Heute können Australien-Bummler entlang der Ostküste seine Fährte aufnehmen. Es gäbe da das Captain Cook Memorial Light, ein Leuchtturm nahe Coolangatta, Queensland. Ein Monument im Touristenparadies Byron Bay, New South Wales, welches dank Cook den Namen von Vize-Admiral John Byron, dem Großvater des Poeten Lord Byron, erhielt. Oder romantisch-veranlagte Orte wie der Endeavour Panoramaausblick in Kiama, New South Wales. Seien es Denkmäler, Ortsnamen, Gedichte oder kitschige Souvenirs, James Cook hat seinen Platz im australischen Gedächtnis gefunden. Wer möchte, pilgert auf seiner Route. Nur braucht der Reisende heute Räder und keine Segel unter den Füßen. Australier haben die Angewohnheit, ihre großen Lebensadern – die Highways – nicht mit langweiligen Nummern wie wir sondern mit den Namen ihrer Schöpfer zu versehen. 75 Kilometer Straßenbeton verbinden als ‚Captain Cook Highway‘ die Städte Cairns und Mossman im Norden Queenslands. Nur allzu gerne bremst der Tourist zum Leidwesen der Folgenden alle fünf Minuten scharf ab, um ein weiteres Bild mit blauem Himmel, türkisfarbenem Wasser, grünen Palmen und gelbem Strand zu schießen. Jedes Foto ist eben anders. Licht und so. Unmittelbar in der Nähe liegt wie passend Cooktown – das Ende der zivilisierten Welt. Nördlich von hier gibt es nur noch Busch. Oder besser gesagt Dschungel. Von Grünzeug umgeben ist auch eine weitere Erinnerungsstätte Cooks.
Abb. 8: Cook’s Cottage inklusive gehisstem Union Jack im Vorgarten. Fitzroy Gardens, Melbourne, Victoria.
Australien fehlt es an historischen Stätten. Schiefe Türme oder endlose, vom All aus zu sehende Mauern lassen sich nicht finden. Sightseeing wird hier unten überwiegend in der freien Natur ausgelebt, nicht zwischen Tür und Angel. Doch der Aussie3 weiß sich zu helfen – er importiert Geschichte. Sir Wilfred Russell Grimwade hatte in den 1930er Jahren genügend Geschichtsinteresse und Geld, um das ursprünglich in Yorkshire, England stehende Cottage der Familie Cook nach Melbourne in die Fitzroy Gärten zu übersiedeln. Der Geschäftsmann war der festen Überzeugung, dass der häusliche Spirit des Seefahrers auf die Besucher übergehe, mehr als ein Buch jemals hergeben könnte.4 Auch ich durfte die Cook‘sche Aura erfahren, als ich in eines der historischen Familienkostüme hineinschlüpfte, um im Kräutergarten nebenan Unkraut zu jäten oder meinen Kopf durch eine Fotoleinwand steckte und als Tochter Cook das Gesicht verzog. Hier bricht keine Informationsflut über den Besucher ein, sondern eine längst vergangene Atmosphäre illusioniert ihn. Erlebte Geschichte eben.
Abb. 9: Wer sich wie die Frau an Cooks Seite fühlen möchte, kann im Cook‘s Cottage in ihre Kleider schlüpfen.
Der eingebaute Souvenirshop schildert zusätzlich zwischen Cook-Korkenzieher und Cook-Ratzefummel anschaulich dessen Reisen. Der große Bildungsappetit wird im Cook’s Cottage nicht gesättigt, doch der kleine historische Hunger zwischendurch gestillt. Die Lage in einem öffentlichen Park trägt zur Idylle bei. Dass nur 200 Meter weiter riesige Wolkenkratzer unwesentlich am historischen Bild kratzen oder dass die frische Tomate in der Küche bestimmt aus dem nächsten Coles-Supermarkt stammt, vergisst man schnell. Worte wie die folgenden aus der Besucherbroschüre des Jahres 1934 holen den Besucher gekonnt in die Vergangenheit zurück „We are certain that something of Cook lives and lingers in the walls of the cottage today. […] It knew the great navigator as Australia knew him. Its doorsteps rang to his heel as he entered. Its walls heard his voice, (...). Within them must be stored memories of the sacred bonds which tie loving father and devoted son.” Der Geist von Cook sei mit dir.
1 Wer jetzt neugierig geworden ist, schaut sich das Bild am besten an unter http://catalogue.nla.gov.au/Record/550770.
2 N. Thomas: The uses of Captain Cook: early exploration in the public history of Aotearoa New Zealand and Australia; in: A. E. Coombes (Editor), S. 149.
3 Aussie ist die einheimische, verkürzte Bezeichung für einen Australier.
4 Ob James Cook wirklich selbst in diesem Haus lebte oder er nur ab und an seine Eltern hier besuchte, bleibt ungeklärt. Aber es ist bekanntlich der Gedanke, der zählt.
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