Peter Grant - Ein Leben für Led Zeppelin. Mark Blake. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mark Blake
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854456728
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vor, dass sich Vincent gegen seinen Aufpasser wandte – und vice versa. Eines Nachts steuerte Gene Peters Wagen über einen Kinoparkplatz und versuchte, ihn zu überfahren. In Italien, so behauptete Don Arden, seien die beiden aneinandergeraten, woraufhin Peter versehentlich auf Genes Bein landete, was sein bereits versehrtes Bein weiter in Mitleidenschaft zog. „Das hätte Gene fast das Leben gekostet“, so Arden. „Er wurde bis zur Hüfte eingegipst und musste nach London zurückgeflogen werden.“

      Für Grant gehörten all diese Vorfälle zu einer lebenswichtigen Erfahrung. „Wenn ich nicht mit Gene Vincent und den anderen auf Tour gewesen wäre, hätte ich wohl nicht gewusst, wie ich mit den Ereignissen der letzten vier oder fünf Jahre hätte umgehen sollen“, erzählte er dem Melody Maker, als Led Zeppelin in voller Blüte standen.

      Grant verdankte Vincent auch sein erstes demoliertes Hotelzimmer. Dieses befand sich im Cumberland am Londoner Denkmal Marble Arch und war noch nicht einmal Vincents eigenes Zimmer, sondern das seines Co-Stars Eddie Cochran. Nach einem Anruf des besorgten Hotelmanagers traf Grant ein und fand die ausgehängte Zimmertür im Flur. Nachdem sich Eddie geweigert hatte, Gene Vincent einzulassen, hatte der die Tür aus den Angeln gerissen. „In meinen Augen waren das verdammte Irre“, sagte Grant. „Ich begab mich also zum Manager und handelte eine Lösung mit ihm aus. Später erklärte ich den beiden, dass wir uns in England nicht so aufführten. Es ging bei der Sache um ein Mädchen.“

      Die Arbeit mit Vincent offenbarte Grant außerdem Ardens heißgeliebtes Konzept rund um die „Macht der Angst“. „Peter gab vor, eine Pistole bei sich tragen“, erzählt Ed Bicknell. „Gene Vincent und all diese Acts hatten das Problem, dass sich die Jungs im Publikum darüber ärgerten, welchen Effekt sie auf ihre Freundinnen hatten. Peter erzählte, dass sie mitunter von Typen angemacht wurden, also versuchte er sie einzuschüchtern, indem er auf seine Jackentasche klopfte und vortäuschte, bewaffnet zu sein. Das funktionierte jedes Mal.“

      Grant behauptete hingegen, tatsächlich gelegentlich eine Pistole getragen zu haben, da Vincent darauf bestanden hätte. Vor einem Gig in Rotherham Baths fand sich Grant in seinem 57er Chevy von „einer Gruppe ortsansässiger Rabauken“ umzingelt, die den Popstar in die Mangel nehmen wollten. „Ich sagte ihnen, dass sie mir scheißegal wären, öffnete meine Jacke und zeigte ihnen das Holster. Da suchten sie schnell das Weite.“

      So manchem, der sich an Grant aus diesen Tagen erinnert, fällt es schwer, diesen Mann von damals mit dem furchteinflößenden Manager von Led Zeppelin in Einklang zu bringen. Der spätere „Peter Grant“ befand sich noch in Arbeit.

      Im Sommer 1963 tourte die britische Instrumental-Gruppe The Outlaws als Begleitband von Gene Vincent und Jerry Lee Lewis durch Großbritannien und Deutschland. Grant war als Tourmanager mit an Bord. Die Outlaws bestanden aus Chas Hodges (später beim Pub-Rock-Duo Chas ’n’ Dave), dem zukünftigen Deep-Purple-Gitarristen Ritchie Blackmore sowie dem Drummer Mick Underwood, der später auch mit Ian Gillan von Deep Purple spielen sollte. Grant schlüpfte umgehend in die Rolle als Boss, älterer Bruder und Mitverschwörer.

      „Peter war zum Schießen“, sagt Mick Underwood heute. „Man wusste, dass man ihn besser nicht verarschte, aber manchmal machte ihm der ganze Irrsinn ebenso viel Spaß wie uns.“ Die Band fand rasch heraus, dass Grant die meisten Leute mit Spitznamen bedachte. „Peter nannte Gene Vincent ‚Finger‘, aber ich habe keine Ahnung weshalb“, so Underwood. Auch gehörten Cockney-Reime zu seiner Spezialität. Als einer aus der Reisegesellschaft sich in ihrem Hamburger Hotel mit einem Mädchen unterhalten wollte, warf ihm Grant einen fragenden Blick zu: „Aber hoffentlich nicht die mit den haarigen Schotten?“ Die Schotten leiteten sich von „scotch eggs“ – schottischen Eiern – ab, die im Cockney-Reim-Slang für „legs“, also Beine, standen.

      „Ich wurde Zeuge, wie Peter schon mal ausfällig wurde“, räumt Underwood ein. „Aber das spielte sich auf rein verbaler Ebene ab. Er mochte Gene Vincent, behandelte ihn aber so, wie er das tun musste. Man konnte Gene seine Faxen nicht durchgehen lassen. Das war gefährlich. Aber Peter war achtsam, was Don Arden betraf. Eine seiner Redensarten lautete: ‚Don wird die verdammte Wand hochgehen.‘ Das bekamen wir oft zu hören, wenn etwas nicht nach Plan lief.“

      Allerdings kam es auch schon mal vor, dass Grant selbst der Schalk im Nacken saß. Bei einem Auftritt in einem tristen Gemeindesaal entdeckten die Outlaws, dass nach ihnen die kugelrunde Pub-Pianistin Mrs. Mills auftrat. Als Grant die Gage eintreiben wollte, passierte er ihre leere Garderobe und erspähte im Vorbeigehen ein Outfit auf einem Kleiderbügel. Wenige Minuten später erschien er wieder in der Garderobe der Outlaws – in Mills’ Kleid gehüllt! Über seinem großen Hinterteil und an den Armen spannte der feine Zwirn ein wenig. Die Gruppe brach in schallendes Gelächter aus, während Grant sie mit ernster Miene ansprach: „Was haltet ihr davon, Jungs?“

      Im Juli 1963 brachte Gloria ihre Tochter Helen zur Welt. „Ich weiß nicht, ob ich geplant war oder nicht“, sagt sie. „Mum wollte Sängerin sein und sich im Musikbusiness bewegen – und ich setzte diesen Plänen ein Ende. Mum war sehr ambitioniert und ich glaube, dass sie sich ziemlich dagegen gesträubt hat, alles aufzugeben.“

      Peters Reisepass von 1963 dokumentiert seine zahllosen Trips kreuz und quer über das europäische Festland. „Meine Mum war noch jung und wollte ihre Freunde und ihre Familie im Norden in Hull besuchen. Also verbrachte ich viel Zeit mit meiner Großmutter in der Norhyrst Avenue. In einem ihrer Tagebücher las ich: ‚Die arme kleine Helen ist bei mir geblieben … Gloria ist wieder einmal fort.‘ So sah ihr Leben aus.“

      Grant erzählte Malcolm McLaren, dass er glaubte, Gloria hätte ihm seinen Erfolg geneidet. Später besorgte er seiner Frau einen Job als Background-Sängerin von Duane Eddy bei Auftritten in Großbritannien. Als Arden ihn einmal zum Glasgower Flughafen entsandte, um die amerikanische Gesangsgruppe The Shirelles abzuholen, „weil sie keine Arbeitsgenehmigung hatten“, gerieten Gloria und er in Streit. „Sie machte einen Aufstand, als ich aufbrach“, erzählte er McLaren. „Sie konnte nicht damit umgehen. Dass die Shirelles drei umwerfend aussehende Mädels waren, half dabei nicht wirklich weiter.“

      „Mum ließ sich keinen Bullshit gefallen und war außerdem eine ziemlich eifersüchtige Person“, erklärt Helen. „Zurecht bei dem Geschäft. Da wäre ich vermutlich nicht anders.“

      Mick Underwood erinnert sich, dass sich Peter kurz nach der Geburt seiner Tochter von der Tour verabschiedete. Grant bat ihn, sich in seiner Abwesenheit um Gene zu kümmern. Die Outlaws waren zwar Fans, doch ihre Zeit als Begleitband von Vincent stellte ihre Bewunderung ernsthaft auf die Probe. „Gene war schon ziemlich anstrengend, das erfuhr ich am eigenen Leib“, sagt Underwood. „Als Peter mich um Hilfe bat, fragte ich mich, warum er nicht jemand anderen damit beauftragen konnte. Ich war schließlich der Jüngste, weshalb Granty sich vermutlich dachte, dass er mir nichts zusätzlich zu zahlen bräuchte.“

      Vincent und die Band sollten am Wochenende in Belfast auftreten. Grant vertraute Underwood das Reiseticket des Stars an und wies ihn strikt an, ihm das bloß nicht auszuhändigen. Als sie in Nordirland eintrafen, zeigte sich Gene von seiner übelgelaunten Seite. Er hatte sich gerade erst im Krankenhaus untersuchen lassen und die Sache war nicht wirklich gut verlaufen. „Keiner von uns wusste, was mit seinem Bein los war“, gesteht Underwood. „Er trug einen Gips, an dem am unteren Ende ein Lederblock angebracht war, in der Art eines Schuhs mit zusätzlichem Absatz.“ Dieses Lederteil war aber zu groß und verstärkte Genes Hinken noch. „Er sagte immer wieder, dass es zu hoch wäre, und fragte, ob man nicht etwas davon abschneiden könnte“, berichtet Underwood. „Das erwies sich als Schwerarbeit.“

      Es waren bereits einige Minuten vergangen und Underwood war noch nicht einmal halb durch den Absatz, als ein anderer für diesen Abend engagierter Act, der Sänger und Komiker Kenny Lynch, in die Garderobe spazierte: „Ich fragte ihn, ob er uns nicht mal schnell helfen könnte. Und Kenny, Gott schütze ihn, nahm von hieran die Sache in die Hand.“

      Nach der Show humpelte Vincent auf Underwood zu und forderte, wovor sich dieser schon gefürchtet hatte: „Er sagte, dass er sein Ticket haben wolle.“ Am nächsten Abend stand ihnen eigentlich noch ein Gig bevor, doch Gene hatte entschieden, dass er abreisen wollte. Underwood versuchte, ihm ins Gewissen zu reden, doch letztlich