Todesluft. Thomas L. Viernau. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas L. Viernau
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783967525144
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Ohren, wir wissen nicht, wem wir trauen können und wem nicht.«

      Im akzentfreien Deutsch antwortete sie ihm.

      »Glaubst du wirklich, dass hier an diesem Ort Spitzel auftauchen sollten? Wir sind durch ganz Europa gereist, immer mit der Angst, verraten zu werden. Endlich haben wir einen abgeschiedenen Ort gefunden, der bisher von noch keinem Agenten ausfindig gemacht wurde. Endlich können wir durchatmen. Ich bin es leid, dauernd Versteck zu spielen. Das Schicksal kann man nicht auf Dauer überlisten.«

      Der Graf nickte.

      Natürlich, Eishausen war ein wirklich abgeschiedener Ort. Das kleine Schloss, eher ein etwas zu groß geratenes Gutshaus, war der ideale Rückzugsort. Außerdem hatte er die Zusicherung des Herzogs, sein Incognito zu wahren und keinerlei Fragen zu stellen, was seine Herkunft anging.

      Auch die Dorfbewohner waren instruiert. Sein getreuer Diener hatte dafür gesorgt, dass die Dorfleute einen großen Bogen um das Schloss machten. Mit kleinen Geldspenden versicherte der Graf sich der Loyalität der Dörfler. Eigentlich war alles perfekt geregelt. Dennoch, ein Argwohn blieb.

      Zu oft hatten sie schon ihre Bleibe wechseln müssen. Immer tauchten seltsame und sich verdächtig benehmende Männer auf, die ein zu großes Interesse an seiner Person zeigten.

      Im württembergischen Ingelfingen waren sie viel zu nah an der französischen Grenze. Immer wieder tauchten in der Apotheke, in der sie Unterkunft bezogen hatten, französische Offiziere auf, die sich harmlos nach den Gästen des Apothekers erkundigten.

      Auch in Gotha und Weimar tauchten sie auf. Erst im kleinen Hildburghausen schien er sicher zu sein. Wahrscheinlich rechneten seine Verfolger nicht damit, dass er sich in einen solch kleinen Zwergstaat zurückzog. Das Herzogtum Hildburghausen war auf der Landkarte nur ein winziger Fleck.

      Es war jetzt knapp sieben Jahre her, dass sie ihren Fuß auf Hildburghäuser Boden setzten. Vorausgegangen war eine Irrfahrt durch diverse Thüringer Herzogtümer. Er hatte stets das Gefühl, dass die Herzöge einen solch brisanten Gast ungern bei sich aufnehmen wollten, hatte in Gotha bei Hofe vorgesprochen und auch in Weimar, jedes Mal wurde ihm bedeutet, dass es unmöglich wäre, ihm sein Incognito zu belassen.

      Die Kabinettsmitglieder waren sich einig, schließlich wollte man es sich ja nicht mit Napoleon verderben. Die Thüringer Kleinstaaten waren allesamt mehr oder weniger freiwillig dem von Napoleon gegründeten Rheinbund beigetreten.

      Seine letzte Hoffnung war der Meininger Hof, speziell die Herzogin Luise-Eleonore, deren Großmut allgemein bekannt war. Über einen guten Bekannten, den Freiherrn von Könitz, versuchte der Graf von der Herzogin eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Doch auch sie lehnte leider sein Ansinnen ab.

      Die Verzweiflung war groß. Wohin konnte er sich noch wenden? Konnte er seiner Begleiterin weitere Strapazen zumuten? Was, wenn bereits napoleonische Geheimagenten ihm auf den Fersen waren?

      In einer Nacht-und-Nebel-Aktion verschwand das Paar aus dem Herzogtum Meiningen ins benachbarte Herzogtum Hildburghausen. Ohne behelligt zu werden erreichte die Kutsche die Residenzstadt.

      Das Paar quartierte sich vorerst im »Englischen Hof« ein, dem besten Haus des kleinen Herzogtums. Vollkommen erschöpft verbachten sie die ersten Wochen in völliger Zurückgezogenheit. Nur selten spazierten sie für kurze Zeit über den Markt, immer auf der Hut vor aufdringlichen Agenten.

      Auch Herzog Friedrich von Sachsen-Hildburghausen war vor einem halben Jahr als letzter der Thüringer Herrscher dem Rheinbund beigetreten und hatte so die eigentliche Souveränität seines Landes an die Franzosen abgegeben.

      Aber Friedrichs Gattin, Herzogin Charlotte, war eine Schwester der preußischen Königin Luise. Preußen war seit der Niederlage von Jena und Auerstedt keine wirkliche Schutzmacht mehr, aber der Herzog versicherte sich mittels seiner Gattin des Wohlwollens des preußischen Hofes und gewährte in einem Akt ungewöhnlicher Courage dem geheimnisvollen Paar in seinem Land ein unbefristetes Aufenthaltsrecht.

      Nach einem halben Jahr zog das geheimnisvolle Paar ins herzogliche Gästehaus am Markt um. Der Aufenthalt im »Englischen Hof« erschien dem Grafen zu riskant. Zu viele Gäste verkehrten in dem Hotel und es war schwierig, unerkannt zu bleiben.

      Aber auch das Gästehaus bot dem besorgten Grafen zu wenig Schutz. Ein Feueralarm trug dazu bei, dass sich das Paar nicht mehr sicher fühlte. Später stellte sich zwar heraus, dass es sich um einen falschen Alarm gehandelt hatte, aber der Graf bestand darauf, so schnell wie möglich das Gästehaus zu verlassen.

      Über einen Mittelsmann mietete der Graf das Radefeldsche Haus in der Hildburghäuser Neustadt an. Hier fühlte sich das Paar endlich sicher.

      Innerhalb weniger Monate verwandelte der Graf sein neues Domizil in eine kleine Festung. Kein Mensch hatte Zutritt. Außer seinem getreuen Diener, der gleichzeitig auch als Kutscher und Vertrauensmann für ihn unerlässlich war, gab es noch eine Köchin und eine Botengängerin, die sich um Einkäufe und die Post kümmerten.

      Seine Begleiterin, die in Hildburghausen nur die Gräfin genannt wurde, bekam niemand zu Gesicht. Man munkelte, dass sie krank sei. Einige Eingeweihte wollten sie am Fenster gesehen haben, mit einem Schal, so dass es unmöglich war, ihr Gesicht zu sehen. Auf alle Fälle war das geheimnisvolle Paar Stadtgespräch. Dem Grafen war dies nicht verborgen geblieben.

      Er drängte darauf, ein Domizil, weitab der Residenz zu erwerben. Über einen herzoglichen Mittelsmann erwarb der Graf im fünf Meilen von Hildburghausen entfernten Dorfe Eishausen ein kleines Schloss. Das Eishausener Anwesen gehörte zum Besitz des Herzogs und war für den Grafen ein ideales Versteck.

      Kostspieliges Mobiliar wurde auf Anweisung des Grafen herbeigeschafft, auch auf die Garderobe legte das geheimnisvolle Paar großen Wert. Stets war der Graf elegant gekleidet. Selbst der Diener fiel mit seiner silberbesetzten Livree auf. Die unsichtbare Mitbewohnerin verfügte über einen erstaunlichen Kleidervorrat, allesamt feinste Pariser Mode.

      Jeden Tag pünktlich um zehn Uhr fuhr der silberbetresste Diener die Kutsche vor, die von zwei pechschwarzen Rappen gezogen wurde. Die Kutsche selbst war ebenfalls in einem dunklen Braunton gestrichen, die Fenster mit kleinen Tüllgardinen verhangen, so dass es unmöglich war, einen Blick ins Innere zu werfen.

      Der Graf begleitete seine Dame, öffnete ihr die Tür, half ihr beim Einsteigen, sorgsam darauf achtend, dass der Schal nicht verrutschte, der das Antlitz der Dame verhüllte. Endlich stieg er selber zu und gab dem Diener Befehl loszufahren. Der Weg war immer derselbe. Man fuhr Richtung Rodach, einem kleinen Ort unmittelbar an der Grenze des Herzogtums Hildburghausen zum Herzogtum Coburg. Rodach war bereits coburgisch. Kurz vor Erreichen der Stadtgrenze ließ der Graf jedoch stets wenden.

      Dann ging es wieder zurück zum Schloss Eishausen, das seine schlichte Profanität gegen einen geheimnisvollen Nimbus eingetauscht hatte. Die Leute sprachen auch vom verzauberten Schloss und nannten dessen Bewohner aufgrund ihrer Zurückgezogenheit den Dunkelgrafen und die Dunkelgräfin.

      Das namenlose Paar stachelte die Neugier der Leute an. Die Postbotin wurde angehalten, einen Blick auf die Briefadressen zu werfen, um so zu erfahren, wer in dem geheimnisvollen Schloss lebe. Die meisten Briefe waren an einen Baron Vavel de Verzay gerichtet. Die Absender kamen aus allen Teilen Europas, aus Frankreich, Holland, der Schweiz, Kurland, Livland, Dänemark, den diversen deutschen Fürstentümern und sogar aus England.

      Ob der Name Vavel de Verzay, mit dem keiner etwas anfangen konnte, nun der wirkliche Name des seltsamen Grafen war oder nur ein Deckname, um so von der wahren Identität abzulenken, war beim besten Willen nicht zu eruieren. Selbst Nachfragen bei Hofe in Hildburghausen erbrachten keine Ergebnisse. Herzog Friedrich hatte das Incognito seines geheimnisvollen Gastes akzeptiert und verwies darauf.

      Am Nachmittag widmete sich der Graf der Lektüre der neuesten Zeitungen, schrieb zahlreiche Briefe, ja, er schien mit der ganzen Welt zu korrespondieren. Pünktlich um Vier Uhr kredenzte der Diener den Nachmittagstee. Die Gräfin erschien dann in einem ihrer schönsten Kleider, nahm dem Grafen gegenüber Platz und unterhielt sich mit ihm über die neuesten Entwicklungen.

      Sie war sehr interessiert am Weltgeschehen, lauschte dem Grafen,