„Clive Caravaggio, FBI! Wir möchten Mister Sonny Ricone sprechen!“
„Keine Ahnung, wo er ist.“ Er sah sich um. „In seinem Penthouse wahrscheinlich. Ich sage ihm Bescheid...“
„Nein, dass lassen Sie das besser bleiben“, wies Clive ihn an. „Wie heißen Sie?“
„Don Brinkley.“
„Bringen Sie uns zu ihm, Mister Brinkley. Sie tun übrigens Ihrem Boss keinen Gefallen, wenn Sie irgendwelche Tricks versuchen. Das Gebäude ist umstellt, die Eingänge werden bewacht. Er hat also keine Chance davonzukommen.“
„Was werfen Sie Mister Ricone vor?“, fragte Brinkley.
„Das werden wir ihm besser selbst sagen“, mischte sich unser indianischer Kollege Medina in das Gespräch ein.
Mit dem Lift ging es hinauf bis zum Penthouse.
Eine Kamera observierte den Eingangsbereich zur Wohnung.
Clive drückte auf die Klingel. Ein knackendes Geräusch ertönte. „Ja, bitte?“, tönte es durch die Gegensprechanlage.
„Hier ist das FBI. Machen Sie die Tür auf, Mister Ricone. Es liegt ein Haftbefehl vor.“
„Das muss ein Witz sein!“
„Sie haben den Mord an Alex Waters in Auftrag gegeben. Wenn Sie die Tür nicht selbst öffnen, werden wir gewaltsam eindringen.“
Es knackte im Lautsprecher der Sprechanlage.
„Mister Ricone?“, fragte Clive.
Es erfolgte keine Reaktion.
Jay Kronburg zog seine Dienstwaffe. Als einziger Agent unseres Field Office benutzte er nicht die P226, sondern einen Revolver vom Kaliber .357, den er schon während seiner Jahre bei der City Police benutzt hatte.
„Der kann hier nicht einfach den toten Mann spielen“, meinte er. Er blickte fragend zu Clive, der nach Mr McKee die Nummer zwei in unserem Field Office war.
Clive nickte.
„Okay.“
Mit einem gezielten Schuss seiner Waffe sprengte Jay die Tür auf. Orry gab ihr einen Tritt und ließ sie zur Seite fliegen.
Mit der Waffe im Anschlag stürmte er in einen großzügig angelegten Vorraum, dessen Ausmaße allein schon den vieler New Yorker Wohnungen überstiegen.
Es gab zwei Türen.
Jay wandte sich nach links, wo das Schlafzimmer und das Bad zu finden waren.
„Niemand dort!“, meldete er.
Orry stellte sich links neben die zweite Tür, durch die es wahrscheinlich ins Wohnzimmer ging.
Clive blieb zusammen mit Brinkley im Eingangsbereich der Wohnung.
„Geben Sie auf, Ricone!“ rief Jay, der sich nun auf die rechte Seite der Wohnzimmertür stellte. „Sie haben keine Chance aus diesem Gebäude lebend zu entkommen!“
Keine Reaktion.
„Versuchen Sie es, Mister Brinkley!“, verlangte Clive.
Brinkley schluckte.
„Sonny, mach keine Dummheiten! Ich sag unserem Anwalt Bescheid und der haut dich in einem halben Tag wieder raus!“
Wieder keiner Reaktion.
Jay und Orry wechselten einen Blick. Orry nickte knapp. Jay schnellte vor, trat die Tür ein und ließ sie zur Seite springen.
Mit beiden Händen hielt er den .357er Revolver im Anschlag. Vor ihm lag ein Wohnzimmer von fast hundertfünfzig Quadratmetern. An eine Fensterfront schloss sich ein Dachgarten mit fantastischer Aussicht über den Norden Brooklyn an.
Ein kühler Hauch wehte von draußen herein. Eine Fensterscheibe war zersplittert.
Jay setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Orry folgte ihm.
Hinter der pompösen Ledercouch lag Sonny Ricone ausgestreckt auf dem Boden. Seine Hand umkrampfte noch das drahtlose Kontrollgerät für die Sprechanlage. Die Augen blickten starr und tot gegen die weiß gestrichene Decke. Auf der Stirn war ein kleines, rundes Loch, aus dem Blut tropfte. Die Austrittswunde am Hinterkopf war dagegen sehr viel größer. Auf einer Fläche von fast einem halben Quadratmeter war der weiße Teppich dunkelrot gefärbt.
Clive hatte inzwischen auch das Wohnzimmer betreten. Er lief zu dem zerschossenen Fenster. In einer Entfernung von ungefähr 500 Yards gab es ein anderes Gebäude, an dessen Fassade der Neonschriftzug einer großen Versicherungsgesellschaft prangte. Ein quaderförmiger, zehn Stockwerke hoher Block. Oben auf dem Dach war eine Gestalt als dunkler Umriss zu sehen.
„Verdammt!“, murmelte Clive Caravaggio und griff nach seinem Handy. „Den Kerl werden wir wohl nicht mehr kriegen!“
28
Donna McNolan parkte ihren Wagen vor einem Haus im Brownstone-Stil mit der Adresse 221 West 19th Street und stieg aus. Ein schmaler, verwilderter Vorgarten schloss sich an den Bürgersteig an. Büsche und Sträucher wucherten teilweise die Fenster im Erdgeschoss zu. Wilder Wein rankte sich an den Brownstone-Wänden empor bis zum zweiten Stock.
Donna McNolan ging zur Tür und drückte auf den Klingelknopf.
Sie wartete ab, aber niemand öffnete. Also versuchte sie es noch einmal.
Ein Summton zeigte an, dass die Sprechanlage eingeschaltet war.
„Alicia, wenn du da bist, dann mach auf. Ich muss mit dir reden.“
Es gab keine Amtwort.
„Alicia? Es ist wirklich dringend.“
Donna wartete ein paar quälend lange Minuten, ehe endlich die Tür aufgeschlossen und einen Spaltbreit geöffnet wurde.
„Na los, Schwesterherz, ich bin kein Einbrecher!“, sagte Donna. Die Tür wurde zur Gänze geöffnet. Eine junge Frau in einem hochgeschlossenen, aber eng anliegenden Kleid stand da. Das dunkle, leicht gelockte Haar trug sie zu einer Knotenfrisur zusammengefasst.
„Hi, Donna“, sagte sie. „Komm herein.“
„Danke. Meine Güte, du hast mich aber auch ganz schön warten lassen.“
Donna betrat das Haus. Im Empfangsraum herrschte Halbdunkel. Alicia verschloss sorgfältig die Tür.
Dann gingen sie gemeinsam ins Wohnzimmer, das mit Mobiliar völlig überfüllt war. Vitrinen