Das Reisebuch Europa. Jochen Müssig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jochen Müssig
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги о Путешествиях
Год издания: 0
isbn: 9783734321962
Скачать книгу
rund 2000 Kilometer, einige Strecken im Nationalpark sind nur geübten Bikern vorbehalten.

      In den Wintermonaten verwandeln sich viele Wanderrouten in Loipen, auf denen Langläufer durch eine verschneite Märchenlandschaft gleiten. Der Wurmberg in Braunlage mit seiner Gondelbahn und zwölf Pistenkilometern stellt das größte der recht überschaubaren Areale für alpine Skifahrer dar. Familien mit Kindern schätzen die zahlreichen Rodelstrecken: Ein Lift in Torfhaus, dem höchstgelegenen Ort Niedersachsens, bringt Schlitten und Rodler zum Start einer 300 Meter langen Bahn, die nachts von Flutlicht erhellt wird.

      Heute zieht sich ein »Grünes Band« durch den Harz. Es markiert die früher stark befestigte Grenze zwischen der alten Bundesrepublik und der DDR. Die Grenzanlagen waren damals militärisches Sperrgebiet, heute sind sie mit Rad- und Wanderwegen erschlossen.

image

       Sankt Andreasberg lebt als Luftkurort von Kurbetrieb und Fremdenverkehr.

       Bergbau aus Tradition

      Zumindest auf den zweiten Blick kann man erkennen, dass der Harz nicht nur eine Natur-, sondern auch eine Kulturlandschaft ist. Die Geschichte des Harzer Bergbaus reicht in die Bronzezeit zurück. Im 10. Jahrhundert wurde am Rammelsberg von Goslar eine erste Silberader gefunden und ausgebeutet. In den nächsten Jahrhunderten schlugen Bergleute an mehr als 30 Harzorten wie Clausthal, Altenau oder St. Andreasberg Schächte in den Fels, um die silber-, kupfer-, zink-, blei- und eisenerzhaltigen Gesteine ans Tageslicht zu fördern. Insgesamt 20 stillgelegte Schaubergwerke zeigen Besuchern, wie hart die Arbeit unter Tage mit einfachem Handwerkszeug in den engen Schächten tatsächlich war.

      Das Besucherbergwerk Rammelsberg bei Goslar gehört seit 1992 zusammen mit der Altstadt und der Kaiserpfalz des Harzstädtchens zum UNESCO-Weltkulturerbe der Menschheit. Da Holz zum Hausbau, für das Abstützen der Gruben und als Holzkohle für die Verhüttung des Erzes diente, waren die Wälder im Harz gegen Ende des 17. Jahrhunderts fast vollständig gerodet. Der heutige Waldreichtum geht vor allem auf die dann einsetzende Forstwirtschaft zurück.

      Die Kaiserpfalz von Goslar ist das beste Beispiel, dass die mittelalterlichen Herrscher die Nähe zu Erzbergwerken suchten, weil sie reiche Pfründe versprachen. Fast zwei Dutzend Mal fanden sich bis 1219 die Adligen zu Reichstagen in Goslar zusammen. Im Hochmittelalter wurde in der Freien Reichsstadt Weltpolitik gemacht, und der Harz bildete in dieser Zeit ein Kernland der Kaiser.

      Doch auch weitere Orte im Harz lohnen einen Besuch. Quedlinburg am nördlichen Harzrand mit seinen 1200 Fachwerkhäusern und der prächtigen Stiftskirche auf dem Schlossberg zählt sicher dazu. Daneben kann sich Wernigerode, das ein Schloss und viele aufwendig restaurierte Fachwerkhäuser besitzt, ohne Zweifel zu den schönsten Harzstädten rechnen. Auch Clausthal-Zellerfeld hat viel zu bieten: Der Ort besaß im 17. und 18. Jahrhundert die reichsten Erzminen im Oberharz. Seine während des Dreißigjährigen Krieges eingeweihte Marktkirche zum Heiligen Geist ist ganz aus Holz gebaut, sie dokumentiert die frühere Bedeutung des heutigen Universitätsstädtchens mit 15 000 Einwohnern.

      Stolberg im Südharz trägt den Titel einer »Historischen Europastadt«. Thomas Müntzer, der radikale Reformator und Anführer des Bauernkrieges, kam hier 1489 zur Welt. Ein Denkmal im Ortszentrum erinnert an den Weggefährten und späteren Widersacher Martin Luthers. Die prachtvollen Fachwerkbauten der Bergarbeitersiedlung Stolberg stammen zum Teil aus dem 15. Jahrhundert.

       TOP image ERLEBNIS

      image MITTELALTERLICHES QUEDLINBURG

      Vom Schlossberg bietet sich der beste Blick auf das mittelalterliche Quedlinburg. In der Altstadt, als Weltkulturerbe der Menschheit durch die UNESCO geschützt, sind ganze Straßenzüge mit Dutzenden von mittelalterlichen Fachwerkhäusern erhalten. Auch das Ständerhaus aus dem 14. Jahrhundert, in dem eine Ausstellung über die Entwicklung des Fachwerkbaus Aufschluss gibt, gehört dazu. Das romanische Gotteshaus St. Wiperti entstand bereits um das Jahr 1000. Die romanische Stiftskirche St. Servatius auf dem Burghügel, eine dreischiffige kreuzförmige Basilika mit Doppelturm, birgt in der Krypta die Sarkophage von Heinrich I. (876–936) und seiner Frau Mathilde. Ihr Kirchenschatz zählt zu den kostbarsten des Mittelalters. Das benachbarte Schloss, einst ein Damenstift, ist auf dem Fundament der Quitlingaburg aus dem 10. Jahrhundert errichtet. Am Fuße des Hügels liegt der Finkenherd, ein Fachwerkhaus aus dem frühen 16. Jahrhundert. Hier soll Heinrich I. der Sage nach 918 die ihm angebotene Königskrone entgegengenommen haben.

       WEITERE INFORMATIONEN

      www.harzinfo.de; www.quedlinburg.de

image

       Quedlinburg gilt als eine der schönsten Fachwerkstädte Deutschlands.

      THEMA

       CHURFRANKEN

       Glücksmomente in der Genussregion

image

       Trauben, Wein, Wandern: Churfränkischer Rotweinwanderweg

      Wer sich auf Reisen begibt, hat in der Regel eine optimistische Grundhaltung, schließlich wollen wir doch wenigstens auf Reisen unbeschwert unser Dasein genießen. In pandemischen Zeiten ist das manchmal gar nicht so leicht, doch wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Das kann man in einer Region erleben, die zwar kein Schattendasein führt, als Urlaubsland aber noch zu den eher unentdeckten Schätzen Deutschlands gehört: Churfranken. Wo liegt das denn bitte? Im Fränkischen natürlich. Am Main. Zwischen Odenwald und Spessart. Miltenberg, Klingenberg und Bürgstadt hat man schon gehört. Aha, politisch gesehen also der Südwestzipfel Unterfrankens. Und philosophisch? Aschaffenburg und Frankfurt am Main sind nicht allzu weit entfernt.

       Über die Natur des Glücks

      Ob der 1860 in Frankfurt gestorbene deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer auf seinen Spaziergängen und Wanderungen mit seinem Pudel jemals Churfranken durchstreift hat, ist dem Verfasser leider nicht bekannt. Aber eine seiner Aussagen, die dazu beitrugen, dass viele Zeitgenossen in ihm den Philosophen des Pessimismus sehen, kam ihm auf einem kleinen Spaziergang auf dem Fränkischen Rotweinwanderweg oberhalb von Klingenberg in den Sinn: »Aller Genuss und alles Glück ist negativer, hingegen der Schmerz positiver Natur.« Was folgt daraus für Churfranken? Genuss und Glück kann man hier in großer Menge erleben, Schmerz auch. Das Negative daran ist, dass man nicht genug Zeit hat, alles zu kosten, und schnell bereut, dieses sonnenverwöhnte Fleckchen Erde nach ein paar Tagen wieder verlassen zu müssen. Das Positive daran ist der Schmerz, nicht zu wissen, wie lange es dauern mag, bis man wieder hierher zurückkehrt. Um dann Glück und Schmerz in ein gemeinsames Ganzes zu verwandeln, mit Wille und Vorstellungskraft eine ideale Welt zu schaffen, die hier ein paradiesisches Plätzchen bereithält. Und sei es nur für eine begrenzte Zeit. Was also macht Churfranken so genussreich und glücklich?

       Bio-Weine in Vollendung

      Da sind zum einen seine gastfreundlichen, offenen Menschen, die etwas von jener Sonne ausstrahlen, die auf den Rebhängen großartige Weine reifen lässt. Ein Lächeln im Gesicht? Aber natürlich, mit Fröhlichkeit geht man leichter durchs Leben: Anja Stritzinger aus Klingenberg macht sich zwar Sorgen um ihre Reben, denn die Trockenheit ist ein Problem,