Ich spurtete los.
Die Straße hatte ich schnell erreicht.
Der Geländewagen war indessen losgefahren.
Er kam direkt auf mich zu. Ich stellte mich in die Mitte der Fahrbahn, die P 226 im Anschlag.
"Jesse!", hörte ich Milos Ruf. Er war ebenfalls auf dem Weg zur Straße.
Der Fahrer des Geländewagens trug eine Sonnenbrille. Sein Gesicht war verzerrt.
Er ließ den Motor aufheulen.
Ich feuerte einen Schuss auf den linken Vorderreifen. Der Geländewagen schlug einen Haken nach links. Es quietschte furchtbar. Das Geschoss sprengte ein knöchelgroßes Stück aus dem Asphalt heraus.
Der Fahrer des Geländewagens riss das Lenkrad herum.
Nur noch wenige Meter lagen zwischen mir und dem Kühlergrill des Wagens.
Sekunden nur, und er würde mich auf die Hörner nehmen wie ein wilder Stier einen unvorsichtigen Torero.
Aus einem der hinteren Fenster ragte der Lauf eines Sturmgewehrs. Zwei kurze, heftige Feuerstöße von jeweils mindestens zwanzig Geschossen bellten aus der Waffe heraus.
Genau in die Richtung, aus der Milo sich der Fahrbahn näherte.
Aus den Augenwinkeln heraus bekam ich mit, wie mein Kollege sich in Deckung warf. Ein, zwei Schüsse aus seiner Dienstwaffe konnten der geballten Feuerkraft unserer Gegner nicht Paroli bieten. Wenn wir Glück hatten, erwischte Milo einen Reifen und der Geländewagen jagte dann direkt in einen der Büsche hinein.
Sekundenbruchteile, bevor der heranrasende Wagen mich auf die Hörner nehmen und durch die Luft schleudern konnte, warf ich mich seitwärts. Ich kam hart auf dem Asphalt auf. Die Schulter schmerzte. Zentimeter von mir entfernt brausten die Räder des Geländewagens vorbei. Ich rollte mich auf dem Boden herum, während aus den Fenstern auf mich gefeuert wurde.
Mehr oder minder ungezielte Schüsse allerdings.
Die Projektile stanzten Löcher in den Asphalt.
Der Wagen jagte dahin. Der Motor heulte laut auf.
Ich wollte mich hochrappeln und die P226 emporreißen, um dann mit einem gezielten Schuss vielleicht doch noch einen Reifen zu erwischen.
Aber im nächsten Moment regnete ein wahrer Geschosshagel in meine Richtung nieder.
Die flüchtenden Attentäter feuerten buchstäblich aus allen Rohren. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich so dicht wie möglich an den Asphalt zu pressen. Die Geschosse zischten haarscharf über mich hinweg oder kratzten links und rechts am Asphalt.
Ich atmete tief durch, als dieses Höllengewitter aus Blei endlich vorüber war.
Den Geländewagen sah ich als schwache Silhouette hinter einer Baumgruppe. Er verschwand hinter der nächsten Hügelkette. Ich stand auf, griff zum Handy.
Wenn wir Glück hatten, dann liefen diese Mörder den Beamten des hiesigen County-Sheriffs in die Arme. Ich gab eine entsprechende Meldung durch.
13
"Alles in Ordnung, Alter?", fragte Milo, als er auf mich zukam.
Ich nickte und klappte das Handy ein.
Dann klopfte ich mir notdürftig den Dreck aus den Sachen.
Wir kehrten zu Hirams Bungalow zurück. Einen Moment lang hatten wir erwogen, die Verfolgung aufzunehmen. Aber dann erreichte uns die Meldung der Zentrale. Die Beamten des County-Sheriffs hatten alle Straßen, die aus dem Gebiet herausführten abgesperrt. Das Kennzeichen des Geländewagens hatte ich durchgegeben.
Ich setzte mich per Handy noch einmal mit dem Büro des Sheriffs in Verbindung, um auf die Gefährlichkeit der Flüchtigen hinzuweisen.
Der Sheriff versicherte mir, dass seine Leute die Lage im Griff hätten.
"Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, habe wir die Kerle in einer Viertelstunde", war er überzeugt. "Es gibt genau zwei Straßen, über die man diese Gegend verlassen kann - und die sind dicht. Machen Sie sich also keine Sorgen."
"Besser, wir überlassen die Verfolgung den hiesigen Cops", meinte Milo. "Die sind ortskundig. Wir wissen doch nach zehn Minuten gar nicht mehr, wo wir sind. Außerdem ist hier am Tatort auch eine Menge zu tun."
Milo hatte damit natürlich recht.
Vor allem würde uns Sally Hiram eine Reihe von Fragen zu beantworten haben. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Schönheit im Badeanzug so ahnungslos war wie sie tat.
Es war kein Zufall gewesen, dass sie uns mit einem Revolver in der Hand begrüßt hatte...
Wir trafen Sally weder auf der Terrasse, wo die Leiche ihres Mannes noch starr im Korbsessel saß, noch im Erdgeschoss des Bungalows. Milo forderte per Handy FBI-Spezialisten aus New York City an, vor allem Erkennungsdienstler.
Ich hörte Geräusche von oben.
Der Bungalow hatte ein ausgebautes Dachgeschoss.
Vermutlich befanden sich dort die Schlafräume. Jedenfalls hatte ich im Erdgeschoss davon nichts gesehen und einen Keller gab es nicht - vermutlich aufgrund des felsigen Untergrunds.
Ich stieg die steile Wendeltreppe empor, die hinaufführte.
Dann fand ich Sally.
Sie stand vor einem geöffneten Kleiderschrank. Auf dem ausladenden Wasserbett lag eine geöffnete Sporttasche. Sie packte ihre Sachen.
Sally sah mich in einem der Spiegel in den Schranktüren und drehte sich herum.
Ihre Augen waren rotgeweint.
Sie wischte sich mit einer fahrigen Geste über das Gesicht.
"Ich kann hier nicht bleiben", sagte sie, so als müsste sie mir erklären, was sie tat.
Ich ging auf sie zu, sah sie an.
Ihre stahlblauen Augen musterten mich. Sie hat Angst, dachte ich.
"Wo wollen Sie hin?", fragte ich.
"In unsere New Yorker Wohnung. Oder zu Bekannten. Mein Gott, ich weiß es noch nicht, aber hier..." Sie schluchzte auf.
Ich legte den Arm um ihre Schulter. Sie zitterte.
"Es ist so furchtbar, was hier passiert ist", flüsterte sie dann. "So furchtbar..."
"Sie