Reilly und Sunfrost: Chronik der Sternenkrieger 8 Romane. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Научная фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783956179884
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Kopffüßer an die Oberfläche drangen, die ihre Beißwerkzeuge gierig fletschten und dabei ein schmatzendes Geräusch erzeugten. Eine ätzende Flüssigkeit troff ihnen dabei aus den Mäulern heraus. Wo immer sie auf das Eis traf, verflüssigte sich das Eis sofort – nur um Augenblicke später wieder zu erstarren.

      Das ist das Ende!, dachte Re-Lim.

      Kapitel 2: Ein Commander namens Reilly

      Du bist lange nicht hier gewesen, dachte Commander Willard J. Reilly, als er den großen, Licht durchfluteten Raum betrat. Von der Fensterfront aus hatte man einen beeindruckenden Panoramablick auf das Meer und die Bucht von Tanger, Erde. Die Sonne ließ die gekräuselte Wasseroberfläche wie Myriaden von Perlen glitzern. Eine sanfte Brandung erzeugte ein allgegenwärtiges und sehr charakteristisches Rauschen. Spezielle akustische Rezeptoren übertrugen dieses Rauschen eins zu eins ins Innere des Hauses, das den arabischen Namen Dar-el-Reilly trug.

      „Es ist schön, dass du auch da bist!“, sagte eine wohl vertraute Stimme in Willard Reillys Rücken.

      Er drehte sich herum.

      „Dan!“, stieß er hervor. Willard grinste. „Oder muss ich dich neuerdings Bruder Daniel nennen?“

      „Angemessen wäre es“, erwiderte der junge Mann mit den leicht gelockten, dunklen Haaren. Der Blick seiner meergrünen Augen wirkte ungewöhnlich intensiv und schien alles zu durchdringen.

      Dan Reilly hatte sich vor kurzem dem Wissenschaftlerorden der Olvanorer angeschlossen, nachdem er bereits einige Jahre an der Brüderschule des Ordens auf Sirius III studiert hatte. Diese Brüderschule war die Universität im Bereich der Humanen Welten, die in Bezug auf die Erforschung extraterrestrischer Kulturen das mit Abstand größte Ansehen besaß. In erster Linie war sie für Mitglieder des Ordens bestimmt, die danach zu Expeditionen in die Weiten des Alls aufbrachen – getrieben von einem friedlichen Forscherdrang, der fremde Kulturen in erster Linie zu verstehen und nicht zu verändern versuchte. Oft harrten Gruppen von Olvanorern jahrelang in Forschungscamps auf abgelegenen Welten aus, um die Sitten und Gebräuche von Spezies zu studieren, die sowohl der kommerziellen als auch der militärischen Weltraumforschung als schlicht und ergreifend zu unbedeutend erschienen, um sich näher mit ihnen zu beschäftigen.

      Aber inzwischen kam es immer häufiger dazu, dass das sowohl das Space Army Corps of Space Defence als auch die Raumhandelsabteilungen großer Konzerne auf das Wissen des Ordens zurückgriffen und sich von Olvanorer-Brüdern beraten ließen.

      „Für mich wirst du immer Dan bleiben!“, meinte Willard. Die graubraune Kutte, die sein Bruder jetzt trug, war für ihn gewöhnungsbedürftig.

      Zwar gab es auch an Bord der STERNENKRIEGER, dem Leichten Kreuzer, den Willard Reilly kommandierte, mit Bruder Padraig einen Olvanorer-Berater, mit dem Willard stets gut zusammengearbeitet hatte, aber seinen Bruder in dieser Kleidung zu sehen, war doch etwas anderes. Er folgt einer bestimmten Idee, einem Plan, den er sich für sein Leben gemacht hat. Genau wie ich, auch wenn sich unsere Pläne gewiss etwas unterscheiden, dachte Willard. Es ist nichts dagegen einzuwenden. Das Problem ist nur, dass unsere Eltern wohl ganz andere Pläne für uns hatten und es spätestens jetzt wohl klar sein dürfte, dass keiner von uns diese Pläne je erfüllen wird…

      Vielleicht war dies der tiefere Grund dafür, dass Commander Willard J. Reilly stets ein gewisses Unbehagen empfand, wenn er die lichten Hallen des Dar-el-Reilly in Tanger, Erde, betrat – einem Ort, den er früher einmal als eine Heimat bezeichnet hätte.

      Eric Reilly war als junger Mann nach Tanger gezogen, weil er dort günstig Grund und Boden für die Hangarhallen seiner Raumboote bekommen konnte, mit denen er eine Frachtlinie aufbauen wollte. Das Geschäft war gut angelaufen. Zunächst hatte Reilly Ltd. lediglich innerhalb des Sonnensystems operiert. Die Versorgung der Prospektorensiedlungen auf den planetengroßen Objekten des Kuiper-Gürtels wie Sedna oder Quor war ein einträgliches Geschäft gewesen und hatte Eric Reilly schließlich ermöglicht, eine Sirius-Linie einzurichten, die auch heute noch das wichtigste Standbein der Firma darstellte.

      Zwischenzeitlich hatte Eric Reilly eine junge Frau kennen- und lieben gelernt: Jarmila Delarondou. Sie gehörte der traditionsbewussten arabischen Minderheit an, die hier lebte. Als Jarmila Reilly wurde sie die Mutter dreier Söhne: Willard, Dan und Eric Junior, der von allen in der Familie oft auch einfach nur „Nummer Zwei“ genannt wurde, da er offiziell als Eric Reilly II eingetragen worden war.

      Altersmäßig lag Eric II genau zwischen dem zweiunddreißigjährigen Willard und dem fünfundzwanzigjährigen Dan.

      Der Kontakt zu Eric II war allerdings seit Jahren abgebrochen. Er hatte Biochemie und Genetik auf Genet studiert und war anschließend in die Dienste des TR-Tec-Konzerns getreten, von dem seit langem bekannt war, dass er die strengen Gentechnik-Gesetze, die innerhalb des Machtbereichs der Humanen Welten galten, zu unterlaufen versuchte. TR-Tec unterhielt auf eigenen, auf Firmenkosten erschlossenen Welten, geheime Labors. Ganze Forscher-Städte waren dort errichtet worden. Und nur ein Bruchteil dessen, was dort geschah oder sich zumindest vorbereitete, drang nach außen.

      Der Konzern wollte offensichtlich seine Ruhe haben und sein politischer Arm in Gestalt seiner unermüdlichen Lobbyisten schien stark genug zu sein, das Gesetz an entscheidenden Stellen zu schwächen, da es die Ausübung der freien Forschung behindere.

      „Hast du etwas von Nummer Zwei gehört?“, fragte Willard an Dan gerichtet.

      „Du solltest ihn nicht so nennen, Willard.“

      „Tut mir leid.“

      „Vielleicht ist das der Grund, weshalb er es bislang noch nicht geschafft hat, selber irgendetwas Vernünftiges aufzubauen!“, glaubte Dan Reilly.

      „Ich bin überzeugt davon, dass es unserem Bruder durch seine Festanstellung bei TR-Tec möglich ist, sich sein Leben so einzurichten, wie er das für richtig hält, Willard.“

      „Ja, vielleicht hast du Recht. Auch wenn ich die Dinge, die er tut, nicht wirklich billigen kann.“

      „Hast du dich je genauer damit beschäftigt, was das Leben im Innersten wirklich zusammenhält und bestimmt? Unser Bruder, den wir oft so despektierlich Nummer Zwei genannt haben, ist zumindest auf seinem Gebiet inzwischen eine Nummer Eins geworden, wenn du verstehst, was ich meine!“

      „Vollkommen“, erklärte Willard. „Es wundert mich nur, dass ausgerechnet du ihn verteidigst.“

      „Tue ich das?“ Dan hob die Augenbrauen.

      „Jedenfalls kann ich mich erinnern, dass du sehr vehement gegen die Positionen der Genetics gewettert, wie sie auf den Welten der Drei Systeme propagiert werden, die vom TR-Tec-Konzern besiedelt worden sind!“

      Genetics – dieser Begriff bezog sich einerseits auf die Bewohner des Planeten Genet, dem wirtschaftlichen Zentrum der Drei Systeme, in denen die Bundesgesetze der Humanen Welten zur Gentechnik mehr oder minder offen boykottiert oder unterlaufen wurden. Er bezeichnete allerdings zunehmend auch jene Menschen, bei denen gentechnische Modifikationen vorgenommen worden waren. Irgendwann, so sagten Beobachter, würde die politische und wirtschaftliche Kluft zwischen den Drei Systemen und den Humanen Welten so groß werden, dass der Bruch unvermeidlich war.

      Vielleicht war es das allgemeine Gefühl einer latenten Bedrohung, die dies bisher verhinderte. Schließlich war seit der ersten Mission der Raumschiffe STERNENKRIEGER und JUPITER im so genannten Niemandsland klar, dass jenseits dieser weitgehend unbekannten Raumzone ein gefährlicher Feind lauerte – das Heilige Imperium der vogelähnlichen Qriid, über die man im Moment kaum mehr wusste, als dass sie aus offenbar religiösen Gründen ständig expandierten. Sie trieben die Grenzen des Imperiums vor sich her und überzogen System für System mit einem bisher auf galaktischer Bühne beispiellosem Eroberungskrieg.

      Es war nur eine Frage der Zeit, wann sich dieses Imperium zu einem direkten Kontrahenten der Humanen Welten mausern würde. Eine Kraft, die sich der Übermacht des Imperiums entgegenzustellen vermochte, war weit und breit nicht in Sicht. Das