Apokalypse Für Einsteiger. Julian Birkner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julian Birkner
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783967526417
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probiere es noch einmal … So, jetzt aber …

      »Dein neuer Haarschnitt sieht richtig gut aus!«

       Ahh, was ist denn nur los mit mir? Ich muss mich konzentrieren. Sag ihm das Krasseste, was dir einfällt. Jetzt gibst du ihm den Rest.

      »Und dieser Anzug steht dir richtig gut!«

       Oh Mann! Ich gebe es auf. Das ist hoffnungslos …

      »Wow! Mit so vielen Komplimenten habe ich gar nicht gerechnet.«, lachte Tom charmant und zog mich sanft zur Seite als ein Kunde mit seinem Einkaufswagen an uns vorbei wollte. »Ich dachte eher, du würdest mich erst einmal anschreien oder so! Verdient hätte ich es ja …«

       Du hast noch ganz andere Sachen verdient. Zum Beispiel von Chuck Norris deine Visage neu ordnen zu lassen oder mit einem schlechtgelaunten Pitbull fangen zu spielen …

      Aber aus irgendeinem Grund ging es einfach nicht. Wie gerne hätte ich ihm die Meinung gesagt, ihm gezeigt wie weh er mir getan hat, aber wenn ich meinen Mund öffnete, kamen nur Komplimente heraus … Scheiß Hormone …

      »Ich bin auf jeden Fall froh, dass du überhaupt noch mit mir redest. Ich bin wirklich nicht stolz auf das, was damals passiert ist. Ich hatte gehofft, dass du mir die Chance gibst, es dir zu erklären …«

      »Ach Tom … Das ist so lange her … Vergeben und vergessen. Ich bin drüber weg!«

       Whaaaat? Was stimmt nicht mit mir? Nichts ist vergeben und vergessen … All die verheulten, schlaflosen Nächte, in denen ich blutige Rache schwor und dann das?

       Ich würde dich am liebsten in der Luft zerfetzen …

      »Oh okay! Das habe ich nicht erwartet!«

       …dich packen und gegen die Wand hauen …

      »Aber es freut mich sehr. Also kein böses Blut zwischen uns?«

      »Ach wo denkst du hin?«

       …dir in den Hintern treten bis dir der Kiefer bricht …

      »Wow! Dass du jemanden so ohne weiteres vergeben kannst, zeugt echt von Größe …«

       …dir 100- bis 200-mal eine schallende Ohrfeige verpassen …

      »Ich weiß nicht, ob ich die Stärke besäße …«

       …dir ans Schienbein treten und in deine blauen Augen schauen …

      »Ich möchte es so gerne wieder gut machen und dir alles erklären … Kann ich dich heute Abend zum Essen einladen?«

       …und dich dann am Nacken packen und leidenschaftlich küssen … Moment … Was? Jetzt funktionieren nicht einmal mehr die Gewaltfantasien? Na schönen Dank auch …

      »Ja, äh gerne …«, hörte ich mich stammeln. »Also ich habe heute noch nichts vor.«

      »Natürlich nur, wenn dein Freund nichts dagegen hat …« Tom lächelte, aber durch sein Lächeln glaubte ich einen Anflug von Unsicherheit zu erkennen. Befürchtete er, dass ich wieder vergeben war? Wollte er eine zweite Chance? Und noch viel wichtiger: Wollte ich das?

      »Ich habe gerade keinen Freund …«, gab ich mit gesenktem Blick zu und spürte wie die Anspannung von ihm abfiel.

      »Also ich hatte nach dir natürlich schon jede Menge Beziehungen …«, warf ich ihm cool entgegen.

      »Öhm, okay!« Toms zweifelndes Gesicht verriet mir, dass ich noch eins obendrauf setzen musste.

      »Ja klar! Also unzählige Typen eigentlich …«

      »Aha!«

      »Grandiosen Sex … Viel Neues ausprobiert!«

       Was erzähle ich schon wieder?

      »Das Kamasutra wurde mir irgendwann zu langweilig … Da habe ich dann ein Neues geschrieben …«

      Toms Gesicht schwankte zwischen Schockzustand und erheblichem Zweifel.

      »Du musst hier nichts erfinden, Emma … Ich kenne dich ziemlich gut. Das bist nicht du. Du warst immer so wählerisch und im Bett ja auch eher …« Er wiegte den Kopf hin und her als suche er das richtige Wort.

       »Langweilig« Sag es ruhig, du Vollspaten. Deine Leistung wird auch nicht in den Geschichtsbüchern festgehalten, wenn ich mich recht entsinne …

      » …Klassisch! Also ohne großen Schnick-Schnack meine ich.«

      »Ja Tom. Ich habe mich verändert. Es ist viel Zeit vergangen und du kennst mich anscheinend nicht so gut wie du dachtest!«

      Sichtlich irritiert strich sich Tom die Haare aus dem Gesicht.

      »Das heißt du bist jetzt eher wild drauf, ja?«, fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen.

      »Ja bei mir geht’s ganz gut ab!«, antwortete ich lässig. »Ich nehme eigentlich alles mit was so geht. Genieße mein Leben, verstehst du?«

       Oh mein Gott! Kann mir bitte jemand einen Maulkorb verpassen oder mich wahlweise aus Toms Blickfeld entfernen? Ich erzähle meinem Ex-Verlobten, ich wäre ein Flittchen geworden um ihm zu beweisen, dass ich über ihn hinweg bin? 100 Punkte Emma! Beeindruckt ist er jetzt auf jeden Fall …

      »Kann ich Ihnen behilflich sein?« Die säuselnde, zuckersüße Stimme von der Seite würde ich überall erkennen. Susanne, die falsche Schlange, die mir schon den Margarine-Traumtypen abspenstig gemacht hatte, witterte in Tom wohl wieder neue Beute …

      »Die Kollegin hat Pause und ist auch nicht so gut ausgebildet und wenn Sie Fragen haben, dann stehe ich Ihnen als Fachkraft natürlich jederzeit gerne zur Verfügung!« Mit einem verführerischen Blick schnappte sie Tom am Arm und wollte ihn von mir wegführen.

       Na warte, du Botox-Blondchen! Jetzt hast du eine Linie überschritten …Nur weil du operierte Möpse hast und einen hübschen Hintern, kannst du dir noch lange nicht alles erlauben. Ich werde dich so dermaßen …

      »Das ist ein sehr freundliches Angebot, aber ihre Kollegin, die ihren Job übrigens ausgezeichnet macht, und ich, wir waren gerade in einem interessanten Gespräch. Vielen Dank!« Und mit einer sanften aber bestimmten Bewegung, schob er Susannes Arm beiseite und wandte sich wieder mir zu. Die völlig verdutzte Susanne, etwas Derartiges hatte sie anscheinend noch nicht erlebt, ließ ihre freundliche Maske in sich zusammenfallen. Ihr Gesicht wurde düster als sie zischte: »Nun Frau Schwarz, ihre Privatgespräche sollten Sie besser nicht auf Arbeit führen. Da sind wir uns wohl einig …«

      »Wie Sie ganz richtig bemerkt haben, liebe Kollegin, habe ich Pause und was ich in meiner Pause mache, das ist, denke ich, mir überlassen …«

      Susanne schnaubte verächtlich und stapfte, ohne uns weiteren Blickes zu würdigen, von dannen.

      »Danke.«, flüsterte ich leise und berührte Tom sanft am Arm. Einen Moment lang trafen sich unsere Blicke und ich spürte die alte Verbindung wieder, die ich so sehr vermisst hatte. »Kein Ding!«, grinste er verlegen. »Dir steht dieser grauenvolle Kittel eh 20-mal besser als ihr. Selbst in diesem Fetzen siehst du gut aus …«

      Das ging runter wie Öl …

       Jetzt bloß nichts Blödes antworten!

      »Dir würde der Kittel auch stehen!«

       WARUM um alles in der Welt kann ich nicht EINMAL meinen Mund halten?

      »Ich denke, ich behalte den Anzug!«, lachte Tom.

      »Aber deine Kollegin hat Recht. Wir sollten uns an einem anderen Ort weiter unterhalten. Ich schreibe dir mal meine Nummer auf …« Tom steckte mir den Zettel in die Kitteltasche, flüsterte: »Bis heute Abend!« in mein Ohr und zwinkerte mir schelmisch zu. Ich hob eine Hand zum Gruß und beobachtete wie er den Laden verließ.