In Italien blieb dank der von Ks. Otto I. eingeleiteten Gleichgewichtspolitik der Einfluss des Reiches ungebrochen. Nicht zuletzt war das auch der Verdienst der Regentin Ks. Adelheid. Als Ks. Theophanu im Jahr 991 starb, musste sie die gesamte Regentschaft übernehmen. Adelheid war aber in diesem Punkt nicht so erfolgreich wie Theophanu, so dass deren Tod für das Reich ein schwerer Schlag war. Daher schwand die mühsam bewahrte Hegemonie des Reiches in den folgenden Jahren zusehends dahin. Als die Vormundschaft im September 994 endete, war das einst so stattliche Vermächtnis Ottos des Großen, das Ks. Otto II. noch weitgehend zu sichern vermocht hatte, beinahe aufgezehrt.
Auf dem Reichstag von Sohlingen (bei Höxter) im September 994 wurde Otto III. für volljährig erklärt und übernahm die Regierung. Nicht militärische Großtaten sind das Signum seiner Herrschaft, sondern neue politische Ideen und die Suche nach einer neuen Gesamtkonzeption für Europa kennzeichnen ihn.
Zu seinen ersten Plänen gehörte ein Italienzug mit Blick auf die Kaiserkrone, deren Erhalt für die Stabilisierung seiner Macht wichtig war. Doch zuerst musste noch im Reich einiges geordnet werden. Im Sommer 995 unternahm er einen Feldzug gegen die Slawen an der Ostgrenze, dann musste die Nachfolge für den im August desselben Jahres verstorben Herzog Heinrich den Zänker geklärt werden. Dessen Sohn, der späterer Ks. Heinrich II., wurde mit Bayern belehnt.
Im Frühjahr 996 trat Otto III. seine Romfahrt an. In Pavia erfuhr Otto vom Tod des Papstes und bestimmte Brun, einen Urenkel Ottos des Großen, zum Nachfolger. Gregor V. war der erste deutsche Papst. Wenige Wochen später, bereits am 21. 5. 996, krönte dieser seinen Verwandten zum Kaiser. Im August kehrte Otto III. nach Deutschland zurück und verbrachte 997 mehrere Monate in Aachen, nicht zuletzt um damit an Karl den Großen und dessen Genius anzuknüpfen. Ein mythisch verklärtes Karl-Bild wurde neben einem idealisierten Romdenken, in dem sich die Erinnerung an das antike Rom und an die Stadt der Apostelfürsten verband, zusehends bestimmend für ihn. Nach zwei kurzen Slawenfeldzügen im Sommer 997 brach er wieder nach Rom auf und betraute vorher seine Tante Mathilde, Äbtissin von Quedlinburg (955–999), mit seiner Stellvertretung.
Dort herrschte Aufruhr. Papst Gregor V. wurde vertrieben und ein Gegenpapst ausgerufen. Ks. Otto III. schaffte – nicht ohne Grausamkeit – Ordnung und versuchte, seine Idee einer Renovatio Imperii Romanorum umzusetzen. Auf dem Palatin sollte künftig seine Residenz sein. Entsprechende Bauten veranlasste er. Damit verbunden war ein gekoppelter Führungsanspruch in Reich und Kirche. Er blieb bis 999 in Italien, um dann Ende dieses Jahres eine spektakuläre Wallfahrt nach Gnesen zu unternehmen. Sie galt seinem Freund Adalbert (Vojtĕch), Bischof von Prag (956–997), der als Missionar bei den damals noch heidnischen Preußen am 23. 6. 997 den Märtyrertod gefunden hatte.
Im Sommer des Jahres 1000 kehrte er wieder nach Rom zurück, wo seine geistlich-weltliche, gleichsam hierokratische Doppelfunktion verstärkt offenkundig wurde. Doch es formierte sich ein Aufstand gegen ihn, und er musste nach Ravenna ausweichen. Im Sommer 1001 führte er einen erfolglosen Strafzug gegen Rom. In der Burg Paterno (am Soracte, nördlich von Rom) starb er Ende Januar 1002 an einer plötzlichen Fiebererkrankung.
Die Historiographie hat Ks. Otto III. bis Mitte des 20. Jh. kritisch beurteilt, weil seine auf Rom fixierte Politik sowie sein Wirken bei der polnischen und ungarischen Staatsbildung den deutschen Interessen abträglich gewesen seien. Doch er, der durch Herkunft, Berater und Vorbilder die verschiedensten Völker- und Kultureinflüsse in sich aufnahm, suchte gerade mit seiner Konzeption eines Imperium Christianum die nationalen Regungen zu überwinden. In den wenigen Jahren seines kurzen Lebens hat er dadurch die geistigen Weichen für die an sich übernationale Reichsidee gestellt, wie sie im Heiligen Römischen Reich zumindest in Ansätzen in den folgenden Jahrhunderten verwirklicht wurde. Heute würde man sagen: Er war ein Europäer auf dem Herrscherthron.
KAISER HEINRICH II.
(1002–1024)
Ks. Heinrich II. wurde am 6. 5. 973 oder 978 möglicherweise in Hildesheim geboren. Seine Eltern waren Hz. Heinrich der Zänker von Bayern (951–995) und Gisela (950/55–1007), Tochter Kg. Konrads III. von Burgund († 993). Im Jahr 1000 ehelichte er KUNIGUNDE (um 975–1033), eine Tochter des Gf. Siegfried von Luxemburg (um 1919–998). Die Ehe blieb kinderlos.
Otto III. starb unverheiratet und kinderlos, so dass die Frage entstand, welchem nahen Verwandten die Nachfolge gelingen würde. In diesem Ringen setzte sich Herzog Heinrich von Bayern, der Sohn Heinrichs des Zänkers, durch. Er war ein Urenkel Kg. Heinrichs I. und stand damit genealogisch auf derselben Stufe wie Ks. Otto III.
Als Kg. Heinrich II. sein Amt antrat, war er ohne jede Illusion: In Italien tobte der Aufruhr, und die Polen nutzten das Interregnum, um Meißen zu besetzen. Für die idealistischen Vorstellungen seines Vorgängers war kein Platz mehr. Anstelle der renovatio imperii Romanorum Ks. Ottos III. sollte die renovatio regni Francorum treten.
Die damals stärkste Gefahr ging von Polen unter Boleslaw Chrobry (966–1025) aus. Die Auseinandersetzungen mit ihm beanspruchten Heinrich II. mit Unterbrechungen 15 Jahre lang. In dem schließlich Anfang 1018 abgeschlossenen Frieden von Bautzen blieben Meißen und Böhmen vor Boleslaws Zugriff bewahrt. Er musste auch die lehnsrechtliche Abhängigkeit vom Reich anerkennen. Mit Frankreich und Ungarn waren hingegen die Beziehungen ohne nennenswerte Probleme. In Italien gestalteten sich die Verhältnisse für Heinrichs II. jedoch am schwierigsten. Erst im Frühjahr 1004 kam er erstmals nach Italien, wo er zum rex Langobardorum gewählt und gekrönt wurde. Doch ein Aufstand zwang ihn, nach Deutschland zurückzukehren. Erst nach der zweiten Phase des Polenkriegs hatte er für Italien etwas mehr freie Hand. Zum Jahresende 1013 zog er rasch über die Alpen nach Rom und empfing zusammen mit seiner Gemahlin Kunigunde die Kaiserkrone. Im Frühsommer 1014 kehrte er zurück.
Die Stabilisierung an den Grenzen und die Durchführung der verschiedensten Heereszüge war Ks. Heinrich nur möglich, weil er zugleich eine erfolgreiche Innenpolitik betrieb. Dabei war er wie Otto der Große auf die herzogliche Gewalt bedacht. Hier bildete sich zunehmend die Nachfolge des meist ältesten Sohnes heraus, der als Lehnserbe angesehen wurde. Daher waren dem Kaiser/König bei der Herzogsnachfolge zunehmend enge Grenzen gesetzt. Somit wurde die Lehnsübertragung bald nur mehr ein formaler Akt, wie er bis zum Ende des Reiches 1806 dann charakteristisch war.
Deutlichere Akzente konnte Heinrich in seiner Kirchenpolitik setzen. Hier konnte er Vertraute zu Bischöfen ernennen. Die »kanonische Wahl« wurde auf ein schlichtes Zustimmungsrecht herabgestuft. Heinrich fühlte sich als »geweihter« König bzw. Kaiser sowohl für das Reich wie die Kirche zuständig. Diesen Synergismus zwischen Staat und Kirche, der dann von den nachfolgenden Saliern ausgebaut wurde, nennt man auch ottonisch-salisches Reichskirchensystem. In der Nachwelt besonders in Erinnerung blieb seine am 1.11.1007 auf einer Synode in Frankfurt vorgenommene Gründung des Bistums Bamberg, das sein Lieblingsort wurde.
Auf seinem rastlosen Weg durch das Reich in allen Belangen starb Ks. Heinrich II. in der Pfalz Grone. In dem aus seinen Mitteln erbauten Dom von Bamberg fanden er und später auch seine Gemahlin Kunigunde die letzte Ruhe. Dort hat man sein Gedächtnis besonders bewahrt und zu einem Kult gesteigert, so dass beide später heilig gesprochen wurden. Allerdings wird in neuester Zeit (Stefan Weinfurter) die »Heiligkeit« Heinrichs wegen dessen aus heutiger Sicht negativer Eigenschaften – man vermisst bei ihm u. a. die klassischen Herrschertugenden wie Barmherzigkeit und Milde – kritisch beurteilt.
Ks. Heinrich II. hat mit seiner sofortigen Rückverlegung des politischen Schwergewichts aus Italien nach