Die zweite Eroberung betraf Sachsen. Abgesehen von Grenzkriegen, die es schon früher gegeben hatte, gab es zwischen 772 bis 785 und von 792 bis 804 mehrere Sachsenzüge bzw. Kriege, insgesamt also rund 25 Jahre. Karl der Große plante zum Unterschied zu seinen Vorfahren, ganz Sachsen zu unterwerfen und es durch die Christianisierung dem Frankenreich einzuverleiben. 772 rückte er mit einem Heer in das Gebiet von Engern (südlich von Paderborn). Die Eresburg wurde genommen, und die Irminsul, ein gewaltiger Baumstamm in einem heiligen Hain, wurde zerstört. Das stachelte die Sachsen 773/774 zum Gegenschlag auf. Doch der sächsische Adel war bereit, sich den Franken zu unterwerfen, womit die Einverleibung Sachsens möglich schien. 776 kam es in diesem Zusammenhang zu einer erzwungenen Massentaufe in Lippspringe. Ab nun wurde der Widerstand gegen die fränkische Fremdherrschaft und die Christianisierung von den freien Bauern unter der Führung des Adeligen Widukind (743–807) getragen. Dieser drang bis zum Rhein und bis nach Fulda vor. Im Gegenzug errichteten die Franken zahlreiche Stützpunkte in Sachsen, führten 782 die fränkische Grafschaftsverfassung ein und schafften die sächsische Verfassung ab.
Die Folge war ein heftiger Aufstand, Priester wurden erschlagen oder vertrieben, und ein fränkische Heer wurde 783 vernichtet. Karl musste nun selber eingreifen. Das sächsische Hauptheer wurde umzingelt, doch Widukind konnte entkommen. Bei Verden an der Aller wurden die Rädelsführer enthauptet, es wird von 4500 berichtet, was übertrieben sein dürfte. An dieser Episode hat sich später heftige Kritik an Karl entzündet (»Sachsenschlächter«).
Von der steten Festigkeit Karls bzw. der Franken gegenüber Sachsen beeindruckt kam der Sachsenführer Widukind 785 in die königliche Pfalz Attigny (Nordfrankreich) und ließ sich zusammen mit seinen engsten Gefährten taufen. Über sein weiteres Leben herrscht Ungewissheit. Ein letztes sächsisches Aufbäumen gab es noch in den Jahren 793 und 797. Dabei wurde die Pfalz Paderborn zerstört.
Nach den Eroberungen in Italien, Nordostspanien, Bayern und Pannonien (Pannonische Mark) sowie in Sachsen mit der Oberherrschaft über die slawischen Stämme östlich der Elbe war Karl der Große – mit Ausnahme des Kaisers in Konstantinopel – der mächtigste Herrscher der damals bekannten Welt, dessen Reich ca. 1 Million qkm umfasste. Es wunderte daher nicht, dass nach den Siegen über die Sachsen und Awaren von Karl bereits als imperator gesprochen wurde.
Im Jahr 799 wurde Papst Leo III. während einer Prozession in Rom gefangengenommen. Es gelang ihm aber, zu Karl nach Paderborn zu fliehen, der ihn mit sicherem Geleit nach Rom zurückbringen ließ. Nachdem Karl am Beginn seines Romzuges im Jahr 800 bereits mit kaiserlichen Ehren empfangen worden war, konnte es kaum überraschend sein, dass der Papst ihm während der Weihnachtsmesse die Kaiserkrone aufs Haupt setzte. Karls späterer Biograph Einhard (um 770–840) behauptet zwar, dass Karl nicht in die Kirche gegangen wäre, wenn er gewusst hätte, dass er zum Kaiser gekrönt würde. Doch ist zu bezweifeln, ob diese Aussage Karls tatsächlich seine Stimmung an diesem Tag wiedergegeben hat.
Die in der Folge dieser Krönung aufgetretenen Probleme und Auseinandersetzungen mit dem oströmischen Kaisertum in Byzanz endeten 812 mit dem Austausch von Friedensurkunden (Vertrag von Aachen), die einer gegenseitigen Anerkennung gleichkamen. Beachtenswert sind auch Karls Versuche, mit der muslimischen Welt in Kontakt zu treten. Zwei Gesandtschaften reisten 798 und 802 nach Bagdad zum Kalifen Harun ar-Raschid (um 763–809). Sie brachten einen Elefanten ins Frankenreich mit, der dort noch rund zehn Jahre lebte. Die zweite Gesandtschaft erreichte es auch, dass Karl die Verfügungsgewalt über das Grab Christi und den Schutz über die Pilger erhielt.
In der Regierungszeit Karls des Großen und seines Vaters Pippin als fränkischen Könige – also in der Zeit von 751 bis 814 – wurde die kirchliche Grundstruktur Deutschlands wesentlich ausgebaut. Dieser Prozess begann mit dem päpstlichen Missionsauftrag an den Angelsachsen Bonifatius/Winfried (672–754) im Jahr 719. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es im deutschen Sprachraum das teilweise bis in die Spätantike zurückreichende Erzbistum Trier sowie die Bistümer Köln, Mainz, Chur, Konstanz, Straßburg, Basel, Metz, Worms, Speyer und Säben (später nach Brixen verlegt) gegeben. Es handelte sich dabei praktisch nur um linksrheinische Bistümer, die im Lauf der Völkerwanderung ein oft wechselhaftes Schicksal erlebten. Im Jahr 739 wurden nun von Bonifatius die bayerischen Bistümer Salzburg, Regensburg, Freising und Passau errichtet. 742 wurden die Bistümer Würzburg und Erfurt (später mit Mainz vereinigt) gegründet. 777, 785 und 798 wurden Mainz, Köln und Salzburg zu Erzbistümern erhoben. 787 wurde das Bistum Bremen errichtet (864 mit dem Erzbistum Hamburg vereint), es folgten 799 Paderborn und Minden (in der Reformation untergegangen), 800 Osnabrück, 804 Halberstadt (in der Reformation untergegangen) und 805 Münster. Damit gab es im heutigen deutschsprachigen Gebiet des Frankenreiches zum Zeitpunkt Karls des Großen vier Kirchenprovinzen, wobei sich Mainz zweifelsohne als die bedeutendste zu entwickeln begann.
Ziel der fränkischen Karolinger schon vor Karl dem Großen war die Zurückdrängung, Abschaffung bzw. Einverleibung der »älteren Stammesherzogtümer« östlich des Rheins und die Errichtung einer fränkischen Grafschaftsverfassung an deren Stelle. Diese zentralistisch ausgerichtete Struktur, die auf die Hilfe eines Reichsadels baute, konnte zwar im Westen des Frankenreichs mehr oder minder durchgesetzt werden, nicht jedoch östlich des Rheins, wo sich noch erkennbare Reste dieser Herzogtümer erhalten und ab Anfang des 10. Jh. wieder entfalten konnten.
Karl der Große hatte in seiner Kindheit und Jugend wahrscheinlich keine adäquate Ausbildung genossen, bemühte sich aber später, diese nachzuholen und war lernbegierig. So versuchte er noch im Alter, Lesen und Schreiben zu lernen, und holte bedeutende Gelehrte an seinen Hof in Aachen, das er als Rom des Nordens betrachtete und ausbaute. Mit dem Namen Karls des Großen ist auch eine Reform der Schrift verbunden. Unsere heutige Druckschrift geht im Wesentlichen auf die karolingische Minuskel, die damals entwickelt wurde, zurück.
Betrachtet man eingangs dieser Biographie das Eheleben Karls des Großen, wird man schwer eine Übereinstimmung mit der katholischen Lehre finden können. Noch waren nämlich verschiedene germanische Vorstellungen (»Friedelehe«, siehe unten S. 29) präsent. Diese »unregelmäßigen Zustände« (Konkubinate) des Kaisers haben nach dessen Tod Kritik hervorgerufen. 18 Kinder sind namentlich bezeugt, es dürften aber weitaus mehr gewesen sein, so dass in neuerer Zeit die Ansicht besteht, dass ein großer Teil der Deutschen (und Österreicher) in sich die Gene Karls des Großen tragen dürften.
Wegen seiner zahlreichen erbberechtigten Söhne hatte Karl im Jahr 806 bestimmt, dass das Frankenreich, in mehrere Teilreiche aufgeteilt werden sollte. Wäre dies passiert, dann hätte die Reichsidee Karls schon relativ früh ein Ende gefunden. Doch es kam vorerst nicht so, denn seine drei ältesten Söhne, Pippin der Bucklige, Karl und Karlmann, starben alle um 810/811, so dass sich als einziger Erbe sein viertältester Sohn Ludwig durchsetzen konnte.
Relativ bald nach dem Tode Ks. Karls begann seine Heroisierung. Nach 70 Jahren erhielt er den Beinamen Magnus, »der Große«. Die Biographie Einhards sorgte dafür, dass das Bild Karls, so wie er es sah, der Nachwelt überliefert wurde. Deutschland und Frankreich (charlemagne) berufen sich auf ihn als »Ur-Monarchen«. Die jeweilige Kaiser- bzw. Königszählung beginnt mit Ks. Karl I. dem Großen, sie endet in Deutschland mit dem Wittelsbacher Ks. Karl VII. (siehe S. 163) und in Frankreich mit dem Bourbonen Kg. Karl X. (1757–1836).
Im Jahr 1165 wurde Karl der Große von Gegenpapst Paschalis III. auf Ersuchen Ks. Friedrichs I. Barbarossa (siehe S. 81) heilig gesprochen. Diese Kanonisation ist kirchenrechtlich nicht als vollgültig anzusehen, so dass seine Verehrung bzw. sein Kult auf den Aachener Raum beschränkt bleibt.
Einer Sage zufolge soll Karl der Große im Untersberg, zwischen Salzburg und Berchtesgaden, auf die Auferstehung warten. Alle hundert Jahre soll er aufwachen, und wenn er sieht, dass noch immer die Raben um den Berg fliegen, dann schläft er ein weiteres Jahrhundert. Eine ähnliche Sage gibt es auch für Kaiser Friedrich I. Barbarossa (siehe S. 83).
Während in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts Karl in Deutschland als »undeutscher« Herrscher abgewertet wurde, erlebte er nach 1945 eine idealisierte Renaissance im Zuge der Gründung der EWG 1957. In der Tat machte die damalige Sechsergemeinschaft