Abbildung 1.1 Herstellung von Endprodukten
Stoffe werden umgewandelt
Um hochwertige Endprodukte zu erzeugen, müssen Ausgangsstoffe umgewandelt, verändert werden. Nun wandeln sich Stoffe leider nicht von allein um, sie müssen gewissermaßen gezwungen werden. Zur Umwandlung von Rohstoffen in verkaufsfähige Produkte müssen Sie dem System daher immer Energie zuführen.
Leider fallen bei der Stoffumwandlung teilweise Nebenprodukte wie Abwasser, Abfall oder Abluft an, die behandelt werden müssen, damit sie gefahrlos an die Umwelt abgegeben werden können. Auch dies ist Aufgabe des Verfahrenstechnikers: er hält die Umwelt sauber!
Wie können Sie eine Stoffumwandlung herbeiführen?
Die Stoffumwandlung kann erfolgen durch (siehe Abbildung 1.2)Änderung der Stoffart durch chemische und biologische Reaktionen (zum Beispiel Herstellung von Ammoniak (NH3) aus Stickstoff und Wasserstoff, biologische Umwandlung von Zucker in Alkohol durch Gärung),
Änderung der Zusammensetzung (zum Beispiel Trennung des Zuckersafts in Zucker und Wasser, Destillation von Alkohol aus einer wässrigen Lösung),
Änderung der Form und Größe (zum Beispiel Zerkleinerung von Zuckerrüben, Mahlen von Getreidekörnern zu Mehl).
Während die Änderung der Stoffart durch chemische und biologische Reaktionen hervorgerufen wird, erfolgt die Änderung der Zusammensetzung beziehungsweise der Form und Größe durch physikalische Verfahren. Diese können Sie in thermische (siehe Teil III) und mechanische Prozesse (siehe Teil IV) unterteilen (Abbildung 1.2).
Abbildung 1.2 Einteilung der Stoffumwandlungsverfahren
Bei mechanischen Prozessen erfolgt, das haben Sie sicher vermutet, die Stoffumwandlung durch den Eintrag von mechanischer Energie, zum Beispiel bei derZerkleinerung von Zuckerrüben in Schnitzel durch mechanisch arbeitende Messer oder der
Zerkleinerung von Getreide in Mehl durch Mühlen.
Bei den thermischen Prozessen ist das nicht ganz so anschaulich, da die Stoffumwandlung im molekularen Bereich stattfindet. Einem Stoffgemisch muss Energie in Form von Wärme oder Kälte zu- oder abgeführt werden, damit es zu einer Stoffänderung kommt.
Beispiele sind hier die
Trocknung eines feuchten Guts oder die
Alkoholdestillation, wo durch Erhitzen der alkoholhaltigen Lösung der Alkohol mit der geringeren Siedetemperatur (78 °C) vor dem Wasser mit einer Siedetemperatur von 100 °C verdampft. Dadurch wird Alkohol von Wasser getrennt.
Sind Stoffumwandlungsprozesse eigentlich kompliziert?
Bevor die eigentliche Stoffumwandlung stattfinden kann, sind häufig vor- und nachbereitende Maßnahmen erforderlich, was die Komplexität des Verfahrens leider erhöht. In Abbildung 1.3 können Sie die typische Abfolge eines Stoffumwandlungsprozesses erkennen. Bevor der Hauptschritt der Stoffumwandlung durchgeführt werden kann, muss der Rohstoff vorbereitet werden. Durch die folgende Stoffumwandlung wird das neue Produkt erzeugt. Dieses verfügt häufig nicht über die gewünschte Reinheit. Um ein verkaufsfähiges Produkt zu realisieren, ist eine Aufbereitung erforderlich.
Abbildung 1.3 Verfahrenskette der Stoffumwandlung
Schauen Sie sich als Beispiel die Zuckerherstellung an. Die Zuckerrüben müssen in der Vorbereitung gewaschen und zu Schnitzeln kleingeschnitten werden. In der physikalischen Stoffumwandlung wird in einem Extraktionsturm (Extraktion und Kristallisation werden in Teil III erklärt) der Zucker mit Wasser aus den Zuckerrübenschnitzeln herausextrahiert, also herausgelöst. In der nachfolgenden Aufbereitung wird der Zucker vom Wasser getrennt (kristallisiert) und als verkaufsfähiges Produkt gewonnen.
Die Zahl der Verfahren und Prozesse, in denen Stoffe umgewandelt werden, ist sehr groß, weshalb die Verfahrenstechnik die Grundlage vieler Industriezweige bildet, wie zum Beispiel
Chemische Industrie,
Petrochemie,
Pharmazeutische Industrie,
Lebens- und Genussmittelindustrie,
Papier- und Zellstoffindustrie,
Bergbau,
Hüttenwesen,
Steine- und Erdenindustrie,
Energiewirtschaft,
Umwelttechnik,
Entsorgungsindustrie.
Jetzt werden Sie vielleicht denken: Um Himmels willen, das sind ja alles völlig unterschiedliche Verfahren. Wie soll ich das jemals verstehen, das ist ja viel zu kompliziert! Keine Sorge, die Verfahrenstechnik bietet auch hierfür Lösungen. In allen Prozessen tauchen gleiche Aufgabenstellungen auf: An verschiedenen Stellen des Prozesses muss Wärme übertragen werden, müssen Feststoffe zerkleinert oder Flüssigkeiten mit Pumpen transportiert werden. Diese universellen Verfahrensschritte werden zu Grundoperationen zusammengefasst, den Unit Operations. Jetzt müssen Sie jeden Prozess nur noch in diese Grundoperationen zerlegen, schon sind Sie fertig. Gut, die Grundoperationen müssen Sie noch berechnen und auslegen, das lernen Sie aber in den folgenden Kapiteln.
Prozesse in Unit Operations zerlegen
Um eine Stoffänderung zu erreichen und ein verkaufsfähiges Produkt zu erzeugen, können verfahrenstechnische Prozesse sehr komplex werden. Um solche Prozesse einer Berechnung zugänglich zu machen, werden ie in ihre »Bausteine« zerlegt, die Unit Operations oder Grundoperationen. Hier hat sich auch im deutschsprachigen Raum der Begriff Unit Operations durchgesetzt, den Sie auch benutzen sollten. Niemand spricht von Grundoperationen (hört sich ja auch fade an). Bei den Unit Operations laufen die physikalischen, biologischen oder chemischen Vorgänge immer nach den gleichen Grundprinzipien ab, egal welches Produkt erzeugt wird. Dadurch erfolgt die Auslegung der einzelnen Unit Operations immer nach dem gleichen Schema. Der Verfahrensingenieur macht daher nichts weiter als
einen komplexen Prozess in seine Unit Operations zu zerlegen,
die Unit Operations auszulegen (das lernen Sie in den folgenden Kapiteln) und am Ende
die Unit Operations zu der