Ghosting. Sebastian Ingenhoff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sebastian Ingenhoff
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783955756147
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eigens für sie kreiert. Im Gegenzug musste sie Alexander versprechen, nächste Woche bei einem Fotoshooting in Island dabei zu sein. Alexander ist Österreicher und kommt aus Wien. Seine Shootings und Modeschauen sind berühmt-berüchtigt. Angeblich sei er schon mehrfach von seinen Models verklagt worden, weil er sie hatte bluten lassen oder zu Tieren verarbeitet oder so ähnlich, hatte Solana gehört, das aber nie so recht glauben können. Zu ihr war er immer charmant und zuvorkommend. Doch Alexander hatte nie bestritten, dass er seinen Modellen einiges zumute. Dafür seien sie eben Teil einer Alexander-von-Traunstein-Show. Was er genau macht, nächste Woche in Island, das weiß Solana nicht genau. Langweilig wird es sicher nicht.

      Die Outfits ihrer Tänzerinnen und Tänzer sind ebenfalls von Alexander von Traunstein gestaltet. Sie sind Unisex gekleidet, tragen elegante Shirts und lange silberne Halsketten zu schwarzen, taillierten Hosen, die in Stiefeln stecken. Was wunderbar zur Choreografie passt, die von der New Yorker Ballroom-Szene aus den späten Achtzigern inspiriert ist, als man nicht immer genau wusste, ob gerade Männlein oder Weiblein tanzt. Ninja meinte mal: »Irgendwann wird es eh keine Männlein oder Weiblein mehr geben, sondern nur noch Arschlöcher.« Das kam aus irgendeinem Film und machte auch irgendwie Sinn, fand Solana.

      Ninja wurde als Kind selbst oft für einen Jungen gehalten, weil sie ihre dunklen Locken immer kurz getragen hatte und für ein Mädchen ziemlich viele Jungsinteressen hat, wie zum Beispiel Kampfsport. Ninja kann besser Jiu-Jitsu als der gesamte Wu-Tang Clan. Die könnte den ganzen Clan verkloppen, da kann RZA noch so viele Kung Fu-Filme drehen. Ninja kann auch andere Kampfsportarten, aber Jiu-Jitsu ist die Königsdisziplin, sagt Ninja immer, die ihren Spitznamen ja nicht von ungefähr hat. Manchmal wird Ninja von den Jungs gehänselt, wegen ihres burschikosen Auftretens, aber dann stellt sie sich den Jungs kurz vor, auf ihre Ninja-Art, und dann wird sie nicht mehr von den Jungs gehänselt. So hat jede aus der alten Brooklyn-Crew ihre Superkräfte.

      Ana kann bessere Blunts rollen als der gesamte Wu-Tang Clan. Solana mag Blunts viel lieber als Joints, weil ein Blunt einfach mehr Stil hat. Wobei so ein Blunt ziemlich stark sein kann, und die Blunts, die Ana dreht, sind ziemlich stark. Wenn also das Zeug, das Ana von Moe gekriegt hat, ohnehin stark ist, dann sollte man besser aufpassen. Aber Solana braucht jetzt dringend einen Zug von einem richtig guten Blunt, weil es in ihrem Kopf gerade zugeht wie in einer Nervenheilanstalt. Sie ist völlig fertig, total übernächtigt, emotional überfordert, muss gleich auf die Bühne und jetzt … vibriert auch noch ihr Handy.

      Ty

       baby, ich vermiss dich

      »Fuck«, seufzt Solana, und schleudert das Telefon auf die Ledercouch.

      »Ty?«, fragt Ana, und leckt das braune Papier vorsichtig an, ehe sie es sorgfältig zusammenrollt, darauf achtend, dass nichts zerbröselt oder rausfällt. Solana nickt.

      »Das hat gerade noch gefehlt, dass der Trottel sich jetzt meldet.«

      »Dann schreib ihm das.«

      »Was?«

      »Dass er ein Trottel ist.«

      »Weiß er doch. Hab ich ihm geschrieben. Hab ich ihm auch gesagt. Hilft ja nichts. Geht hier rein, da raus.« Solana deutet erst auf das eine, dann das andere Ohr.

      »Und wieso meldet er sich dann noch? Und ausgerechnet jetzt?«

      »Keine Ahnung. Weil er halt ein Trottel ist.«

      »Ist der nicht gerade selbst auf Tour?«

      »Was weiß ich. Interessiert mich auch nicht. Kein Bock, zu antworten.«

      »Dann ghoste ihn halt«, grinst Ana und hält ihr den fertigen Blunt entgegen. »Typen gehen eh hier rein, da raus.«

      Solana schmeißt sich auf die Couch, schlüpft aus den Schuhen, streckt die Beine aus und steckt sich den Blunt in den Mund. Sie zündet ihn an und nimmt einen tiefen Zug. Sie muss gleich husten.

      »Alter, was ist das denn für ein Teufelskraut?«

      Solana zieht ein zweites Mal und muss noch mehr husten. Sie hustet sich fast die Lunge aus dem Hals, bis sie keine Luft mehr bekommt.

      »Scheiße, brennt das in den Lungen.«

      »Ok, Sweetie, wir haben gesagt zweimal ziehen. Gib rüber, den Lolli«, sagt Ana.

      »Ist ja gut«, hustet Solana weiter und reicht ihr den Blunt. Ana ist so einiges gewohnt, da sie, wie schon gesagt, den Kiffer-Nobelpreis gewinnen würde, wenn es einen gäbe, aber selbst sie muss jetzt kräftig husten.

      »Shit, ist das krass.«

      »Ich dachte, die Japaner kiffen nicht, hast du gesagt. Aber wenn die immer so Zeug rauchen, dann fetten Respekt. Das kommt bestimmt aus Fukushima oder so«, keucht Solana, immer noch schnappatmend.

      Ana feuchtet zwei Finger mit der Zunge an und macht den Zigarillo aus, ohne sich zu verbrennen.

      »Rest rauchen wir echt erst vorm Schlafengehen, das ist ja der Monstershit. Du solltest dich langsam umziehen, Süße«, sagt Ana.

      »Jaja. Lass mich noch paar Minuten chillen.«

      Ana schaut auf ihr Handy.

      »So viel Zeit ist echt nicht mehr. Wir haben superlange gebraucht. Hab das Gefühl, der hat uns einmal durch die halte Stadt gefahren.«

      »Jaja.«

      »Nix ›Jaja‹, aufstehen jetzt«, sagt Ana, die nun versucht, ihre Freundin mit beiden Händen und voller Kraft von der Couch zu ziehen. Solana kann sich dem Griff aber entwinden, woraufhin Ana in Scherenposition mit nach vorne gestreckten Armen und nach hinten gebeugtem Po für ein paar Sekunden stehen bleibt, ehe die Schwerkraft siegt und sie voll auf ihren Hintern plumpst.

      »Aua.«

      Solana kriegt den totalen Lachanfall.

      »Haha, das sah so geil aus.«

      »Aua, das tat echt weh. Ich glaub, ich hab mir den Arsch gebrochen.«

      Ana wirft sich mit vollem Gewicht auf Solana und versucht sie, von der Couch zu bugsieren, aber ohne Erfolg, was Solana nur noch mehr lachen lässt, woraufhin Ana anfängt, sie an der Seite zu kitzeln. Solana gibt auf und lässt sich von der Couch fallen.

      »Du bist so scheiße«, lacht sie.

      »Du bist selber voll scheiße. Zieh dich endlich an«, grinst Ana. »Und wenn du schon stehst, dann schmeiß mal was zu futtern rüber.«

      Solana versucht, vom Boden aufzustehen, doch ihre Beine fühlen sich an wie ein platter Fahrradreifen.

      »Ich kann nicht aufstehen. Ich krieg das überhaupt nicht mehr hin.«

      Sie windet sich auf dem Boden hin und her.

      »Das ist überhaupt nicht lustig. Du musst dich umziehen, und … ich hab voll Bock auf Cheetos jetzt.«

      »Haha, Cheetos wären so megageil. Wie geil wären Cheetos jetzt bitte?«, lacht Solana.

      »Cheetos wären jetzt so das Megageilste, aber haben wir überhaupt nicht aufm Rider stehen, Fuck. Warum eigentlich? Welcher Hirni hat eigentlich den Rider gemacht? Du? Ich meine, wie geil Cheetos jetzt wären.«

      »Ich geb dir gleich Hirni, aber warte, gib Handy, ich check mal«, sagt Solana und rudert mit dem rechten Arm in der Luft herum, dabei immer noch auf dem Boden liegend. Sie verfehlt aber das Handy, das Ana ihr entgegenwirft, um ein paar Zentimeter, so dass es ihr ins Gesicht klatscht. Wieder kriegen sie sich beide überhaupt nicht mehr ein.

      »Aua, Scheiße, das gibt voll Beule.«

      Solana öffnet den Chat mit Ty und drückt auf Antworten.

      Solana

       baby, vermissen cheetos

      Sie drückt auf Senden, rollt sich dann auf den Bauch und hämmert mit der Faust auf den Teppichboden, während ihr vor Lachen die Tränen in die Augen laufen. Sie kann einfach nicht aufhören. Es ist unmöglich.

      »Was hast du