Please Kill Me. Gillian McCain. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gillian McCain
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854454236
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kein Talent entdecken.

      Sterling Morrison: Mit Nico gab es von Anfang an nur Scherereien, weil es nur soundso viele Songs gab, die zu ihr passten, und sie wollte sie alle singen – „I’m Waiting For The Man,“ „Heroin“, einfach alles. Und dann fing sie an, innerhalb der Band unterschwellig sexuell aktiv zu werden. Wer immer einen auch nur kleinen Einfluss auf den Gang der Ereignisse hatte, dem heftete sich Nico an die Fersen. Sie trieb es zuerst mit Lou und dann mit Cale, aber keine dieser Affären dauerte sehr lange.

      Ronnie Cutrone: Nico war einfach zu sonderbar, als dass man mit ihr eine län­gere Beziehung hätte haben können. Sie war keine von den Frauen, mit der man zusammenlebt oder die man liebt oder mit der man spielt oder mit der man seine Zeit verbringt. Nico war wirklich sonderbar. Sie war einerseits sehr unter­kühlt und reserviert, aber andererseits so unsicher, dass es lästig war.

      Nico war total uncool, weil sie nie aus dem Haus gehen konnte, ohne vor­her hundertmal in den Spiegel zu schauen: „Ronnie, wie sieht das aus?“ Und dann machte sie ein paar kleine Tanzschritte, und ich sagte ihr nur:„Verdammt noch mal, Nico, geh doch einfach tanzen.“ Sie war zwar eine Eisprinzessin, aber trotzdem hinreißend, eine richtige Killerblondine. Aber Nico war wirklich eine verdammt merkwürdige Nummer, anders kann man es nicht bezeichnen. Schön, aber äußerst merkwürdig. Zu Nico konnte man einfach keine Beziehung haben. Und Lou ging Nicos Gegenwart enorm gegen den Strich, denn Lou wollte derjenige sein, der Velvet Underground verkörpert, und er wollte Rock ’n’ Roll machen. Lou hatte dieses Auf­Kunst­Machen gründlich satt. Er wollte den unverfälschten Rock ’n’ Roll. Genug war genug.

      Die Velvets wurden nicht im Radio gespielt. Es gab keine großen Schall­plattenverträge. Aber das war nicht Andys Schuld, wenn man bedenkt, wovon die Songs handeln, nämlich von Heroin und von Matrosen, die tot am Boden liegen. Ich meine, es lag doch auf der Hand, dass „Venus In Furs“ nicht im Radio gespielt wurde!

      Nico: Velvet Underground setzten sich aus lauter Egomanen zusammen. Jeder wollte ein Star sein. Ich meine, Lou wollte immer der Star sein – was er ja natür­lich auch immer war. Aber die Zeitungsfritzen kamen die ganze Zeit immer nur zu mir. Ich wollte immer „I’m Waiting For The Man“ singen, aber Lou ließ mich nicht. Lou war der Boss und ließ das immer raushängen. Habt ihr Lou mal ken­nen gelernt? Was haltet ihr von ihm – ist er sarkastisch? Das liegt nur daran, dass er ständig diese Pillen frisst – an diesem Pillencocktail, den er immer frisst … Er ist schnell, ungeheuer schnell. Ich hingegen bin sehr langsam.

      Ronnie Cutrone: Man darf vor allem nicht vergessen, dass wir neun Tage die Woche auf Methedrin waren. Und ich selbst weiß bis heute nicht, wie es wirk­lich war, denn wenn du neun Tage am Stück auf den Beinen bist, kann einfach alles passieren, dann wird die Paranoia so massiv, dass du sie mit der Axt spal­ten kannst. Und so staute sich die ganze Wut über Monate, vielleicht sogar über Jahre. Ich werde nie den Abend vergessen, an dem wir schlechtes Speed erwischt haben. Wir sind dann allerdings trotzdem aufgetreten und haben später her­ausgefunden, dass jeder vom anderen dachte, er wollte einem eins auswischen. Während „Venus In Furs“ habe ich meine Peitsche normalerweise immer auf den Boden geschmissen, und Mary hat sich ihr dann mit Tanzbewegungen genähert, aber an diesem Abend, als ich meine Peitsche auf den Boden geschmis­sen habe, ist Mary draufgetreten, und ich konnte sie nicht unter ihren Füßen wegziehen. Gerard machte genau dasselbe, und jeder dachte, dass der andere einem eins auswischen wollte.

      Das war nicht untypisch. Es hieß häufig: „Ich weiß, dass der und der hin­ter meinem Rücken schlecht über mich redet.“ Oder: „Er versucht dies und das.“ Oder: „Er versucht ständig, mir eins auszuwischen.“

      Jeder buhlte um Andys Aufmerksamkeit. Es herrschte ständig dieses sub­lime und manchmal eben nicht sehr sublime Klima von Rivalität und schwe­rer, wirklich sehr schwerer Paranoia. Ich meine, wir waren neun Tage nonstop auf den Beinen, das Nervenkostüm wurde immer dünner, alles im Zimmer bewegte sich, man stieg durch nichts mehr durch, und eine beiläufige Bemer­kung bekam plötzlich eine irrsinnig tiefe Bedeutung und wurde so wichtig wie der Kosmos. Das macht einen natürlich ganz schön fertig.

      Danny Fields: Ich habe Lou und John immer wieder gepredigt: „Ihr wisst ganz genau, dass ihr für so was viel zu schade seid. Wieso versucht ihr es nicht als Band?“ Ich dachte dabei an die visuellen Effekte von Exploding Plastic Inevitable und fand sie richtig bescheuert und völlig daneben. Barbara Rubins Diapro­jektionen fand ich ebenfalls blöd und total daneben. The Exploding Plastic Ine­vitable war die reinste Kindergartenscheiße und hatte auch nicht ansatzweise die Aussagefähigkeit der Musik. An der Musik war wirklich überhaupt nichts auszusetzen. Wäre die Lightshow ebenso gut gewesen wie die Musik, ja dann vielleicht, aber das war sie nun mal nicht – Lichtpunkte und Filme, ich meine, was soll das? Deshalb dachte ich, dass die Velvets sich besser als Band machen würden, aber ich vermute, dass sie sich unter Andys Fittichen sicher gefühlt haben, weil ihnen das Möglichkeiten eröffnete, die sie sonst vielleicht nicht gehabt hätten. Als ich Lou und John sagte, dass ich sie bei weitem besser fände als dieses Exploding Plastic Inevitable, haben sie geantwortet:„Aber Andy behan­delt uns immer anständig. Wieso sollten wir ihn im Stich lassen?“

      John Cale: Andy war ein prima Katalysator. Egal, mit wem er zusammen­arbeitete, er nahm sich ihrer an und rückte jeden ins rechte Licht. Es wurde allerdings mühsam, als er begann, das Interesse an unserem Projekt zu verlie­ren. Wir tourten durch die ganzen USA, aber Andy hatte plötzlich das Interesse verloren, und innerhalb der Band machten sich unerträgliche Spannungen breit. Vor allem, weil es schon an Manie grenzte, wenn man mit siebzehn Leu­ten und einer Lightshow und allem auf Tournee geht und dann noch nicht ein­mal genug Geld damit verdient. Der einzige Grund, weshalb wir genug Geld bekamen, war der, dass Andy dabei war.

      Paul Morrissey: Lou hatte sich eigentlich schon von der Band gelöst, noch bevor das Album Velvet Underground and Nico erschienen war, und verkündete, er wolle aus dem Vertrag aussteigen, weil er sich professionellere Manager suchen wollte. Professionellere Manager? Hätte ich nicht interveniert, wären sie zurück nach Queens gegangen und in der Versenkung verschwunden.

      Lou Reed: Andy war außer sich. Ich habe Andy nie wütend erlebt, außer an diesem Tag. Er war richtig in Rage. Er lief puterrot an und hat mich als Ratte beschimpft. Das war das Mieseste, was ihm einfallen konnte. Mir kam es vor, als hätte ich das Nest verlassen.

      Paul Morrissey: Andy fühlte sich nicht mehr wohl in seiner Haut, wenn Lou Reed in der Nähe war. Aber Andy fühlte sich bei keinem wohl in seiner Haut – aber in Lou Reeds Gegenwart fühlte er sich noch tausendmal unwohler, denn für ihn war Lou ein doppelzüngiger, unzuverlässiger und raffgieriger Typ. Somit ist jede Konfrontation, die Lou als etwas zwischen ihm und Andy herunterspielt, ein pures Hirngespinst. Andy sagte immer: „Oh, da kommt schon wieder die­ser Lou, seht bloß zu, dass der ganz schnell wieder verschwindet. Sagt ihm, ich bin nicht da.“ Andy wollte mit Leuten wie ihm einfach nichts zu tun haben. Und ich kann ihm da keinen Vorwurf machen. Ich habe mich immer für Andy mit Lou herumschlagen müssen, aber Lou hat sich immer über alles hinweggesetzt.

      John Cale: Lou fing an, äußerst komisch zu werden. Er hat diesen falschen Hund Steve Sesnick angeschleppt. Der sollte unser Manager werden. Es dauerte nicht lange, und jeder intrigierte gegen jeden. Lou bezeichnete uns als seine Band, und Sesnick versuchte, für Lou eine Solokarriere zu lancieren. Gut mög­lich, dass sich Lou durch seinen damaligen ständigen Drogenkonsum so nega­tiv verändert hat. Geholfen hat es ihm letztlich nicht.

      Ronnie Cutrone: Ich kann mich noch gut erinnern, als wir uns als The Explo­ding Plastic Inevitable aufgelöst haben. Wir sind im Scene aufgetreten. Damals konnte niemand richtig tanzen. Wenn wir auf der Bühne getanzt haben, konnte man merken, wie uns das Publikum beobachtet hat, als wollten sie sagen: „Oh, wow, cool.“ Aber nach fünfzig oder einhundert Auftritten mit EPI hatte das Publikum den Bogen raus.

      Die Bühne im Scene war wirklich sehr niedrig, und ganz plötzlich traten wie aus dem Nichts ungefähr fünf oder zehn Leute auf die Bühne und mach­ten mit. Mary und ich schauten uns bloß an, als wollten wir sagen: „Das war’s dann wohl, oder?“

      Ich war eigentlich ziemlich erleichtert. Ich hatte damals eine Freundin und konnte mir diesen Groupie­Lifestyle