„Sie können mich mal!“, knurrte McGregor. „Wenn Sie keinen Haftbefehl oder etwas in der Art haben, sage ich Ihnen keinen Ton mehr und schmeiße Sie außerdem achtkantig raus!“
„Okay, wir können Sie auch vorläufig festnehmen“, erwiderte ich. „Und wenn dann jemand von den Medien herausbekommen sollte, dass Ihre Festnahme im Zusammenhang mit dem Fall des Barbiers erfolgte, habe Sie für die nächsten Monate keine ruhige Minute mehr, das verspreche ich Ihnen.“
McGregor blicke kurz zu seiner Frau hinüber, dann trat er einen Schritt auf mich zu, baute sich breitbeinig auf und sah mir direkt in die Augen. Auf seiner Stirn zeigte sich dabei eine tiefe Furche.
„Der Barbier? Sie meinen diesen irren Killer, der durch die Straßen rennt und Frauen skalpiert?“
Ich nickte. „Ja.“
„Aber was verdammt noch mal hat Mancuso damit zu tun?“
„Kannten Sie seine Lebensgefährtin?“, fragte Milo.
McGregor drehte den Kopf um dreißig Grad und nickte. „Ja. Die war immer ziemlich aufgetakelt, sodass man fast auf die Idee kommen konnte...“ Er sprach nicht weiter. „Ist sie ein Opfer dieses Wahnsinnigen geworden?“
„Ja“, nickte ich.
„Ich habe heute noch keine Nachrichten gehört, sonst hätte ich sicher schon etwas davon mitbekommen.“ Er schluckte und fuhr fort: „Eileen Genardo wohnte bereits ein paar Wochen nicht mehr bei Mancuso. Deshalb weiß ich nicht, weshalb Sie annehmen, dass dieser Einbruch etwas mit dem Kerl zu tun hat, der Prostituierte umbringt und sie anschließend rasiert.“
„Wie viel hat man Ihnen gegeben, damit das Überwachungssystem fast eine Stunde lahm gelegt war?“, fragte jetzt Milo in scharfem Tonfall. „Oder haben Sie doch mehr mit der Ermordung von Eileen Genardo zu tun?“
„Hey, jetzt versuchen Sie nicht, mir irgendetwas anzuhängen!“, rief er aufgebracht.
„Okay“, meinte ich. „Dann begleiten Sie uns zur Federal Plaza und betrachten Sie sich als vorläufig festgenommen. Sollen sich unsere Verhörspezialisten mit Ihnen herumschlagen. Wenn Sie unbedingt eine große Sache daraus machen wollen...“
„Verdammt, ich verliere meinen Job, wenn das herauskommt!“
„Das sollte Ihre geringste Sorge sein...“
McGregor atmete tief durch. Er ging zur Fensterfront seines Wohnzimmers, von wo aus man einen Blick auf eine ziemlich zugeparkte Einbahnstraße in Williamsburg hatte.
„Okay“, murmelte er schließlich. „Der Typ hat mir tausend Dollar dafür geboten. Ich erhielt einen Anruf – kurz bevor meine Schicht begann.“
„Wann war das?“
„Mitternacht. Ein rothaariger Typ mit Sommersprossen hat mich auf dem Parkplatz angesprochen, bevor ich meine Schicht antrat.“
„Versuchen Sie ihn genauer zu beschreiben. Vielleicht sind Ihnen noch irgendwelche Einzelheiten in Erinnerung.“
„Ja, er hatte sein Hemd ziemlich weit offen und trug ein Goldkettchen mit einem Kreuz daran. Ach, ja da war noch was...“
„Reden Sie!“
„Eine Tätowierung unterhalb des Halsansatzes. Ein Adler.“
Milo machte sich jetzt in das Gespräch ein. „Wir schicken unseren Zeichner vorbei. Er heißt Agent Prewitt und wird mit Ihnen eine Phantomzeichnung anfertigen.“
„In Ordnung.“
14
Milo und ich setzten uns in den Sportwagen. Milo fuhr den eingebauten Computer hoch. Der Flachbildschirm wurde aktiviert.
Ich telefonierte in der Zwischenzeit mit unserem Kollegen Max Carter aus der Fahndungsabteilung und gab ihm die Beschreibung durch. „Gibt es irgendjemanden, der mit Eileen Genardo oder Jack Mancuso im Zusammenhang steht und so aussieht? Die Tätowierung ist ja nicht gerade ein Allerweltsmerkmal.“
„Sekunde, Jesse. Ich bekomme hier gerade in diesem Augenblick eine Nachricht herein.“ Einige Augenblicke lang hörte ich nur undeutlich ein paar Stimmen im Büro unseres Kollegen aus der Fahndungsabteilung. Dann meldete sich Max wieder. „Bist du noch dran, Jesse?“
„Sicher.“
„Ihr seid doch eigentlich auf der Suche nach Jack Mancuso.“
„Richtig.“
„Die ist zu Ende. Jemand hat ihn auf einer Müllkippe in Staten Island abgelegt. Clive und Orry sind dorthin unterwegs.“
„Der Mann, den ich dir gerade beschrieben habe, könnte sein Mörder sein, Max“, gab ich zurück.
Durch das Handy konnte ich hören, wie Max' Finger über die Computertastatur glitten. „Ich habe hier einen. Die Daten schicke ich euch auf den Rechner in eurem Wagen. Der Kerl heißt Norman Brodie und ist der Mann fürs Grobe im Dienst von Sonny Ricone. Der gilt als aufstrebender Zuhälter, handelt wahrscheinlich auch in begrenztem Umfang mit Drogen, ist aber zu geschickt, als dass ihm die Justiz ernsthaft gefährlich werden konnte. Er betreibt seit ein paar Jahren den Club ‚Hidden Joy’. Adresse ist 332 Broadway, Brooklyn.“
„Ist das nicht der Club, in dem Jack Mancuso mal Türsteher war?“
„Ja, genau. Aber das war früher, als das ‚Hidden Joy’ noch einem gewissen Jaden Nichols gehörte – Ricones schärfsten Konkurrenten. Niemand hat je herausbekommen, wieso Nichols plötzlich dem Besitzerwechsel im ‚Hidden Joy’ zugestimmt hat. Da lief irgendetwas im Hintergrund, wovon bis heute niemand die volle Wahrheit kennt. Wenn ihr wollt, kann ich mich ja noch mal mit dem zuständigen Vice Department kurzschließen.“
„Das wäre sehr nett, Max.“
„Sonny Ricone hat übrigens noch eine andere Immobilie, deren Besitz ihn immer wieder mit der Justiz in Konflikt bringt“, berichtete Max weiter. „Das Hotel Parrinder liegt ganz in der Nähe. Die Adresse habe ich euch mitsamt den Daten über Normann Brodie geschickt.“
„Was hat es mit dem Hotel Parrinder auf sich?“, fragte ich.
„Ein getarntes Bordell. Ricone vermietet natürlich nur die Zimmer und hat mit alledem nichts zu tun. Zumindest konnte er das mit Hilfe seiner Anwälte gegenüber der Justiz immer so überzeugend darlegen, dass man ihn bis jetzt nicht belangen konnte!“
Ich blickte auf die Uhr. „In diesem Club dürfte um diese Zeit noch nichts los sein, daher nehmen wir uns zuerst das