Geologische Entdeckungen im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert stellten den Essenzialismus infrage. Geologen erkannten, dass einige Arten plötzlich verschwanden und durch andere ersetzt wurden; Lebewesen konnten sich also offenbar mit der Zeit verändern oder sogar aussterben.
»Es gibt etwa 4 Mio. verschiedene Arten von Tieren und Pflanzen in der Welt. 4 Mio. verschiedene Lösungen für das Problem, am Leben zu bleiben.«
David Attenborough Life on Earth (TV-Serie), 1979
Der Franzose Jean-Baptiste de Lamarck entwickelte 1809 die erste konsistente Evolutionstheorie: die »Transmutation« der Arten durch die Vererbung erworbener Eigenschaften. Etwa 50 Jahre später brachten Charles Darwin und Alfred Russel Wallace das Konzept der Evolution durch natürliche Selektion auf, nach der sich die Lebewesen über Generationen hinweg so verändern, dass sie besser an ihre Umgebung angepasst sind. Darwin und Wallace verstanden die zugrunde liegenden Mechanismen nicht. Doch die Experimente von Gregor Mendel mit Erbsen, die auf die Rolle von Erbfaktoren hindeuteten, die man heute als Gene kennt, stellten einen weiteren Riesenschritt der Evolutionstheorie dar.
Wechselbeziehungen
Die Beziehungen zwischen Arten und ihrer Umwelt sowie zwischen verschiedenen Arten dominierten die ökologische Forschung im frühen 20. Jahrhundert. Konzepte wie Nahrungsketten und Nahrungsnetze (wer in einem Lebensraum wen frisst) oder ökologische Nischen (die Rolle eines Lebewesens in seiner Umwelt) entstanden. 1935 führte Arthur Tansley das Konzept des Ökosystems ein: die Wechselbeziehungen zwischen Arten und der Umwelt, in der sie leben. Spätere Ökologen entwickelten mathematische Modelle der Populationsdynamik in Ökosystemen. Die Erkenntnis, dass die DNA eine bestimmte Struktur hat und Mutationen wie ein evolutionärer »Motor« wirken, brachte die Evolutionstheorie weiter voran.
Neue Grenzen
Die Technik eröffnet der Ökologie immer neue Möglichkeiten. Elektronenmikroskope liefern Bilder mit einer Auflösung eines halben Wasserstoffatoms. Computer analysieren Töne von Fledermäusen und Walen, die für das menschliche Ohr zu hoch bzw. zu tief sind. Kamerafallen und Infrarotdetektoren fotografieren und filmen nachtaktive Tiere, und winzige Satellitenempfänger werden an Vögeln befestigt,um deren Wanderungen zu verfolgen.
Im Labor zeigen DNA-Analysen von Exkrementen, Haaren oder Federn, zu welcher Art ein Tier gehört und welche Beziehungen zwischen Lebewesen bestehen. So ist es für Ökologen sehr einfach, Daten zu sammeln, oft mithilfe vieler interessierter Laien (»Citizen Science«).
Einfluss auf das Klima
Anfangs lag der Ökologie vor allem Wissensdrang zugrunde. Später ging es darum, die Natur besser für menschliche Zwecke zu nutzen. Doch mit der Zeit wurden die Folgen der Ausbeutung immer deutlicher. Entwaldung wurde bereits im 18. Jahrhundert als ein Problem benannt, die Folgen der Wasser- und Luftverschmutzung waren in den Industrieländern im 19. Jahrhundert offenkundig. 1962 warnte Rachel Carson mit Silent Spring (dt.: Der stumme Frühling, 1965) die Welt vor den Gefahren von Pestiziden, sechs Jahre später zeigte Gene Likens eine Verbindung zwischen Kraftwerksemissionen, saurem Regen und Fischsterben.
1985 stellten Wissenschaftler fest, dass die Ozonkonzentration in der Atmosphäre über der Antarktis drastisch abnahm. Ein Zusammenhang zwischen Treibhausgasen und der Erwärmung der unteren Atmosphäre sah G. Evelyn Hutchinson schon 1947, aber erst Jahrzehnte später wurde akzeptiert, dass der Mensch das Klima beeinflusst.
Die Zukunft
Die moderne Ökologie hat sich seit ihren Anfängen als Wissenschaft enorm entwickelt. Heute vereint sie viele Disziplinen. Neben Zoologie und Botanik mit ihren Teildisziplinen sind Geologie, Geomorphologie, Klimatologie, Chemie, Physik, Genetik, Soziologie und andere Teil von ihr. Ökologie beeinflusst politische Entscheidungen über Stadtentwicklung, Verkehr, Industrie und Wirtschaft. Herausforderungen wie der Klimawandel, der Anstieg des Meeresspiegels, die Zerstörung von Lebensräumen, die Verschmutzung durch Plastik und andere Stoffe sowie die drohende Wasserknappheit sind ernsthafte Risiken für die Menschheit. Sie erfordern radikales politisches Handeln auf solider wissenschaftlicher Basis. Die Ökologie liefert Antworten. Es ist Aufgabe der Regierungen, sie umzusetzen.
»Selbst in den ausgedehnten und mysteriösen Weiten des Meeres werden wir an die fundamentale Wahrheit erinnert, dass nichts alleine lebt.«
Rachel Carson Unveröffentlichte Notizen
DIE GESCHICHTE DER EVOLUTION
1785
James Hutton veröffentlicht die Theorie, dass die Erde viel älter ist als zuvor angenommen und dass sich die Erdkruste kontinuierlich verändert.
1813
Im Essay on the Theory of the Earth schreibt Georges Cuvier, dass Fossilien die Überreste ausgestorbener Kreaturen seien, die von periodischen »katastrophalen« Ereignissen ausgerottet wurden.
1831
Die HMS Beagle bricht zu einer Weltumsegelung auf; Charles Darwin ist der Naturforscher an Bord. Die auf der Fahrt gesammelten Informationen inspirieren ihn zu seiner Theorie der Evolution durch natürliche Selektion.
1809
Jean-Baptiste de Lamarck argumentiert in Philosophie zoologique (dt.: Zoologische Philosophie, 1876), dass Tiere bestimmte Merkmale erwerben, weil sie Körperteile benutzen oder nicht, und entsprechende Mutationen vererben.
1823
Die Amateur-Fossilsammlerin Mary Anning entdeckt das erste intakte Skelett eines Plesiosaurus.
1866
Gregor Mendel fasst in dem Artikel Versuche über Pflanzen-Hybriden die Ergebnisse von Zuchtexperimenten mit Erbsen zusammen. Damit legt er die Grundlage für die Wissenschaft der Genetik.
1976
The Selfish Gene (dt.: Das egoistische Gen, 1978) des Evolutionsbiologen Richard Dawkins bietet eine neue Sichtweise der Evolution, bei der die Gene, nicht die Arten oder Gruppen, zentral sind.
1859
Darwin arbeitet seine Evolutionstheorie in dem Buch Über die Entstehung der Arten durch natürliche Züchtung aus. Es ist sofort ausverkauft.
1953
In einer Kneipe in Cambridge (Großbritannien) erklären Francis Crick und James Watson, sie hätten die Struktur der DNA entdeckt.
2003
Das Humangenomprojekt kartiert erstmals das gesamte Erbmaterial des Homo sapiens.
Mythen, Religionen und Philosophien belegen die ewige Faszination, die von der Frage nach der Entstehung der Welt und dem Platz des Menschen in ihr ausgeht. Im Westen betrachtete das Christentum alle Lebewesen als Ergebnis einer perfekten Schöpfung. Gemäß der Leiter der Natur (Scala Naturae) konnte keine Art von einer Stufe auf eine andere wechseln. Diese Idee der unveränderlichen Arten heißt Essenzialismus.
Die Aufklärung