Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Историческая фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783745214710
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am Eingang war einfach zu schmal für ihre breite Schulterpartie.

      Das untote Tier steckte den Kopf zwischen die Säulen hindurch und starrte zornig ins Innere des Tempels. Dann ließ es ein ohrenbetäubendes Fauchen hören, das in dem Gemäuer widerhallte.

      Gorian und Beliak wichen zurück. Mehr als zwei Dutzend Schritt lagen zwischen ihnen und der wütenden Bestie.

      Gorian griff zu seinem Dolch und schleuderte ihr die Waffe entgegen, so wie er es gelernt hatte. Sein Kraftschrei mischte sich dabei mit dem Gebrüll des Löwen.

      Gorian hatte auf eines der Augen gezielt, aber im letzten Moment bewegte das Raubtier den Kopf und wurde am Ohr getroffen. Der Dolch durchschnitt es, prallte gegen den Stein einer der Säulen und fiel klirrend zu Boden.

      Gorian streckte die Rechte aus, der Dolch bewegte sich, rutschte über den Steinboden und flog dann zurück in Gorians Hand. Das Blut des Langzahnlöwen troff noch von der Spitze.

      Ein lebendes Exemplar dieser Art hätte man vielleicht mit dem Dolch aus Sternenmetall zur Strecke bringen können, aber ein untotes Wesen dieser Größe so zuzurichten, dass es nicht mehr in der Lage war zu kämpfen, war selbst mit dieser Waffe ein nahezu unmögliches Unterfangen. Abgesehen davon schien Frogyrr das untote Monstrum mit sehr viel Existenzkraft ausgestattet zu haben; die hatte ihm der Frostgott reichlich eingehaucht, auch wenn sie ihm selbst nun fehlen würde.

      Doch das würde für Frogyrr keine Rolle mehr spielen. Wenn dieser katzenhafte Mörder Erfolg hatte, dann konnte er sich auf den Rückweg in seine kalte Heimat machen und sich auf der Reise dorthin in aller Ruhe erholen.

      Der Langzahnlöwe schleckte mit seiner grünlichen, entsetzlich stinkenden Zunge das vom Ohr herabtropfende Blut auf und zog sich ein paar Schritte zurück. Gleich darauf aber unternahm er einen weiteren Versuch, sich zwischen die Säulen hindurchzuzwängen. Doch das war völlig aussichtslos, dazu waren seine Schultern einfach zu breit, und die Biegsamkeit kleinerer Katzenarten war ihm nicht zu eigen.

      Dafür aber verfügte er über gewaltige Kräfte. Also nahm er ein paar Schritte Anlauf und rammte seine Schultern hart gegen die beiden Säulen, die ihm den Weg ins Innere des Tempels verwehrten. Eine der Säulen bekam Risse, und als der Langzahnlöwe noch einmal gegen sie rammte, zerbrach sie.

      Das katzenhafte Raubtier zwängte sich daraufhin ins Innere des Tempels. Sein Fauchen dröhnte in dem Gemäuer als grausames Echo.

      Gorian schleuderte erneut den Rächer, und diesmal bohrte sich die Klinge zielsicher ins linke Auge des Monstrums. Es brüllte auf, hielt inne und versuchte sich die Klinge aus dem Auge zu wischen, was ihm nach einigen Versuchen auch gelang. Er schleuderte ihn von sich, während ihm schwarzes Blut über die untote Fratze lief.

      Der Rächer prallte gegen die Tempeldecke, Gorian stieß einen Kraftschrei aus, streckte die Hand aus, und der Dolch fiel daraufhin in einer völlig unnatürlichen schrägen Bahn geradewegs in seine Rechte.

      In blinder Wut sprang der Langzahnlöwe mit einem einzigen Satz durch den halben Tempelraum. Gorian und Beliak hatten bereits den Altar im Rücken.

      Noch bevor Gorian den Rächer ein zweites Mal schleudern konnte, hatte sich Beliak dem Untier entgegengeworfen. Mit der Axt in der Hand stürzte er sich auf die Raubkatze, die durch ihr verwundetes Auge in ihrer Wahrnehmung beeinträchtigt war. Mit aller Kraft, zu der ein Adh fähig war, schlug er die Axt in den Hals des Monstrums. Der Langzahnlöwe warf sich zur Seite, aber die Axt blieb zwischen den untoten Muskeln des Tiers stecken. Dann schnellten die krallenbewehrten Pranken der Raubkatze auf Beliak zu, und beide, der Adh und der Langzahnlöwe, fielen zu Boden - und sanken durch den harten Stein des Tempelfundaments.

      Das Brüllen des untoten Raubtiers mischte sich mit dem durchdringenden Schrei des Adh, der gleichermaßen Ausdruck von Kraft und Verzweiflung war.

      Innerhalb eines Augenblicks waren beide durch die Bodenplatten des Tempels getaucht, als wären diese die Oberfläche eines Sees. Nichts blieb von ihnen. Der Sog in die Tiefe hatte Beliak erfasst, und er hatte den Langzahnlöwen mit sich in die abgeschiedene, verborgene Welt des Untererdreichs gerissen.

      „Beliak!“, rief Gorian. Er taumelte zu der Stelle, an welcher der Adh und die riesenhafte Raubkatze verschwunden waren, kniete nieder und berührte mit der Hand die massiven Steinplatten. „Beliak – nein!“

      Doch der Gefährte konnte ihn nicht mehr hören, und ganz gleich, was dort unten geschah, eine schnelle Rückkehr an die Oberfläche war für beide ausgeschlossen.

      Jetzt war Gorian auf sich allein gestellt.

      ––––––––

      Stunden vergingen, und es wurde dunkel. Gorian kauerte zunächst eine Weile in einer der Ecken des Tempels und überlegte, was er noch tun konnte, dachte fieberhaft darüber nach, wie sich die Magie dieses Ortes vielleicht in seinem Sinne nutzen ließ. Hierher zu flüchten war nur eine Rettung für kurze Zeit gewesen. Eine vermeintliche Rettung, die sich als Falle erwiesen hatte, aus der es kein Entrinnen zu geben schien.

      Schließlich erhob er sich und wandte sich dem Altar zu. Er berührte die Stelle, an der in der vergangenen Nacht das Siebenerkreuz zu sehen gewesen war, und fragte sich, ob in dem Altar vielleicht noch andere Artefakte verborgen waren. In dieser Nacht fiel kein Mondlicht durch die Öffnungen in der Tempeldecke. Der Himmel war einfach zu diesig und bewölkt.

      Er versuchte sich an die Formeln zu erinnern, die sein Vater angewendet hatte, um die Schwerter aus dem Stein zu holen, aber er bekam all die Silben mit ihren rätselhaften Bedeutungen nicht zusammen. Davon abgesehen gab es sicherlich noch die eine oder andere Kleinigkeit, die er übersehen hatte, die aber für das Gelingen des Zaubers wichtig war.

      Gorian gab es vorerst auf. Es führte zu nichts, erkannte er. Er ging an den Wänden des Altarraums entlang und schenkte zum ersten Mal den Reliefs, die in den Stein geschlagen waren, Beachtung. Sie waren sehr fein, und Gorian konnte sich nicht vorstellen, mit welcher Art von Werkzeugen man diese nahezu filigranen Kunstwerke geschaffen hatte. Die Szenen, die sie darstellten, veränderten sich, wenn er sie aus einem anderen Winkel betrachtete. Manchmal waren sie mit Schriftzeichen versehen, wie man sie schon seit Zeitaltern nicht mehr benutzte. Die Priesterschaft des Verborgenen Gottes hatte den Gebrauch jener Schriften verboten, die man verwendet hatte, als in Ost-Erdenrund noch die Alten Götter verehrt worden waren.

      Draußen erklang ein Singsang, der immer lauter und drängender wurde. Es waren die orxanischen Untoten. Sie murmelten immer wieder dieselben Worte, die keineswegs ihrer eigenen Sprache entstammten. Auch Gaerth hatte die orxanische Sprache gesprochen, und so kannte sie Gorian immerhin gut genug, um zu erkennen, dass es sich hier um eine völlig andere handelte. Riefen sie vielleicht nach dem Langzahnlöwen, der durch seine Verwandlung in einen Untoten in gewisser Weise zu ihresgleichen geworden war?

      Gorian trat nach draußen und sah, dass die Frostkrieger bereits sehr viel näher an den Tempel herangerückt waren. Der magisch geschützte Bereich war offenbar noch einmal deutlich geschrumpft. Unzählige Frostkrieger standen da in der Nacht und hatten Fackeln entzündet, deren Licht so kalt und fahl wirkte, dass Gorian sich nicht vorstellen konnte, dass auch nur ein Hauch von Wärme davon ausging.

      In einem monotonen Singsang murmelten sie immer wieder jene magischen Formeln, die ihnen Frogyrr eingegeben haben musste. Worte in der Sprache der Caladran, und von der man sagte, dass sie unter allen Sprachen diejenige wäre, die sich am besten für die Magie eignete. Zumindest für die Magie der Caladran, die jedoch bisher kein Mensch erfolgreich zu erlernen vermocht hatte.

      Gorian erinnerte sich daran, wie er im Alter von acht oder neun Jahren mit seinem Vater in der Hafenstadt Thiskaren gewesen war, wo eines der Himmelsschiffe der Caladran angelegt hatte. Die Handelsbeziehungen zu den