Es ist schon ziemlich spät, nein, eher sehr früh am Morgen, als Bea und Myriam den Heimweg antreten, beide ziemlich betrunken. Sie lachen und albern herum und suchen sich ein Taxi, um nach Hause zu fahren.
«Du warst echt Klasse, war echt geil mit dir!»
«Mit dir aber auch!» Bea grinst und schiebt Myriam ins Taxi.
Wiedersehen
Schlagzeile in einer Tageszeitung.
Hermann Berger verhaftet.
Der Aufsichtsratsvorsitzende mehrerer großer Gesellschaften Herr Hermann Berger und Vorstand der Haffner Guppe wurde gestern überraschend verhaftet. Ein Sondereinsatzkommando des LKA stürmte die Firmenzentrale und nahm ihn fest. Die Beamten beschlagnahmten Computer und Ordner. Ihm wird vorgeworfen, Insiderwissen zu seinem eigenen Vorteil genutzt zu haben, um Aktienkurse zu manipulieren. Außerdem ist bekannt geworden, dass er als Großmeister einer dubiosen Sekte angehörte und sexuelle Unzucht mit Minderjährigen vollzogen haben soll. Er sitzt zurzeit in U-Haft. Seine Frau hat sofort die Scheidung eingereicht. Sie ist die Millionenerbin des Unternehmens Haffner & Söhne, mit Investitionen in der Automobil-Zulieferindustrie und distanziert sich ausdrücklich von den Machenschaften ihres Mannes.
«Gut so!» Bettina Haffner-Berger lächelt und lässt die Tageszeitung sinken. «Niemand hat herausgefunden, dass ich hinter dieser Sache stecke und meine Detektivin echt gut war. Ich glaube, sie wird noch mehr Aufträge für mich erfüllen. Gute Leute muss ich mir warm halten. Und Myriam Sanders ist gut!»
Bettina nimmt noch einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse und räumt dann ihr Frühstücksgeschirr ab.
«Zeit, meine Firma und meinen Vater zu besuchen.»
«Guten Morgen, Vater. Hast du die Zeitung gelesen?»
«Ja, heute Morgen, ich wollte dich auch schon anrufen, aber das Telefon steht einfach nicht still. Presse, Fernsehen, besorgte Aufsichtsratsmitglieder ...»
«Mach dir keine Sorgen, wir regeln das und Hermann wird leer ausgehen. Er hat mich betrogen, oft und immer wieder in diesem merkwürdigen Kreis von Logenmitgliedern.»
«Wer hätte das gedacht, ich hielt ihn für einen Ehrenmann und niemals hätte ich geglaubt, dass er in so einem Sumpf steckt.»
«Lass uns den Vorstand versammeln und wir arbeiten eine Pressemitteilung aus, die alle Schuld auf Hermann beschränkt. Egal, was passiert, aus der Nummer kommt er nicht mehr raus.»
Einige Tage später geht Bettina an der Spree spazieren, sie hängt ihren Gedanken nach. Die Sonne scheint warm auf sie herab und die Vögel zwitschern so fröhlich. Sie schaut auf den Weg und achtet nicht auf ihre Umgebung. Ein Windstoß weht durch eine Trauerweide und die Blätter rascheln. Sie schaut auf und sieht Myriam Sanders ins Gesicht.
«Oh, ich habe Sie gar nicht gesehen!»
«Ich grüße Sie, Frau Haffner-Berger, jetzt habe ich durch die Presse doch noch Ihren Namen erfahren. Sie wollten doch die Informationen für sich behalten! Wer weiß, was uns jetzt blüht.»
«Machen Sie sich keine Sorgen. Ihr Name taucht nirgendwo auf. Gehen Sie öfter hier spazieren?»
«Ja, fast jeden Mittag und im «petit bijou» gehe ich dann eine Kleinigkeit essen.»
«Waren Sie schon?»
«Nein, ich wollte nach dem Spaziergang hin.»
«Darf ich Sie begleiten?»
«Gern.»
Die beiden Frauen schlendern noch eine Weile am Spreeufer entlang, um dann im «petit bijou» einzukehren.
Sie plaudern über dies und das, bis der Kellner kommt und ihre Bestellung aufnimmt.
«Frau Sanders, bitte bestellen Sie, Sie wissen, was hier gut schmeckt.»
«Gern! Dann bitte zweimal Sauerteigbrot mit Lachs und Bio-Ei, dazu einen bunten Salat, und eine Flasche Stilles Wasser mit zwei Gläsern.»
«Das war‘s?», fragt die Bedienung, «Möchten Sie vielleicht einen Aperitif?»
Bettina Haffner-Beger bestellt noch zwei Gläser Aperol Spritz. «Lassen Sie uns auf unser Wiedersehen anstoßen!»
«Okay, ich bin einverstanden.»
«Sie haben mir sicherlich nicht alles erzählt, was in dieser besagten Nacht passiert ist, oder?»
«Stimmt, ich wollte Sie nicht mit Belanglosigkeiten ermüden.»
Bettina lächelt: «Aber genau diese Kleinigkeiten interessieren mich!»
Myriam lächelt zurück: «Oh, das wusste ich nicht.»
Die Kellnerin bringt die Getränke und gießt Wasser in die beiden leeren Gläser.
Bettina und Myriam ergreifen ihren Aperitif, prosten sich zu und trinken einen Schluck.
«Wollen wir uns nicht duzen?»
«Ja, gern, ich bin Myriam.»
«Bettina!»
Wieder erklingen die Gläser, die beiden prosten sich zu und trinken den nächsten Schluck.
«Was hast du vor? Ich meine in Bezug auf deinen Mann?»
«Ich habe direkt meinen Anwalt angerufen, der sofort die Scheidung einreichen soll und außerdem kann ich dann den Zusatznamen Berger entfernen und ich heiße dann wieder Bettina Haffner und der Berger ist weg.» Bettina lacht schallend.
«Ich bin so froh, dass Noemi mir deine Adresse gegeben hat. Wer weiß, ob jemand anderes so viele Informationen hätte herausfinden können.»
Myriam ist nachdenklich. «Wie es aussieht, wolltest du schon länger von deinem Mann weg und du hast einen Weg gesucht, ihn loszuwerden, stimmts?»
«So krass würde ich es jetzt nicht ausdrücken, aber du kommst der Wahrheit ziemlich nahe. Ich habe Hermann geheiratet, weil mein Vater einen Nachkommen für sein Unternehmen haben wollte und ich dachte, wenn ich erst Mutter bin und meinem Vater einen Enkel schenke, wird er glücklich sein.
Meine beiden Brüder sind bei einem Segeltörn ums Leben gekommen und Vater hatte ja dann nur noch mich. Aber ich bin in all den Jahren nicht schwanger geworden und freiwillig hätte Hermann seinen Posten nicht aufgegeben, außerdem hätte ich ihm eine hohe Abfindung zahlen müssen, wenn ich die Scheidung ohne Begründung eingereicht hätte. So war es bedeutend besser.»
«Sag mal. Wie hast du Noemi kennengelernt?»
«In der Buchhandlung Sinnlichkeit.»
«Oh, kenne ich nicht.»
«Es ist ein Frauenladen in der Clayallee, in Zehlendorf, neben dem Cafè Lebensart. Frieda Freifrau von Waldburg, eine gute Freundin von mir, betreibt ihn. Es ist eine Librairie des Femmes, eine Autorinnenbuchhandlung. Und dazu führt sie in einem Nebenraum hoch exklusive Wäsche, Dessous der besonderen Art.»
«Interessant, und was hast du nun für dein weiteres Leben vor?»
«Ich lasse es mir gutgehen!»
«Okay, und wie soll das aussehen?»
«Ich muss in den nächsten Tagen einiges mit meinem Vater wegen der Firmen regeln, außerdem will ich mein Leben auch anderweitig aufräumen, dann habe ich vor, erst einmal in Urlaub zu fahren, bis sich die Wogen um den Skandal geglättet haben. Willst du mich begleiten? Ich lade dich ein.» Bettina strahlt Myriam an.
Myriam zieht ihre Stirn in Falten und sieht skeptisch aus. «Lass mich überlegen.» Sie lehnt sich in ihrem Stuhl zurück und denkt nach.
Wow, das ist ein Hammerangebot. Kann und darf ich das annehmen? Dann muss ich Annie beauftragen, die Stellung zu halten und meine Blumen zu gießen. Gott sei