Toms Blick wurde mit einem Mal sehr sanft und gütig und er betrachtete mich in einer Weise in der mich vorher noch nie angesehen hatte: Ehrliche Bewunderung.
»Wow, Emma! Du hast dich echt verändert. Sei mir nicht böse, aber ich hätte es wirklich nicht gedacht, dass du mal ehrenamtlich für andere Menschen da bist. Ich hielt dich immer für sehr egozentrisch und, schlag mich bitte nicht, auch für sehr egoistisch. Das du so voller Nächstenliebe steckst ist wundervoll zu sehen und ich finde die Seite bemerkenswert … Ich habe dich wohl wirklich unterschätzt …«
Obwohl Toms Aussage als Kompliment gemeint war, traf es mich bis ins Mark. Tom hielt mich für egoistisch? Was dachte er noch alles über mich? War ich wirklich so sehr auf mich konzentriert und so selbstverliebt, dass es für Tom unvorstellbar war, dass ich Gutes tat? Lina hatte ja ähnliches erwähnt … Dachte mein ganzes Umfeld so von mir? Und wenn die Leute, die mich liebten schon so von mir dachten …
Luca sah mich immer noch verletzt an.
»Gibst du uns noch 5 Minuten?«, fragte ich Tom.
Er nickte, winkte Luca zu und verschwand im Wohnzimmer.
Ich kniete mich vor Luca, nahm sanft seine Hände und flüsterte: »Ich verspreche es!«
Lucas Gesicht hellte sich schlagartig auf.
Ich glaubte noch immer nicht an den Weltuntergang oder die Erdbebentheorie und ich würde mein Versprechen wahrscheinlich bereuen, aber es war an der Zeit etwas zu ändern. Da war ein Junge und der brauchte Hilfe und ich wollte nicht mehr dieser Mensch sein, der nur an sich selbst dachte.
»Also wenn die Situation kommt, in der ich was tun kann um die Welt retten, dann werde ich das machen. Versprochen! Aber ich habe keine Ahnung wie ich das anstellen soll!«
Luca fiel mir um den Hals, drückte mich so fest seine kleinen Ärmchen konnten und flüsterte mir: »Danke« ins Ohr.
»Ich komme wieder und dann sage ich dir was du brauchst und was du tun kannst.«
»Mach das!«, sagte ich liebevoll und sah wie er im Treppenhaus verschwand. Er war genauso schnell weg wie er gekommen war und ich sah ihm noch ein Weilchen hinterher.
Ich hatte ein Versprechen gegeben. Das Versprechen die Welt zu retten.
Und dieser Moment sollte alles verändern …
Kapitel 12
»Alles gut bei dir Emma? Du bist so still!« Tom musterte mich besorgt. Ich hatte die gesamte Autofahrt bis jetzt geschwiegen. Luca ging mir nicht mehr aus dem Kopf und beschäftigte mich mehr als mir lieb war. In was war ich da nur hineingeraten?
Es gab nur zwei Möglichkeiten:
Entweder hatte dieser Junge eine blühende Phantasie und ernsthafte Probleme und ich hatte ihn soeben in seinem seltsamen Wahn bestärkt und ihm versprochen die Welt zu retten oder aber, …
…und diese Möglichkeit wäre noch weit beängstigender als die erste Option, es war wirklich etwas an seiner Geschichte dran und sie war nicht frei erfunden.
Das war natürlich total absurd. Jeder halbwegs normale Mensch wusste das. Und doch …
»Mir geht’s gut, Tom.«, sagte ich lächelnd und fand seine Besorgnis irgendwie süß. »Ich bin nur in Gedanken.«
»Du magst den kleinen Kerl, stimmt´s?«
»Schätze schon.«
»Man sieht gleich, dass euch etwas verbindet.«, sagte Tom und schickte mir wieder ein Lächeln, dass mir tiefer ging, als ich es zulassen wollte.
»Der Gedanke ist mir auch schon gekommen, dass mich und Luca etwas verbindet und ich spüre diese Verbindung auch. Ich kann sie nur nicht einordnen. Ich weiß nicht, was es ist.«
»Nun ja, ihr habt beide einen Sprung in der Schüssel!«, feixte Tom und schob frech seine Zunge zwischen den Zähnen hervor.
Ich boxte ihn in die Schulter, nicht ohne zu bemerken, dass seine Arme nun deutlich durchtrainierter waren als noch zu der Zeit in der er mit mir zusammen war, und musste trotzdem laut lachen. Diese kleinen liebgemeinten Sticheleien zwischen uns hatten mir so gefehlt.
Während Tom sich darauf konzentrierte einen Parkplatz zu finden, beobachtete ich ihn von der Seite. Sein Gesicht schien keinen Tag älter geworden zu sein. Dieselben süßen Grübchen um seine Mundwinkel, dieselben roten Wangen wenn er nervös war, dieselben kleinen Lachfalten an den Augen, die ihn so harmlos erschienen ließen. Wie ein Hundewelpe, dem man alles verzeihen würde. Es war, als wäre keine Sekunde vergangen … Als wäre er nie weggewesen … Als wäre er nie spurlos aus meinem Leben verschwunden …
Doch er war gegangen, er hatte mich verlassen und dass konnte und durfte ich nicht vergessen. Lina hatte Recht. Trotz all der Schwärmerei musste ich einen klaren Kopf behalten … Auch wenn das bei diesen Augen nicht einfach werden würde …
»Erinnerst du dich?«, fragte Tom schüchtern, während er auf den Parkplatz von dem kleinen chinesischen Restaurant fuhr, in welchem er vor einigen Jahren um meine Hand anhielt.
Die Frage war so bescheuert, dass ich ihn glatt mit dem Kopf auf die Hupe drücken wollte, denn ich dachte nach der Trennung an nichts anderes und wenn ich mich an etwas wirklich genau erinnerte, dann war das der Tag, an dem er mir einen Antrag machte...
An diesem Tag war die Arbeit grauenvoll gewesen. Meine Chefin war mal wieder der Meinung gewesen, es wäre eine gute Idee den gesamten Laden zu putzen und diese wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe bekam natürlich: Ich! Aus diesem Grund war ich den ganzen Tag, mit Schwamm und Eimer bewaffnet, dabei Regale auszuräumen, zu putzen und wieder aufzufüllen und das immer und immer wieder. Bis meine Hände komplett durchgeweicht und meine Haare komplett verschwitzt und fettig waren und mir meine Gelenke vor Schmerzen fröhlich den Mittelfinger zeigten. Nur Fußpilz ist schöner.
Als ich zuhause ankam, bewegte sich meine Stimmung also irgendwo zwischen »Wenn du mich ansprichst, fehlen dir ein paar Zähne« und »Atomexplosion«. Trotzdem wagte Tom es an diesem Abend mich zu fragen, ob wir ausgehen wollten und obwohl ich anfangs stark protestierte, indem ich die Fernbedienung nach ihm pfefferte, überzeugte er mich mit seinem Kusstalent mich hübsch anzuziehen und ihn in das gemütliche chinesische Restaurant zu begleiten.
Dort ließ ich meine blendende Laune natürlich postwendend an der unfähigen Kellnerin aus, die mir den Prosecco doch tatsächlich einige Grad zu warm brachte.
Und trotz meiner zickigen und anstrengenden Art machte Tom mir an diesem Abend einen Antrag. Als er sich vor mich hinkniete und ich den funkelnden Saphir in dem Ring sah, erschrak ich so sehr, dass ich in die Höhe schoss und damit der Kellnerin die Teller aus der Hand schlug. Ich hatte das einfach nicht erwartet. Tom war mein Leben. Immer schon. Und als er mir plötzlich den Antrag machte, obwohl er mir Monate vorher noch erklärt hatte, die Ehe sei eine festgefahrene, langweilige und zutiefst überflüssige Institution, war mein größter Traum in Erfüllung gegangen.
Ich weinte vor Glück, während ich »Ja« schrie und ein Meter weiter weinte die Kellnerin, die nun ihren Job verloren hatte und nur »Nein« schrie!
Es war eine schöne Zeit …
Aber das mit der Kellnerin tat mir heute noch leid.
»Ob ich mich erinnere? Sag mal machst du Witze? Wieso fragst du mich nicht gleich wer Bundespräsident ist?«, rief ich gespielt empört.
»Weil du es vermutlich nicht wüsstest!«, konterte Tom grinsend.
Er sah mir einige Zeit in die Augen und raunte dann: »Ich hab einiges wieder gutzumachen!«
Da hatte er verdammt Recht, aber …
»Tom, ich weiß