Gold auf meine Jacke, bevor ich dich aufschlitze.«

      Ben warf das Goldstück in einem sanften Bogen in Richtung der Jacke neben ihrem Bett. Es glänzte in der Luft wie ein heller, kleiner, gelber Komet und machte ein sattes Geräusch, als es in ein Nest aus Leder plumpste. Omega war so scharfsinnig wie ihr Messer scharf war. Sie ließ Ben nicht aus den Augen.

      »Er hat mit nur gesagt, was ich schon wusste«, meinte sie. »Da gäb's 'nen Kerl, der in meinem Gebäude haust. Im Keller. Er hat erzählt, wie du aussiehst, aber er sagte, deine Haare wären kurz rasiert.«

      Bens Haare waren jetzt viel länger und nicht gerade ordentlich. Also kam die Nachricht von jemandem, der ihn aus dem Militärdienst kannte oder eine alte Beschreibung besaß.

      »Okay. Die Botschaft?«

      »Er hat mir 'n Stück Papier mit den Buchstaben und dem ganzen Scheiß gegeben. Hat über dich Bescheid gewusst. Über mich auch, meine Street-Art und so. Hat gemeint, ich soll das ganze Ding neben deine Tür sprühen, wo du's auch sicher siehst.«

      »Du hättest das Papier auch unter meiner Tür durchschieben können und ich hätte niemals erfahren, dass du das warst.«

      Omega schüttelte den Kopf. »Ging nich', er hat's mich nur lesen lassen. Ich musste es auswendig lernen und ungefähr hundertmal aufsagen. Dann hat er's wieder eingesteckt. Meinte, ich soll warten, bis du weg bist.«

      »Schien er zu wissen, worum es ging?«

      Omegas Augen verengten sich. »Nein. Eigentlich kam's eher so rüber, als ging's ihm auf den Sack, sich mit mir abzugeben. Als wär das unter seiner Würde oder als ob er's scheiße fänd, 'ne Botschaft weiterzugeben, die er nicht verstehen konnte.«

      »Als wäre er für was Größeres und Besseres bestimmt. Hast du ihn schon mal gesehen?«

      »Scheiße, ja. Typen wie den seh ich jeden Tag. Diesen Speziellen aber nicht, nein.«

      »Wann? Wann hast du ihn getroffen?«

      Das Messer zuckte in ihrer Hand. »Um vier heute Morgen, so um den Dreh.«

      Ben versuchte, geduldig zu bleiben. »Geht das etwas genauer?«

      Omega hielt sich gerade so zurück. »Nein. Muss vergessen haben, meine Rolex aufzuziehen.« Sie trug keine Uhr.

      »Wo ist das alles passiert?«

      Omega schauderte vor Wut und noch etwas anderem. »Etwa da, wo du gerade stehst. Hab's so satt, dass mir ständig weiße Männer in die verdammte Bude laufen!«

      »Hab's kapiert. Tut mir leid. Letzte Frage, aber es ist wichtig. Was hat er dir dafür gezahlt, meine Wand zu besprühen?«

      Omega sagte nichts, aber Ben glaubte, den Ansatz von Tränen in ihren Augen zu erkennen. Einen Moment später zerrte sie den abgegriffenen Kragen ihres T-Shirts über ihre linke Schulter. Ein unschöner Bluterguss in Form eines Handabdrucks verschandelte ihre Haut.

      Kapitel 3

       Der Fremde wusste, dass die Mission erfolgreich war. Der Fernseher lief im Hintergrund des Motelzimmers und die unaufhörlichen Wiederholungen der dramatischen Videos von Fernsehkameras und privaten Handyaufnahmen, die Archivfotos und Grabreden erwiesen sich fröhliche Ablenkung vom banalen Tagesgeschäft. Im derzeitigen Zustand des Killers, der gerade von einer kürzlich selbstverschriebenen Fuhre Halluzinogene runterkam, verlief das Packen des kleinen Koffers nur schleppend, aber es blieb noch reichlich Zeit, bevor das Flugzeug den LAX verließ. Der Erzengel des Todes entschied sich gegen ein Nickerchen, aus Angst, dass die furchtbaren Albträume zurückkehrten. Also hielt sich der Fremde beschäftigt und blieb wach. Den Raum von sämtlichen Fingerabdrücken zu reinigen, würde seine Zeit brauchen, aber da dieser methodische Meuchelmörder geradezu in Latex-Handschuhen lebte, sollte es nicht allzu mühsam werden.

      Natürlich war die Berichterstattung über Luz Calderons Dahinscheiden wichtig, um die Arbeit beurteilen zu können, aber es war der Anruf der Klienten, der wirklich zählte. Die Kritiken waren da. In der oberen Etage waren alle zufrieden. Der nächste Auftrag würde bald folgen.

      Der Dienstleister war erfreut, zu erfahren, dass ihn noch mehr Arbeit erwartete, aber das war kein Grund, jetzt nachlässig zu werden. Es war durchaus möglich, dass tatsächlich keine weiteren Aufträge kommen würden, und dass die Aussicht auf eine neue Mission nur eine Finte war, um Sicherheit vorzugaukeln, während des Killers eigene Terminierung geplant und ausgeführt wurde. Der Sensenmann hatte eine gute Saison mit diesem Klienten gehabt, aber alles neigte sich irgendwann dem Ende zu. Vielleicht fühlte sich der Klient nach den letzten Bemühungen zu sehr der Öffentlichkeit ausgesetzt. Es war sicherlich der öffentlichste aller Morde dieser Serie gewesen. Daraus eine Sensation zu machen, war Teil der Auftragsbeschreibung gewesen, ein gewünschtes Ergebnis. Eine große Nummer. Vor allen Augen. Es entsprach nicht der verstohlenen Art des Scharfschützen, derart sichtbar zu arbeiten, vor allem nicht auf amerikanischem Boden, aber manchmal ließ die Prominenz des Ziels nichts anderes zu. Abgesehen von ein paar Bekanntschaften war der Killer tatsächlich für alle ein Fremder. Das Bündel falscher Identitäten, die Jahrzehnte zurückreichten, gewährten schon lange Anonymität.

      Unglücklicherweise war der stille Profi so gut und ein so perfekter Angestellter, dass sich bei den Klienten häufig Angst zu dem Respekt und der verächtlichen Bewunderung gesellte, die so vielen erfolgreich ausgeführten Aufträgen gebührte. Diese Entartung der Stimmungslage, diese schwindende Wertschätzung war schon bei früheren Geschäftsbeziehungen aufgetaucht, gewöhnlich dann, wenn der Klient den Preis als zu hoch empfand. Niemand in der Branche war so gut, dass er nicht früher oder später als riskant eingestuft würde. Selbst dem dümmsten Menschen sollte einleuchten, dass es keine gute Idee war, einen Auftragsmörder um die Zeche zu prellen, und doch probierten es manche Klienten. Zu versuchen, einen Profikiller zu ermorden, war noch lächerlicher – und trotzdem kam es vor. Es war wichtig, auf Zack zu sein, selbst in Zeiten großen Erfolgs.

      Der Anruf des Klienten hatte nicht lange gedauert. Der wahre Beweis der Zufriedenheit fand sich im Internet. Durch eine Reihe von geheimen Unter-Accounts, die jegliche Online-Aktivitäten durch Shell-Server in fernen Ländern lotsten, in denen Bestechung geschätzt wurde, hatte der Fremde feststellen können, dass der abschließende Betrag inklusive erheblicher Spesen auf einem Konto bei einem kleinen Schweizer Finanzinstitut in Bern eingegangen war. Es fehlte nichts. Der Kontostand betrug eine satte Million Euro, Spesen nicht mitgerechnet. Ein paar Minuten und einige Tastenanschläge später würde sich dieses Konto wieder auf null belaufen, sobald das Geld aufgeteilt und in den Cyber-Morast anderer Konten in anderen Ländern, acht insgesamt, verschickt war. Falls ein Konto jemals aufgespürt und gehackt würde, gab es noch viele andere. Diese Art von Absicherung war kompliziert, lohnte sich aber für den Seelenfrieden des freiberuflichen Killers.

      Das Flugticket, welches der Fremde gebucht hatte, war für die erste Klasse. Und warum auch nicht? Es war nicht aus Eitelkeit. Um die ganze Welt zu jetten, Spuren zwischen den Auftragsorten und der Heimat zu verwischen mithilfe einer Reihe von falschen Identitäten, die sich auf teure, gefälschte Dokumente stützten, forderte seinen Tribut am müden Reisenden.