Geschichte des peloponnesischen Kriegs (Alle 8 Bände). Thukydides. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thukydides
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 4064066498627
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besiegt, so wird ihr Muth nur wenig gebeugt. Ihre Leiber weihen sie dem Staate, als ob sie ihnen ganz fremd wären; der Geist aber, womit sie für das Vaterland wirken, ist ihr eigenstes Wesen. Wenn sie einen Plan nicht durchführen, so ist es ihnen, als rerlören sie ein Besitzthum: was sie im Kriege erringen, gilt ihnen als unbedeutender Gewinn gegen das, was ihren Unternehmen die Zukunft verspricht. Mißlingt ihnen irgend einmal ein Versuch, so richten sie dagegen ihre Hoffnung auf etwas anderes, und ihr Bedürfniß ist befriedigt. Denn bei ihnen allein fällt Besitz und Hoffen des Gegenstandes der Wünsche zusammen, weil sie rasch zur Ausführung aller ihrer Entschlüsse schreiten. Und dieses alles streben sie ihr ganzes Leben hindurch unter Mühsal und Gefahren zu erringen: auch genießen sie sehr wenig, was sie besitzen, weil sie stets nach Erwerb trachten, und kein anderes Fest kennen, als die Erfüllung ihrer Pflicht, und thatlose Ruhe nicht minder für ein Uebel halten, als mühselige Geschäftslast. Man könnte sie säher kurz und richtig so schildern: sie seier nach ihrer Gemüthsart dazu gemacht, weder selbst Ruhe zu haben, noch andern Menschen Ruhe zu lassen.

      71. "Wiewohl nun ein solcher Staat euch, ihr Lacedamonier, gegenüber steht, so beharrt ihr doch in eurem Zaudern, und wollt euch nicht überzeugen, daß nur Denjenigen befriedigende und daurende Ruhe zu Theil werde, von welchen bei aller Beobachtung der Gerechtigkeit in ihren Rüstungen bekannt ist, daß sie den Vorsatz haben, Beleidigungen nicht zu dulden. Ihr aber setzet das Recht darein, daß man weder Andere kränke, noch bei der Selbstvertheidigung Nachtheil leide. Allein ihr würdet, selbst wenn ihr einen gleichgesinnten Staat zum Nachbar hättet, dieß schwerlich erreichen. Nun aber sind, wie wir bereits gezeigt haben, eure Grundsätze in Vergleich mit jenen ganz veraltet, da dody. hier, wie bei den Künsten, das Neuere stets die Oberhand gewinnen muß. So lange ein Staat in Ruhe bleibt, so ist unverrückte Beobachtung des Herkömmlichen für ihn das Beste: wird man aber genöthigt, Allerlei zu unternehmen, so bedarf's mancher künstlichen Nachbesserung. Daher ist auch: die Verfassung der Athener wegen ihrer vielseitigen Unternehmungen weit mehr als die Eurige erneuert worden. Setzet daher endlich eurer Langsamkeit Grenzen, und kommet jetzt sowohl den Uebrigen als besonders den Potidäern, eurem Versprechen gemäs, durch einen Einfalt in Attika zu Hülfe, damit ihr nicht Befreundete und Stammesverwandte ihren größten Feinden Preis gebet, und uns Uebrige durch Entmuthigung nöthiget, eine andere Bundesgenossenschaft zu suchen. Wir würden dabei weder vor den Göttern, die über den Eidschwüren wachen, noch vor Menschen, denen diese Kunde zukäme, unrecht handeln. Denn bundbrüchig ist nicht, wer sich in einer verlaßnen Lage an Andere anschließt, sondern wer denen nicht beisteht, die zu demselben Bunde geschworen haben. Zeigt ihr euch, willfährig, so werden wir bei euch bleiben; denn durch einen Bundeswechsel würden wir eine heilige Pflicht verlegen, auch könnten wir keine andere so gleich gesinnte Verbündete wieder finden. Faßt nun dem zu: folge einen angemessenen Entschluß, und bemüht euch, daß der Peloponnes unter eurer Leitung nicht minder mächtig bleibe, als eure Väter ihn euch hinterlassen haben."

      72. Dieß war der Vortrag der Korinther. Von den Athenern, aber war gerade vorher schon eins Gesandtschaft wegen anderer Angelegenheiten in Lacedämon anwesend. Als diese nun von jenen Vorträgen hörten, so glaubten sie vor den Lacedämoniern auftreten zu müssen, nicht, um sich in irgend einem Punkte wegen der Beschwerden zu entschuldigen, welche die Städte gegen sie vorbrachten, sondern um sie aufmerksam zu machen, daß sie über das Ganze nicht einen zu raschen Beschluß fassen, sondern die Sache weiter überlegen sollen. Zugleich wollten sie andeuten, wie groß die Macht ihres Staats sei, und die Bejochtenen an das erinnern, was sie schon erlebt hatten, die Jüngern aber belehren über das, was sie noch nicht wußten, in der Hoffnung, sie würden sich durch ihre Gründe bestimmen lassen, die Ruhe dem Kriege vorzuziehen. Sie wandten sich also an die Lacedämonier mit der Bitte, daß auch sie vor dem Volke reden dürften, wenn kein Hinderniß vorhanden wäre. Man erlaubte um den Athenern, aufzutreten, und sie hielten folgenden Vortrag:

      73. "Wir sind zwar nicht zur Widerlegung eurer Bundesgenossen, sondern wegen des Zweckes unserer Sendung von unserer Stadt abgeordnet. Da wir aber vernommen haben, daß man ein großes Geschrei gegen uns erhebe, so treten wir auf, nicht, um uns gegen die Beschwerden der Städte zu vertheidigen (denn einen solchen Vortrag hätten wir nicht vor Euch, da ihr weder über uns, noch über sie Richter seid, zu halten), sondern damit ihr nicht in einer so wichtigen Sache durch die Bundesgenossen euch zu leicht hinreißen lasset, einen nachtheiligen Beschluß zu fassen. Zugleich wollen wir wegen der sämmtlichen gegen uns aufgestellten Behauptungen darthun, daß wir nicht mit Unrecht das haben, was wir besitzen, und daß unsere Stadt Rücksicht verdiene. Und wozu sollten wir die ältesten Begebenheiten erwähnen, für welche mehr die Sage, als die Anschauung der Zuhörer zeugen kann? Die Perserkriege aber, und was davon Euch selbst schon bekannt ist, müßen wir, sollte es auch minder angenehm sein, stets auf's neue euch vorhalten und anführen. Denn als wir jene Thaten verrichteten, so galt der Kampf solche Vortheile, an denen ihr in der That auch euren Antheil hattet. Daher wollen wir unsererseits das Recht, darüber zu sprechen, wenn es einigen Nutzen hat, uns nicht ganz nehmen lassen. Es soll dieß aber gesagt sein, nicht sowohl, um uns zu rechtfertigen, sondern zum Zeugniß und Beweise, was es für ein Staat sei, mit den ihr, wenn ihr keinen vernünftigen Beschluß fasset, in Kampf gerathen werdet. Denn wir rühmen uns, bei Marathon allein Vorkämpfer gegen die Perser gewesen zu sein: und als sie zum zweiten Male anrückten, und wir nicht stark genug waren, ihnen zu Lande die Spitze zu bieten, so ging unser ganzes Volk zu Schiffe, und half die Seeschlacht bei Salamis liefern. Dieß war es, was die Barbaren abhielt, bei den einzelnen Städtenumherzuschiffen, und den Peloponnes zu verheeren; denn man hätte dort nicht Macht genug gehabt, gegen eine so starke Flotte einander zu Hülfe zu kommen. Den entscheidendsten Beweis aber für jene Behauptung gab der Perserkönig selbst: denn als er die Seeschlacht verloren, zog er sich, überzeugt, daß seine Macht der vorigen nicht mehr gleich sei, eilig mit dem größern Theile seines Heeres zurück."

      74. "Bei diesem Verlaufe jener Begebenheit, wobei es sich deutlich zeigte, daß das Schicksal der Griechen von der Flotte abhieng, haben wir in drei Rücksichten wesentlich zum glücklichen Erfolg mitgewirkt, durch die größte Zahl von Schiffen, durch den einsichtsvollsten Anführer, und durch den unverdrossensten Eifer. Denn wir stellten zu den vierhundert Schiffen nicht viel weniger als zwei Drittheile, und den Themistokles als Befehlshaber, der am meisten dazu beitrug, daß in der Meerenge die Seeschlacht geliefert wurde; was unstreitig der Sache eine günstige Wendung gab. Ihr selbst habt ihm ja deshalb vor allen Fremden, die je euch besuchten, die größte Ehre erwiesen. Wir haben aber auch den entschlossensten Eifer erprobt. Denn als uns zu Lande Niemand Hülfe leistete , als die Uebrigen bis an unsere Grenze sich bereits unterworfen hatten, so entschlossen wir uns, unsere Stadt zu verlassen, unsere Habe der Zerstörung preiszugeben, und doch nicht dem Vereine der übrigen Bundesgenossen und zu entziehen, noch durch Zerstreuung uns ihnen unbrauchbar zu machen, sondern die Schiffe zu besteigen, und den Kampf zu wagen, ohne darüber zu grollen, daß ihr uns früher nicht zu Hülfe kamet. Daher behaupten wir, euch eben so viele Vortheile verschafft zu haben, als wir (durch euch) erlangten. Denn ihr rücktet aus bewohnten Städten, um ihren Besitz auch ferner zu behaupten, in's Feld, da ihr für euch und nicht eigentlich für uns fürchten mußtet; wenigstens erschienet ihr nicht auf dem Kampfplatze, so lange unsere Stadt noch stand. Wir aber, die wir auszogen aus einer Stadt, die nicht mehr war, und kämpften für eine Heimath, die nur noch auf schwachen Hoffnungen beruhte, halfen doch euch und uns selbst erretten. Hätten wir dagegen früher, wie die Andern, aus Furcht für unser Land, uns an die Perser angeschlossen, oder hätten wir später, uns für vernichtet achtend, nicht den Muth gehabt, die Schiffe zu besteigen, so wäre ein Seetreffen von eurer Seite, aus Mangel an einer hinlänglichen Flotte, zwecklos gewesen, und den Persern wäre ihr Unternehmen ungehindert und nach Wunsche gelungen."

      75. ,,Sollten wir also, ihr Lacedämonier, theils wegen des damals bewiesenen Eifers, theils wegen der einsichtsvollen Plane nicht verdienen, daß die Herrschaft, die wir besitzen, nicht so sehr Gegenstand des Neides für die Hellenen wäre? Haben wir sie doch nicht durch Zwang erhalten, sondern weil ihr, was im Perserkriege noch zu thun übrig war, nicht ferner leiten wolltet, und weil die Verbündeten sich an uns anschlossen, und aus ersuchten, ihre Auführer zu werden. Durch die Natur der Sache wurden wir zuerst gezwungen, unsere Herrschaft auf diesen Punkt zu bringen, vornehmlich wegen unserer Sicherheit, sodann aber auch der Ehre, und später unseres Vortheils wegen. Wirklich schien es unsere Sicherheit nicht mehr zu gestatten, daß wir das Band der Herrschaft