Am 22. Oktober verabschiedeten wir uns von unseren Gastgebern und Funchal. Wir hatten einen Vorrat an schwarzen Schweinen für Frischfleisch und viele Pfirsiche mitgenommen. Wir fuhren aus bei östlichem Wind, der uns bald in eine Passatströmung brachte, in der wir fünfzig bis sechzig Meilen in 24 Stunden zurücklegten, bis wir auf der Höhe der Bermudas waren. Es ist eine allgemeine Feststellung unter Seeleuten, dass die See in diesen Breiten rau geht und stürmisches Wetter herrscht.
Es war mein Glück, dass ich mich immer neugierig umschaue. Der wachhabende Offizier zeigte mir, dass an einer bestimmten Stelle so etwas wie eine Fontäne höher als gewöhnlich aus den Gedärmen der See hervorzubrechen schien, und zwar mit einer Kraft und einer Gewalt, die unser Schiff ohne weiteres aus dem ihm angemessenen Element in die Luft schleudern und es Purzelbäume hätte machen lassen können. Durch Gottes Vorsehung entgingen wir dieser Gefahr.
Der Anblick der Insel war uns allen willkommen. Die Seeleute berechneten daraus unsere Entfernung von Kap Hatteras, und die Passagiere waren erleichtert, dass sie nun bald an Land kommen würden.
Der Wind hielt an bis zum 8. November. Dann merkten wir, wie sich das Wasser veränderte, und als wir das Blei auswarfen, zeigte das Lot 35 Faden. Eine frohe Nachricht, denn an allen Dingen, deren es zum täglichen Leben bedarf, herrschte schon Mangel.
In der Nacht hielt ich es nicht mehr in meiner Behausung aus. Also besuchte ich Maat Putts auf Wache. Ich wollte ihm Brandy einschenken, aber er weigerte sich, etwas zu trinken, sofern ich nicht auch Tabak für ihn hätte, was nicht der Fall war. Er sagte, es gehe gegen Tagesanbruch und er wolle nachsehen, welche Veränderung im Wasser zu bemerken sei.
Kaum war er auf dem Deck, als er unter Stampfen und Lärmen seinen Kameraden zurief:
»Alle Mann nach oben. Brecher! Brecher von beiden Seiten!«
Die Matrosen waren nach diesem nach Unglück klingenden Ruf bald alle an Deck, aber statt sich daran zu machen, das Schiff zu sichern, fielen sie auf die Knie und taten so, als habe unweigerlich ihr letztes Stündlein geschlagen. Der Kapitän kam auf den Lärm hin auch, um zu sehen, was da los sei, aber als er sich davon überzeugt hatte, wie es stand, verließ auch ihn der Mut. Maat Putts aber, ein kräftiger Seemann, fasste sich wieder ein Herz.
»Ist denn da niemand, der sich ums Ruder kümmert und ein Segel losschlägt?« rief er.
Aber unter der gesamten Besatzung gab es nur zwei Vormastmänner, Thomas Reasin und John Smith, die – ob ihres Mutes bei verschiedener Gelegenheit – mir mit ihren Namen in Erinnerung bleiben sollten und auch jetzt diesem Befehl gehorchten.
Einer von ihnen kletterte hinauf und löste das Vortoppsegel, der andere stellte sich ans Ruder und korrigierte den Kurs, denn das Schiff stand im Begriff, in einen Brecher hineinzulaufen.
Und obwohl sonst immer während der Reise Klagen zu hören gewesen waren, das Schiff laufe aus dem Ruder, geschah in diesem entscheidenden Augenblick ein Wunder. Die Ruderbewegung machte sich sofort bemerkbar, und wir entkamen dieser Gefahr. Aber das bedeutete nicht, dass wir auch nur einen Augenblick hätten aufatmen können. Denn kaum waren wir den Brechern von Steuerbord entgangen, da kamen sie von Backbord her über das Schiff. Die Mannschaft, angespornt durch den Mut, den Reasin und Smith bewiesen hatten, war unterdessen an der Arbeit, und auf die Ruderbewegungen hin hielt das Schiff wieder aus den Brechern heraus.
Es wurde nun hell und wir sahen, dass unsere Situation kaum hätte gefährlicher sein können. Wir waren von Brechern umgeben, und nirgends zeigte sich so etwas wie eine Durchfahrt, um ihnen aus dem Weg zu gehen.
In dieser traurigen Situation schlug das Schiff auch noch auf Grund.
Kaskaden von Wasser und Sand brachen auf den Hauptanker nieder, so dass jede Hoffnung auf Rettung vergebens schien. Aber die Matrosen, die jetzt alle Beherrschung wiedergefunden hatten, taten alles, um das Fahrzeug wieder flottzumachen.
Tom Reasin steuerte dorthin, wo es am wahrscheinlichsten schien, dass wir wieder freies Wasser erreichen würden. Und nachdem wir auf diesem Kurs noch etwas vorangekommen waren, gab es unter uns, entgegen aller Erwartung, mehr Wasser, als das Schiff brauchte. Als das Lot wieder ausgeworfen wurde, zeigte es uns, dass wir 18 bis 20 Fuß Wassertiefe hatten. Wir hielten uns auf diesem Kurs, und es gelang den Steuermannsmaaten, im Licht des Morgens das Schiff wieder so weit unter Kontrolle zu bekommen, dass wir dank der wunderbaren Gnade Gottes aus der Brandung bei Kap Hatteras freikamen und das offene Meer erreichten.
Kaum war das geschehen, als die Seeleute einander anschauten und sich wie Fremde die Hände schüttelten oder wie Männer, die, einer anderen Welt entstiegen, nun kaum glauben können, dass sie Wesen von Fleisch und Blut sind. Nachdem sie sich etwas erholt hatten, setzten sie alle verfügbaren Segel, um aufs Meer hinaus- und voranzukommen.
Der Wind kam frisch aus Nordwest, und bald entwickelte sich ein tosender Sturm und trennte uns vom Land mit einer Geschwindigkeit von acht Meilen pro Wache.
Der Kapitän meinte, wir müssten etwas dagegen unternehmen. Er befahl den Offizieren, das Schiff herumzunehmen, alle Segel zu bergen und nur das Besansegel stehenzulassen.
Die sich gebirgsartig auftürmenden Wellen, die der Nordweststurm aufwarf, machten es den Seeleuten unmöglich, das Schiff zu wenden. Wir waren jetzt schon eine beträchtliche Strecke vom Land entfernt und irgend etwas musste geschehen, um zu verhindern, dass wir zu weit hinaus gerieten. Zunächst wurde versucht, das Großsegel zu bergen und den Mast zu entlasten, indem man die Segelbahnen auf dem Schiffsdeck ablegte.
Unsere große Schwierigkeiten bestand darin, mit dem Vorsegel zurechtzukommen, damit das Schiff sicher oder wenigstens mit sowenig Risiko wie möglich Fahrt machte. Alle Hände reichten nicht hin, um das Tuch beizuholen und das Schiff zu wenden.
Von den großen Brechern traf einer zufällig mit solcher Gewalt das Heck, dass wenigstens eine Tonne Wasser sich unter die Persenning entleerte und uns allen, die wir in der Hütte waren, das Schwimmen lehrte. Dabei machte das einbrechende Wasser einen solchen Lärm, als sei eben ein großes Geschütz abgeschossen worden, und jagte uns allen einen solchen Schrecken ein, dass wir uns eine ganze Weile nicht davon erholten. Kaum war dieser Schock überstanden und das Vorsegel unter Kontrolle, da versuchten wir es mit dem Besan.
Ich kann die Unzahl von Tümmlern nicht vergessen, die an diesem Abend um das Schiff herum auftauchten. Selbst alte Seebären zeigten Erstaunen darüber. Die Tiere schienen die gesamte Oberfläche des Meeres, so weit das Auge reichte, zu bedecken. Hätte man wahllos einen Büchsenschuss abgegeben, so hätte man sicher mit jedem Schuss eines der Tiere getroffen. Die Matrosen nahmen das als schlechtes Omen und als Hinweis auf schlechtes Wetter. Da wir uns aber schon in einem Sturm befanden, war wohl das Ereignis dem Omen vorausgeeilt.
Bei tosender See und all der Gischt und weiter zunehmendem Wind kamen die Wachoffiziere häufig ins Rundhaus, um den Kapitän auf das Unglück vorzubereiten, das dieser mächtige Sturm mit sich bringen musste.
Und ihre Befürchtungen erwiesen sich als nur zu begründet, denn in der Stunde zwischen zehn und elf kündigten sich neue Schrecken durch ein fürchterliches Krachen auf Deck an. Alle Männer wurden aufgerufen. Der Vortoppmast war kurz unter der Kappe gebrochen. Das war eine traurige Sache und es bedurfte aller Geschicklichkeit, um da Abhilfe zu schaffen. Man konnte eigentlich nur weiterem Unheil vorbeugen. Die ganze Takelung eines Schiffes hängt zum größten Teil von den Befestigungen an diesem Mast ab.
Maat Putts hatte Wache und er wollte sich gar nicht ausmalen, was geschehen konnte und dann gewiss zu unserer völligen Vernichtung führen würde. Zwischen zwölf und eins bei Nacht hörten und spürten wir, wie ein mächtiger Brecher das Vorschiff traf. Das verursachte eine solche Überschwemmung auf dem Deck, wo der Maat ging, dass er sich mit aller Vorsicht