Jimi Hendrix. Charles R Cross. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charles R Cross
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854454403
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siebzehn Jahren wegen zu schlechter Noten von der Schule abgehen musste.

      Kapitel sieben

      Spanish Castle Magic

      Seattle, Washington

      November 1960 bis Mai 1961

      „Das ‚Spanish Castle‘ war zur Zeit der Rock’n’Roll-Shows das Walhalla im Nordwesten. Wenn man es da geschafft hatte, hatte man es geschafft.“

      — DJ Pat O’Day aus Seattle

      Jimi Hendrix brauchte, anders als er es 1968 in seinem Song „Spanish Castle Magic“ schrieb, keinen „halben Tag“, um zum Spanish Castle, dem legendären Tanzclub, zu gelangen. Vom Central District aus dauerte die Autofahrt dorthin lediglich eine Stunde. Die Fahrt zu dem Club in Kent, Washington, war jedoch karriereentscheidend, denn das Castle war die wichtigste Tanzhalle im Nordwesten, und jeder Musiker aus der Gegend träumte davon, dort zu ­spielen. Hendrix besuchte den Club das erste Mal 1959, um die Fabulous Wailers zu sehen, die damals beliebteste Band im Umkreis, und er kehrte, so oft er konnte, zurück. Das Castle war 1931 zum Tanzsaal umgebaut worden und groß genug für bis zu zweitausend Gäste. Ausstaffiert mit schicken Neonlampen und einer Stuckfassade mit kleinen Türmchen, sicherte sich der Veranstaltungsort seinen Platz in der Geschichte des Nordwestens, als die Fabulous Wailers 1961 ihr Livealbum At The Castle herausbrachten. DJ Pat O’Day buchte die meisten großen Shows dort. „Das Spanish Castle war zur Zeit der Rock’n’Roll-Shows das Walhalla im Nordwesten“, sagt er. „Das war der angesagteste Laden, und jede Band aus der Gegend wollte auf dieser Bühne spielen.“

      Das erste Mal stand Jimi auf der Bühne des Castle, als die Rocking Kings dort Ende 1960 im Vorprogramm einer anderen Band spielten. Der Auftritt selbst war nicht besonders bemerkenswert, da die Band nervös war, aber Ende 1960 bekamen die Rocking Kings schon einigermaßen interessante Engagements. Sie hatten auf dem Seafair-Festival in Seattle gespielt und den zweiten Platz bei einem Amateurwettbewerb belegt, dem „All State Battle of the Bands“.

      Obwohl das Publikum im Castle größtenteils weiß war, war es ein gemischter Club, und viele der weißen Musiker aus der Gegend beschäftigten sich mit R & B und Jazzmusik. „Die Szene im Nordwesten war sehr stark von der afroamerikanischen Kultur beeinflusst“, erinnert sich Larry Coryell, der seine Karriere bei den Checkers begann, einer beliebten Gruppe aus dem Castle. „Die Musik im Nordwesten besaß Originalität, was vor allem daran lag, dass Seattle geografisch so isoliert war. Daher wurde der dreckige R & B der Wailers, der Frantics und der Kingsmen zu einem ganz eigenen Heimatsound.“

      „Louie, Louie“ wurde zum Markenzeichen der Gegend und auf beinahe jedem Konzert gespielt, egal, welche Band auftrat. Der Text mag unverständlich gewesen sein, aber der energische Beat des Songs – der von Richard Berrys beinahe calypsoartigem Original abgeleitet worden war – war entschieden tanzbar. Der „dreckige“ Sound, von dem Coryell spricht, entstand teilweise durch das Low-Fi-Equipment, das auf höchste Lautstärke aufgedreht wurde, war aber auch Ergebnis einer gewissen Experimentierfreudigkeit. „Wir haben sogar die Röhren aus den Lautsprechern rausmontiert, sie mit Handtüchern umwickelt und Zahnstocher in die Basslautsprecher gesteckt, damit ein richtig fieses Feedback entsteht“, erinnert sich Jerry Miller, der später bei Moby Grape spielte. Jimis Experimente mit Verzerrern fingen ungefähr zu dieser Zeit an, als er einmal seinen Verstärker fallen ließ und feststellte, dass die Ruckelei den Sound seiner Gitarre beeinflusste.

      Keine Band war besser darin, „schmutzig, aber cool“ zu sein, als die Fabulous Wailers aus Tacoma. Obwohl sie alle weiß waren, hatten die Wailers einen ausgefeilten eigenen, innovativen R&B-Sound geschaffen, und ihr Gitarrist Rich Dangel hatte großen Einfluss auf Jimi. Dangel erinnert sich, dass Jimi nach einem Auftritt im Castle zu ihm kam und ihm Komplimente wegen seines Gitarrenspiels gemacht habe. „Er war ein schüchterner Junge, aber er hat ganz klar versucht, mir zu schmeicheln“, sagt Dangel. „Er bot an, einzuspringen, wenn wir mal einen weiteren Gitarristen bräuchten.“ Oberflächlich betrachtet, war die Idee natürlich absurd, aber es wurde deutlich, dass der einst so schüchterne Jimi anfing, Werbung für sich selbst zu machen. Nicht viele afroamerikanische Gitarristen spielten im Castle, und Jimi wäre in diesem Zusammenhang sicherlich aufgefallen.

      Die Geschichten darüber, wie Jimi backstage im Castle herumhing, sind legendär. Pat O’Day erzählt folgende am häufigsten: „Da war so ein schwarzer Junge, der da immer rumhing. Er kam zu mir und fragte sehr höflich: ‚Mister O’Day? Wenn bei jemandem der Verstärker kaputtgeht, ich hab einen im Kofferraum meines Wagens. Das ist echt ein richtig guter. Aber wenn ihr ihn benutzt, dann will ich auch spielen dürfen.‘“

      Damals explodierten bei Verstärkern häufig die Röhren. Jimis Vorschlag kam einer kleinen Erpressung gleich: Wenn ihr meinen Verstärker haben wollt, dann müsst ihr mich dazunehmen. Wenn an der Geschichte etwas Wahres dran ist – O’Day buchte später Konzerte für die Jimi Hendrix Experience, und er und Jimi schwelgten oft in nostalgischen Erinnerungen an das Spanish Castle –, so ist diese mit Sicherheit stark übertrieben, da Jimi keinen Wagen besaß und sein einziger Verstärker sein Silvertone war, den kein Musiker als „echt gut“ bezeichnet hätte. Sein Freund Sammy Drain erinnert sich, dass einer der Jungs aus der Nachbarschaft einen steinalten Mercury hatte, mit dem sie manchmal zum Castle fuhren. „Als Jimi diese Zeile von wegen ‚half a day away‘ – einen halben Tag entfernt – schrieb, meinte er die Fahrten, bei denen das Auto liegen blieb, denn manchmal dauerte es tatsächlich einen halben Tag, um dorthin zu kommen“, sagt Drain.

      Unzuverlässige Autos gehörten zum beunruhigenden Teil der Erfahrungen, die er mit den Rocking Kings machte. So hatten sie zum Beispiel kurz vor der kanadischen Grenze eine Autopanne, die sie wegen eines gut bezahlten Auftritts in Vancouver überqueren mussten. Schließlich gaben sie spontan ein Konzert in Bellingham, Washington, bis die örtliche Polizei die Vorstellung been­dete. Trotz ihrer Anstrengungen kehrte die Band mit nicht mehr als dem Geld für den Bus nach Seattle zurück. Die ursprüngliche Gruppe löste sich nach dieser katastrophalen Beinahetournee auf, obwohl der Manager James Thomas die Band erneut gründete und Jimi dabei eine wichtigere Rolle zuwies, indem er ihn im Hintergrund singen ließ. Jimi hatte bis zu diesem Zeitpunkt kaum gesungen und behauptete, seine Stimme sei zu schwach. Thomas gab der Band den neuen Namen Thomas and The Tomcats und übernahm selbst die Auf­gaben eines Frontmanns. In dieser Zusammensetzung bekam die Band ein paar Engage­ments in Städten auf dem Land, weit außerhalb von Seattle, wobei auch diese Auftritte wieder von Problemen mit dem Wagen gefährdet wurden. Bei einem Konzert im Osten Washingtons verdiente die Band fünfunddreißig Dollar, was für Jimi einen Anteil von sechs Dollar für ein Wochenende Arbeit bedeutete. Doch das ländliche Publikum liebte die Band, besonders Jimis Solo bei „Come On“ von den Earl Kings, das inzwischen Höhepunkt der Show der Tomcats war. Auf der Heimfahrt war die Band ausgelassener Stimmung, bis sie östlich von Seattle in einen Schneeschauer geriet. „Es war ungefähr vier Uhr morgens“, erinnert sich Lester Exkano, „und wir saßen im Neunundvierziger-Studebaker von James Thomas. Alle waren müde, also fuhren wir seitlich ran und schliefen ein bisschen, in der Hoffnung, es würde zu schneien aufhören. Als sie zwei Stunden später aufwachten, hatte sich der Schneeschauer in einen ausgewachsenen Schneesturm verwandelt, und sie fürchteten zu erfrieren, wenn sie nicht weiterführen. Exkano saß am Steuer, als der Wagen von der Straße abkam, in einen Graben rutschte und sich überschlug. Niemand wurde verletzt, aber die jungen Männer hatten einen Riesenschreck bekommen.

      Bei Jimi jedoch saß der Schreck noch tiefer. Er verkündete, er habe die Nase voll davon, mitten in der Nacht in abgewrackten Autos herumzufahren. „Ich hab genug von der ganzen Scheiße“, erklärte er seinen verblüfften Bandkollegen. Und damit legte er sich in den Schnee und ruderte mit Armen und Beinen. Die anderen trotteten die Straße hinauf, auf der Suche nach einem Abschleppwagen. Als sie eine Stunde später wiederkamen, lag Jimi noch immer im Schnee, hatte den Mantel über den Kopf gezogen und schien leblos. „Wir haben im Ernst gedacht, er sei erfroren“, erinnert sich Exkano. Als Lester prüfen wollte, ob Jimi noch Lebenszeichen von sich gab, sprang dieser auf und schrie: „Reingelegt! So leicht bringt ihr mich nicht um!“

      * * *

      Die meisten von Jimis Freunden machten im Frühjahr 1961