Die Masse der Teilchen entscheidet somit, ob die Stoffumwandlung mit den Gesetzen der Mechanik oder den Gesetzen der Thermodynamik zu berechnen ist.
Das Beispiel der Rauchgasreinigung nach Kohlekraftwerken verdeutlicht Ihnen diese Zusammenhänge (Abbildung 1.5). Das durch Verbrennung erzeugte Rauchgas besteht hauptsächlich aus Stickstoff (N2), das mit der Verbrennungsluft zugeführt wird, aber nicht an der Verbrennungsreaktion teilnimmt. Der andere Hauptbestandteil des Rauchgases ist Kohlenstoffdioxid (CO2), das durch die Oxidation des Kohlenstoffs der Kohle entsteht. Kohlenstoffdioxid ist zwar ein Treibhausgas, es sind hierfür aber keine konkreten Grenzwerte festgelegt. Neben diesen beiden Hauptkomponenten enthält das Rauchgas als für die Umwelt ungefährliche Komponenten Sauerstoff (O2), der als Überschuss der Verbrennung zugeführt wird, sowie Wasserdampf (H2O), der aus der Reaktion des Sauerstoffs mit dem in der Kohle enthaltenen Wasserstoff entsteht. Als umweltschädliche Stoffe, für die in der Gesetzgebung Grenzwerte festgelegt sind, entstehen bei der Verbrennung der Kohle die Gase Stickstoffoxid (NOx) und Schwefeldioxid (SO2) sowie Asche als Feststoff. Diese Stoffe müssen aus dem Gasstrom entfernt werden.Nach dem Dampferzeuger strömt das Rauchgas der Rauchgasreinigung zu. Hier werden die umweltschädlichen Stoffe abgeschieden oder in ungefährliche umgewandelt. Zuerst wird in der Entstickung das NOx (NOx ist die Summenformel für die beiden Stickstoffoxide NO und NO2) in einer katalytisch-chemischen Reaktion zu elementarem Stickstoff reduziert:
(1.1)
Das umweltschädliche Stickstoffdioxid (NO2) wird mittels Ammoniak (NH3) zu den ungefährlichen und in der Atmosphäre natürlich vorkommenden Stoffen Stickstoff (N2) und Wasserdampf (H2O) umgewandelt.
In der Entstaubung werden die Aschepartikel abgeschieden. Hierbei handelt es sich um ein typisches mechanisches Trennverfahren. Die Feststoffphase wird von der Gasphase getrennt. Eine hundertprozentige Ascheabscheidung vorausgesetzt, besteht das Rauchgas jetzt nur noch aus einer gasförmigen Mischphase. In der letzten Unit Operation werden die Schwefeldioxidmoleküle aus dem Gasstrom abgeschieden. Die Trennung des SO2 vom Restgasgemisch findet innerhalb einer Phase und somit im molekularen Bereich statt. Dies ist ein typisches thermisches Trennverfahren (Absorption). Das gereinigte Rauchgas verlässt das Kraftwerk danach gereinigt über den Kamin.
Abbildung 1.5 Thermische und mechanische Trennverfahren am Beispiel der Rauchgasreinigung
Geschichte der Verfahrenstechnik
Keine Sorge, Sie werden hier nicht tief in die Geschichte eindringen, werden keine Historiker oder Ähnliches. Der Autor hat sich auch nur bedingt für Geschichte interessiert, das einzige, was er aus dem Geschichtsunterricht mitgenommen hat, ist »333 bei Issos Keilerei«, das erste direkte Aufeinandertreffen der Kriegsherren Alexander der Große auf makedonischer und Dareios III. auf persischer Seite. Etwas Geschichte kann aber nicht schaden. Sie werden sehen, wo die Verfahrenstechnik ihre Wurzeln hat und wie sie sich in den letzten Jahrzehnten zu einer bedeutenden Wissenschaft entwickelt hat.
Am Anfang war … das Feuer
Die Entdeckung und Nutzung des Feuers stellen quasi den Beginn des verfahrenstechnischen Zeitalters dar. Der Mensch konnte jetzt durch ein einfaches Verfahren Naturstoffe in ihm genehme Formen umwandeln. So konnten zum Beispiel durch Räuchern Lebensmittel haltbar gemacht werden. Bezog sich der Einsatz zuerst auf die Nahrung, wurde schon bald auch Ton zu stabilen Gefäßen geformt. Sie merken: all dies ist Stoffumwandlung. Aus Ausgangsstoffen werden höherwertige Endprodukte hergestellt. Ton und Wasser werden gemischt und dann getrocknet und gebrannt. In der Bronzezeit (etwa 6000 v. Chr.) wurden durch das Rösten von Erzen reine Metalle gewonnen, die zu Schmuck, vornehmlich aber zu Waffen geformt wurden. Dieser Vorgang zieht sich durch die menschliche Geschichte: es war wichtig, einen Vorsprung in der Waffentechnologie zu haben, um den Feinden überlegen zu sein. Schon früh stellte der Mensch fest, dass ein Hieb mit dem Schwert beim Feind größere Wirkung erzielte als der Schlag mit der Holzkeule.
Früh übt sich: Destillation
Neben Waffen und Schmuck spielte auch der Alkohol im Laufe der Jahrhunderte eine große Rolle. Der biologische Gärprozess wurde bereits von den Babyloniern genutzt. So konnten sie Fruchtsaft in alkoholische Getränke umwandeln, die Stimmung stieg sofort. Aber auch Milch konnte zu Joghurt und Käse veredelt werden.
Vermutlich entdeckte der Mensch dies alles eher zufällig, so ist es kein Wunder, dass die Grundzüge der technischen Verfahrenstechnik, obwohl das damals noch niemand so nannte, die Erzeugung von Alkohol (siehe Abbildung 1.6), Arzneimitteln, Parfüm und Metallen waren. Auch die Grundlagen der Filtration waren schon in der Antike bekannt. Wein und andere Getränke wurden geklärt und damit der Trinkgenuss noch erhöht.
Abbildung 1.6 Weinklärung in der Antike
Im vierten Jahrhundert v. Chr. schlug Aristoteles die Möglichkeit der Destillation vor. Er schrieb: »Durch die Destillation können wir das Meerwasser trinkbar machen und der Wein genauso wie andere Flüssigkeiten können diesem gleichen Prozess ausgesetzt werden«. Gar nicht dumm, zuerst kam das Trinkwasser, dann der Alkohol. Die Destillation ist ein alter Prozess, der bis in das Jahr 2000 v. Chr. zurückgeht. Die ersten Destillationen werden China, Ägypten und Mesopotamien zugeschrieben, vor allem zu medizinischen Zwecken, aber auch mit dem Ziel Essenzen und Parfüms herzustellen.
Selbstverständlich diente die Destillation auch zur Erzeugung hochprozentiger Getränke, um die Stimmung der Adligen, teils auch der gemeinen Bevölkerung, zu heben. Schon im Jahr 800 v. Chr. haben die Chinesen ein »hochgeistiges« Getränk aus Reis destilliert. Anfangs wurde solcher Alkohol für medizinische Zwecke verwendet, um die Lebenserwartung zu verlängern (das sogenannte »Heilwasser« oder »Elixier des Lebens«). Nun, für viele ist der Alkohol auch heute noch ein Elixier des Lebens, obwohl sorgfältig damit umgegangen werden sollte. Die ersten alkoholischen, destillierten Getränke wurden aus Trauben und Honig hergestellt. Abbildung 1.7 zeigt den Aufbau eines sehr alten Destillierkolbens.
Abbildung 1.7 Aufbau einer ursprünglichen Destilliervorrichtung
Die Erfindung der Alkoholdestillation wird dem arabischen Gelehrten Abu Musa Dschabir ibn Hayyan (circa 800 n. Chr.) zugeschrieben. Dschabir nahm einen runden Topf mit einem hohen Ausgießrohr, einem Teekessel nicht unähnlich. Unter das Ausgießrohr stellte er ein Gefäß und sammelte den sich kondensierenden Dampf. Da Dschabir ein Weingenießer war, füllte er Wein in den Kessel und fragte sich, was wohl passieren würde. Sie wissen heute, was geschah, der gute Dschabir hatte die Alkoholdestillation