Ich bin nicht dumm!
Bist du.
Bin ich nicht!
Bist du doch!
Zum Kuckuck und zum Geier aber auch, schimpft der Opa. Geht das Theater denn schon wieder los? Könnt ihr euch nicht einmal einen Tag lang vertragen miteinander? Wenn ihr zwei so weitermacht, werde ich euch nie wieder Geschichten erzählen. Das könnt ihr mir aber glauben. So wahr, ich Wilhelm Schäfer heiße!
Das glauben wir dem Opa aber nicht, er erzählt nämlich sehr gerne Geschichten. Und am liebsten Geschichten von der Oma. Der Michel zwinkert mir zu. Wir wissen natürlich genau, wie die Oma-Opa-Geschichte weiter geht. Und wir wissen genau, dass der Opa weitererzählen wird. Aber dieses Mal erzählt der Opa wirklich nicht weiter. Er schaut uns nur an. Und dann hebt der Opa seine Hand in die Luft und ruft die Kellnerin an den Tisch. Ich hätte gerne zwei Kugeln Vanilleeis, sagt der Opa. In einer Waffeltüte bitte. Und packen sie das Eis bitte gut ein, Fräulein. Es wird ein Weilchen unterwegs sein. Was der Opa wohl vorhat? Die Kellnerin kommt mit einem Paket zurück und legt es auf den Tisch. Vorsichtig, sagt sie. Und immer schön gerade halten! Das Eis bringen wir der Oma, sagt der Opa. Und wir eilen, so schnell wir können ins Pflegeheim zur Oma zurück. Und das Eis ist sogar noch heil, als der Opa es auspackt. Nur ein paar Tropfen rinnen an der Waffel runter.
Alle Gute zum ersten Kusstag mein Liebchen, sagt der Opa zur Oma. Er macht eine Verbeugung und überreicht der Oma die Eistüte. Ach Helmchen, sagt die Oma kopfschüttelnd. Du bist ja ganz vollgekleckert. Schau dir mal dein Hemd an. Wenn das nur mal keinen Ärger gibt.
In unserem Obstgarten blühen gerade die Kirschen. Und als ich zum Kräutergarten laufe, höre ich etwas rascheln. Ein Feldhase läuft vor mir davon. Es ist Frühling. Meine Lieblingsjahreszeit. Da könnte ich den ganzen Tag hüpfen und singen vor Freude. Weil die Welt so schön bunt ist. Im Kräutergarten blüht der Schopflavendel. Die Zitronenmelisse und die marokkanische Minze scheinen einen Wachstumswettkampf zu machen, meint die Mama. An einem Tag ist die Minze größer, am anderen Tag die Melisse. Das Currykraut ist auch schon kurz vor der Blüte und der Rosmarinbusch ist viel größer als im vorigen Jahr. Die Mama will Kräuterbutter aus unseren Kräutern machen. Ich freue mich schon darauf. Und der Opa auch. Er mag es, wenn die Kräuterbutter auf dem warmen Brot zerläuft. Aber er achtet darauf, dass er sich nicht vollkleckert. Sonst bekommt er nämlich Ärger mit der Mama. Die Mama schimpft oft mit dem Opa, weil der Opa immer den Badezimmerspiegel mit Zahnpasta vollspritzt und nie den Klodeckel zumacht. Und weil er seinen Teller auf der Spüle abstellt und nicht in die Spülmaschine einräumt. Und weil er den Boden vollkrümelt beim Brotessen. Und weil er sein Bett nie richtig durchschüttelt und lüftet. Aber der Opa kann gar nicht richtig streiten. Er ist ganz still, wenn die Mama mit ihm schimpft. Und die Mama hört auch ganz schnell wieder mit dem Schimpfen auf. Sie liebt den Opa nämlich fast genauso arg wie den Papa.
Der Papa und der Opa spielen Fußball im Hof. Und der Bello flitzt dem Ball hinterher. Der Bello mag Fußballspielen sehr. Er hat sogar schon einmal ein Tor geschossen. Und dann flitzt der Bello dem Papa durch die Beine. Und der Papa fällt ins Gras. Und die Mama kommt dazu und kitzelt den Papa. Und der Papa zappelt wie ein Marienkäfer auf dem Rücken. Und der Michel legt sich auf den Papa und die Mama. Und sie balgen wie verrückt. Ich balge nicht mit. Ich habe mein schönstes Kleidchen angezogen. Und meine neuen Lackschuhe. Und die weißen Kniestrümpfe. Weil wir noch zur Oma ins Pflegeheim fahren wollen. Die Mama hat ein Leberwurstbrot in Häppchen geschnitten. Und ein abgekochtes Ei. Und eine Essiggurke. Für die Oma. Weil die Oma das selbst gebackene Brot und die hausgemachte Leberwurst so gerne isst. Der Bello darf auch mit. Er sitzt schon auf der Rückbank im Auto und schaut aus dem Fenster. Der Bello fährt gerne Auto. Der Papa legt eine CD ein. Und wir singen alle mit. Und erst beim Aussteigen achten wir auf den Bello. Seine Schnauze ist mit Leberwurst verschmiert. Und der Vesperteller für die Oma ist leer. Auch die Gurke und das Ei sind in Bellos Maul verschwunden. Da gibt es nur eins Leute, sagt der Opa. Umdrehen, nach Hause fahren, neues Brot schmieren! Und wir fahren wieder nach Hause zurück und die Mama streicht ein neues Brot mit Leberwurstbrot für die Oma. Und sie würfelt nochmals ein abgekochtes Ei. Und schneidet eine Essiggurke in mundgerechte Stücke. Dann fahren wir wieder zurück ins Pflegeheim. Den Bello nehmen wir nicht mehr mit. Der muss zur Strafe zuhause bleiben. Und vor dem Pflegeheim müssen wir den Michel noch zur Schule fahren. Er hat nämlich eine Chorprobe.
Die Oma hat keinen Appetit. Und der Opa isst den Vesperteller auf. Er trinkt auch den Früchtetee von der Oma. Die Oma sieht nicht gut aus. Sie ist ganz gelb im Gesicht. Und die Mama und der Papa wollen lieber bei der Oma bleiben als Pizza essen zu gehen. Der Opa holt den Michel von der Schule ab. Und er kauft dem Michel eine Pizza zum Mitnehmen. Aber der Michel hat gar keinen Hunger. Er will gleich zur Oma. Ich laufe mit dem Michel über die Flure des Pflegeheims. Die Flure haben alle Blumennamen. Unsere Oma wohnt im Heckenweg. Und die Wände im Heckenweg sind voll behangen mit Omas Blumenbildern. Das sieht schön aus. Die anderen Flure sind nicht so bunt. An der Tür hängt ein Foto von der Oma. Der Papa hat das Foto von der Oma gemacht. Beim Blumenstraußbinden. Die Oma sieht schön aus auf dem Foto. Sie lacht und winkt.
3
Der Michel hat die Hausschuhe vom Opa versteckt. Der Michel macht oft Streiche mit dem Opa. Und der Opa macht die Streiche mit. Der Opa läuft im ganzen Haus herum, rauft sich die Haare und ruft: zum Kuckuck und zum Geier aber auch, wo habe ich denn bloß wieder meine Hausschuhe hingestellt. Kannst du mir bitte mal beim Suchen helfen, Ännchen? Dabei weiß der Opa ganz genau, dass seine Hausschuhe unter seinem Bett sind. Und er weiß auch ganz genau, dass ich nie unter sein Bett schauen würde. Weil da mal eine Maus gesessen hat. Und weil es unter dem Bett vom Opa so staubig ist. Und so viel Zeugs herumsteht.
Der Michel hat dem Opa einen Regenwurm unter das Kopfkissen gelegt. Das findet der Opa aber kein bisschen lustig. Und er schimpft den Michel tüchtig aus. Unter der Erde muss der Wurm sich vor dem Maulwurf verstecken, schimpft der Opa und über der Erde vor unserem Michel. Das arme Würmchen hätte ersticken können. Zum Kuckuck und zum Geier aber auch. Und so einer will einmal Tierarzt werden! Wenn es um das Wohl von Tieren geht, dann kann der Opa richtig zornig werden. Der Opa bekommt auch einen tomatenroten Kopf, als er bemerkt, dass der Michel ihm Salz in den Kaffee geschüttet hat. Da hört der Spaß auf Michel, schimpft der Opa. Mit Lebensmitteln herum zu panschen gibt es nicht. Nicht in diesem Haus! Der Opa schimpft nicht oft mit uns. Aber wenn er das tut, dann ist das ganz schlimm für den Michel und mich. Und für die Minka auch. Die ist das auch nicht gewohnt. Sie verkriecht sich immer unter den Tisch, wenn der Opa schimpft. Es ist keine Selbstverständlichkeit, Kaffee im Haus zu haben, sagt der Opa. In Notzeiten hätte ich manches dafür getan, um eine Tasse richtigen Kaffee trinken zu können. Wir haben Getreidekaffee getrunken. Ersatzkaffee. Und das auch nicht alle Tage. Der Opa erzählt eine lange Geschichte vom Kaffeeanbau. Dass der Kaffee mit den Händen gepflückt werden muss. Und dass in den Ländern die Kinder mitarbeiten müssen auf der Kaffeeplantage. Den ganzen Tag lang. Und dass die Kinder nicht genug zu essen und zu trinken bekommen. Und dass sie noch nicht einmal Unterhosen tragen. Weil sie so arm sind, dass sie gar keine Unterhosen haben.
Der Papa hat eine Hütte aus Holz für den Michel gebaut, da sperrt er den Michel ein, wenn er mal wieder über die Stränge geschlagen hat. Bei uns geht es zu wie auf dem Katthulthof, wo der Michel aus Lönneberga gewohnt hat, sagt die Mama. Aber so wild ist mein Bruder dann auch wieder nicht und die Hütte vom Michel hat zwei große Fenster. Und der Papa und die Mama wissen ganz genau, dass der Michel nicht wirklich weggeschlossen ist. Und der Michel weiß es natürlich auch. Der ist ja nicht blöd.
Die Mama will einen Teil der Scheune zu einem Ferienlager für Kinder umbauen. Das wird sehr spannend werden. Es sollen nämlich auch Kinder aus Peru kommen. Der Herr Pfarrer hat das organisiert. Zusammen mit meinem Religionslehrer. Ich weiß gar nicht, welche Sprache man spricht in Peru. Mach dir da mal keine Gedanken darüber Schneckchen, sagt der Papa. Ein freundliches Lächeln und eine liebevolle Gestik versteht man auf der ganzen Welt. Nur die Liebe zählt, mein süßes, kleines Schmetterlingsmädchen. Der Papa sagt oft Schmetterlingsmädchen