Der Weg zur Promotion. Stephan Schmauke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stephan Schmauke
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Юриспруденция, право
Год издания: 0
isbn: 9783801270254
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das heißt, Sie hätten weniger Gelegenheit zu akademischem Einzelgängerinnentum, als es bei der klassischen individuellen Promotion der Fall wäre. Allerdings würden Sie auch häufiger zu regelmäßigen Erfolgskontrollen herangezogen werden – was für den Fortschritt eines Promotionsprojekts förderlich sein kann, Ihnen persönlich aber in geringerem Maße das Gefühl von »akademischer Freiheit« vermitteln dürfte als bei einer klassischen Promotion. Wenn Sie also ein eher geselliger Typ sind, ein Thema haben, das zum Forschungsdesign eines Graduiertenkollegs passt, oder wenn Ihre Fragestellung zu einer interdisziplinären Bearbeitung drängt, dürfte die Bewerbung an einem Graduiertenkolleg eine Überlegung wert sein. Für Naturwissenschaftlerinnen besonders, denn für sie bieten sich darüber hinaus die Promotionsprogramme der außeruniversitären Forschungseinrichtungen an, wie die der Fraunhofer-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft, der Leibniz-Gemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft. Für ausländische Studierende sind die internationalen Promotionsprogramme interessant, die auf den Seiten des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD) präsentiert werden.

      Doch wie immer Sie sich auch entscheiden, ob für eine klassische Promotion oder für eine strukturierte Promotion in einem Graduiertenkolleg: Sehr früh, nämlich am besten, schon bevor es zu einem ersten persönlich Treffen mit einer zukünftigen Betreuerin kommt, sollten Sie sich die Zeit nehmen für die sorgfältige Erstellung eines Exposés.

       EIN EXPOSÉ SCHREIBEN

      Funktional ist das Exposé gleichzeitig ein Programmplan Ihres Promotionsprojektes (zu Ihrem eigenen Gebrauch) und ein Bewerbungsschreiben (für gleich mehrere Gelegenheiten). Sie empfehlen sich dadurch Ihrer zukünftigen Betreuerin, es bildet die Grundlage für die Bewerbung auf eine wissenschaftliche Stelle und es ist ebenso die Voraussetzung dafür, ein Stipendium zu erlangen, wenn sie sich um ein solches bewerben wollen.

      Inhaltlich sollte das Exposé eine Einführung in Ihr Promotionsthema beinhalten, eine vorläufige Gliederung Ihrer Dissertationsschrift und schließlich einen mit den einzelnen geplanten Arbeitsschritten verknüpften Zeitplan. Es ist die schriftliche geistige Vorwegnahme des gesamten zukünftigen Forschungsprozesses (inklusive des Abfassens der Dissertation) auf wenigen Seiten Papier. Das Paradoxe an einem Exposé ist: Sie müssen so tun, als wüssten Sie schon alles, als hätten Sie alles durchgeplant. Und Ihre zukünftige Betreuerin muss so tun, als würde sie Ihnen das glauben. Das gehört zu den Spielregeln.

      Dass diese Darstellung ihres Promotionsplans in den meisten Fällen nur sehr wenig mit dem tatsächlichen Verlauf Ihrer Promotion zu tun haben wird, dass sich Ihr erstes Gliederungskonzept für die Dissertation von Ihrer endgültigen Gestalt bis zur Unkenntlichkeit unterscheiden wird, dass Zeitpläne in der Realität so gut wie nie eingehalten werden: Darauf kommt es gar nicht an.

      Was potenzielle Leserinnen aus Ihrem Exposé herauslesen können wollen, ist: dass Sie eine wissenschaftlich sinnvolle Fragestellung formulieren können; dass Sie überhaupt planvoll an ein Projekt heranzugehen in der Lage sind; dass das Projekt inhaltlich in einem Bearbeitungszeitraum von drei Jahren realisierbar sein könnte. Dass das Exposé tatsächlich kaum ein realistisches Abbild Ihres zukünftigen Promotionsprojektes ist, sondern eher werblichen Charakter hat, liegt an seiner Funktion: Mit dem Exposé werben Sie für Ihr Projekt. Es kommt in der Hauptsache darauf an, dass Sie sich gut darin »verkaufen«.

      Bei den einzelnen Punkten, die in Ihrem Exposé Erwähnung finden sollten, können Sie sich an dem orientieren, was Sie schon bei Ihrer Masterarbeit als einführende und strukturierende Elemente des Inhaltsverzeichnisses verwendet haben. Oder Sie recherchieren einfach nach Exposés von ähnlichen Forschungsvorhaben, um sich davon inspirieren zu lassen. Oder Sie fragen Freundinnen, die bereits ein Exposé geschrieben haben. Das Exposé sollte auf jeden Fall Folgendes beinhalten:

      •Eine ganz kurze Einführung in die spezifische Problemstellung Ihres Faches, in deren Rahmen Ihr spezielleres Forschungsinteresse einzuordnen ist. Sie müssen nicht erklären, was – um ein Beispiel zu wählen – die Literaturwissenschaft ist; aber dass sich die Literaturwissenschaft (u. a.) mit »Alteritätsartikulationen im frühen 20. Jahrhundert« befasst, wäre durchaus erklärungsbedürftig.

      •Eine knappe, möglichst einprägsame Formulierung der von Ihnen angedachten Fragestellung.

      •Einen kurzen Hinweis auf die Forschungslage (sie sollten demonstrieren, dass sie schon etwas zu Ihrem Thema gelesen haben), gerne auch mit einem Hinweis auf »Desiderate«.

      •Die »Positionierung« Ihrer Fragestellung / Ihres Forschungsansatzes in Bezug auf die vorhandene Forschung.

      •Die Nennung einer Theorie, besser mindestens zweier Theorien, die für Ihre Fragestellung einschlägig sind, mitsamt einer Selbstpositionierung des von Ihnen bevorzugten Theorieansatzes.

      •Die Nennung der von Ihnen intendierten Methode.

      •Überlegungen, wie Sie die Erschließung von Daten angehen wollen: Gibt es Vorfeldexperimente, auf die Sie sich beziehen können? Haben Sie sich Gedanken um den Feldzugang gemacht (wenn Sie zum Beispiel Interviews machen wollen)? Sind alle Literaturquellen zugänglich, und wenn ja: wo?

      •Eine vorläufige Gliederung der zu schreibenden Dissertation.

      •Ein Zeitplan; hier sind eventuelle Auslandsaufenthalte zu berücksichtigen.

      •Eine Literaturliste.

      Gehen Sie nicht leichtfertig mit dem Exposé um! Gerade wenn die Finanzierung Ihrer Promotion von einer Stelle an einem Institut oder von einem Stipendium abhängig sein sollte, hängt ja besonders viel von der Überzeugungskraft Ihres Exposés ab. Verschwenden Sie andererseits aber auch nicht zu viel Zeit mit dem Exposé. Denn wenn es auch schon den Charakter einer Dissertation im Kleinen tragen soll: Es ist nur das Programmheft, nicht die Aufführung selbst. (Dieses Thema wird im Kapitel »Die Produktionsphase der Promotion« ab S. 71 noch einmal aufgegriffen und ausführlicher behandelt.)

      Sobald Sie wissen, bei wem – und vor allem: an welcher Fakultät – Sie promoviert werden wollen, sollten Sie sich die aktuelle Promotionsordnung dieser Fakultät beschaffen. Sie ist Ihr formaler Leitfaden für die organisatorische Koordination der nächsten Schritte, die Sie absolvieren müssen, damit Ihr Promotionsprojekt offiziell wird. Studieren Sie vor allem die Abschnitte über die formalen Voraussetzungen zur Beantragung des Promotionsverfahrens und eventuelle Zeitfristen, die beachtet werden müssen. Manche Fakultäten verlangen noch weitere Studienleistungen über den Masterabschluss hinaus, sodass sie neben der Arbeit an Ihrer Dissertation noch Seminare absolvieren müssen. Sollten Sie zum Beispiel kein Latinum besitzen und in einem Studiengang promovieren wollen, der dies laut Promotionsordnung voraussetzt, ist es jetzt höchste Zeit, das nachzuholen. Dies sollte alles in Ihren Zeit- und Organisationsplan einfließen. Wie wichtig die Promotionsordnung ist, soll die folgende Erzählung verdeutlichen. Sie beruht auf Tatsachen, die handelnden Personen sind nicht frei erfunden!

       DIE GESCHICHTE VON DER VERSCHWUNDENEN PROMOTIONSORDNUNG

      Eine Freundin von mir, die schon längst einem regulären Beruf außerhalb der Universität nachgeht, hat in ihrer Freizeit an der Dissertation gearbeitet, was – wie man sich angesichts dieser Umstände denken kann – viele Jahre dauerte. Glücklicherweise sind ihr die Prüferinnen in dieser langen Zeit nicht »weggestorben« (ich schreibe »glücklicherweise«, weil ich selber das Pech hatte, dass meine Betreuerin kurz vor der Prüfungsphase starb), und das gesamte Promotionsverfahren schritt gemächlich (und von allem Beteiligten fast unbemerkt) voran.

      Irgendwann hatte sie genug Quellen studiert, Akten ausgewertet, die Sekundär- und Tertiärliteratur zu ihrem Thema rezipiert, kurzum: Sie hatte ein ansehnliches Quantum Text produziert, in Teilen wieder verworfen, neu formuliert, umgruppiert, hin und her gewendet, hier ergänzt, dort gekürzt, mit Exkursen versehen … die Textmasse also war aufgegangen, und endlich fand sie, die Dissertation sei fertig, es gebe zu diesem Thema fortan nichts mehr zu sagen, wenigstens