In Venlo eröffnete er mit Hilfe seines Klubs einen Zigarrenladen, aber als er mit dem Verkauf einer Sonderedition versuchte, aus seiner fußballerischen Prominenz ein wenig Kapital zu schlagen, grätschten ihn die Funktionäre des Nationalteams ab. Bakhuys wurde sogar von der Polizei vernommen, und der Verband drohte mit dem Verlust des Amateurstatus. Der Torjäger packte daraufhin seine Sachen und ging nach Frankreich zum FC Metz, wo er nun der erste Niederländer war, der im Ausland einen richtigen Profivertrag unterschrieb.
Der prominenteste Auslandslegionär vor der Legalisierung des Professionalismus aber war der Stürmer Faas Wilkes, das Idol des jungen Johan Cruyff, der 1949 25-jährig von Feyenoord Rotterdam zu Inter Mailand wechselte, wo die „fliegende Tulpe“ an der Seite von Stefano Nyers, einem Franzosen ungarischer Herkunft, und dem Schweden Lennart „Nacka“ Skoglund stürmte. In der Saison 1950/51 schoss ein angriffsfreudiges Inter-Team in der Meisterschaft 107 Tore, stand aber am Ende Saison trotzdem mit leeren Händen da, was einen Taktikwechsel hin zum Catenaccio zur Folge hatte. Als Inter 1952/53 mit nur 46 Toren Meister wurde, spielte Wilkes bereits beim AC Turin. Für Inter hatte Wilkes in drei Jahren und 95 Spielen 47-mal getroffen. Nach einem Jahr bei Juve verbrachte er noch drei Jahre in Spanien beim FC Valencia. Erst 1965, der Professionalismus war mittlerweile auch in den Niederlanden legalisiert, kehrte er in die Heimat zur VVV Venlo zurück, für die er noch zwei Jahre spielte.
In der Elftal bildete Wilkes mit Abe Lenstra und Kees Rijvers den legendären „goldenen“ Innensturm, dem aber nur wenige Auftritte vergönnt waren. Schuld war der KNVB-Amateurismus, der die Auslandsprofis von der Nationalelf aussperrte.
Kees Rijvers war 1950 von NAC Breda zum AS Etienne gewechselt. Als Mitgift brachte der nur 1,65 Meter große Spielmacher eine Kiste mit 100 Kilo Schraubstollen mit, die man bis dahin in Frankreich nicht kannte. 1953 wechselte Rijvers in die Hauptstadt zu Stade Francais Paris. Nach dem Abstieg des Hauptstadtklubs 1955 ging es zurück zum AS Etienne, mit dem Rijvers in der Saison 1956/57 französischer Meister wurde. Anschließend wurde der Niederländer auch noch mit der Étoile D’Or geehrt, eine Auszeichnung der Zeitschrift „France Football“ für den beständigsten und besten Spieler der Liga.
Der berühmteste der drei Innenstürmer blieb im Lande: Abe Lenstra, den einige Niederländer für einen noch besseren Fußballer halten als Johan Cruyff. Lenstra war in einer sozialistisch geprägten Familie groß geworden, was auch der Grund war, warum er den zahlreichen Angeboten aus dem Ausland eine Absage erteilte. Lenstra, der in 47 Elftal-Einsätzen 33-mal traf, spielte von 1932 bis 1950 für den friesischen SC Heerenveen, dessen Stadion heute seinen Namen trägt. In der Saison 1932/33 hatte der Österreicher Otto Pinter das Training beim Friesen-Klub übernommen. Der ehemalige Rapidler wies seinen Kader in den „Donaufußball“ ein, dessen Basis das schottische Flachpass- und Kombinationsspiel war und der einen von Jimmy Hogan geprägte Gegenentwurf zum englischen „kick-and-rush“ bildete. Der junge Lenstra wurde zu einem Bewunderer dieser Spielweise: „Ich hatte das Talent, aber ich habe auch viel gelernt, vor allem von Otto Pinter.“ Der Lehrmeister selbst verglich Lenstras Spielintelligenz und Technik mit der von Matthias Sindelar, der zentralen Figur des österreichischen „Wunderteams“.
1937 buhlte Huddersfield Town um Lenstras Dienste. Der AC Mailand bot 60.000 Gulden für einen Dreijahresvertrag und 325 Gulden Gehalt ohne Prämien. Auch Lokalrivale Inter bemühte sich um den Niederländer. Der AC Florenz lockte sogar mit 125.000 Gulden und schickte einen Blankoscheck nach Heerenveen. Doch Lenstra war nicht interessiert. Er wolle sich nicht als „Sklave“ verkaufen: „Wenn man Profi wird, hat man nichts mehr mitzureden, und der Klub kann machen, was er will.“
Ein reiner Amateur war aber auch Lenstra nicht mehr. In Heerenveens Gemeindeverwaltung verdiente er knapp 500 Gulden im Monat, fast das doppelte Salär eines normalen Arbeitnehmers. Nach der Legalisierung des Professionalismus wechselte Lenstra zum SC Enschede, zunächst als Halbprofi. 1958 betrug sein Verdienst bereits ca. 3.600 Gulden jährlich, womit er an der Grenze dessen lag, was der KNVB für die Profis genehmigt hatte. Hinzu kamen Einnahmen aus Länder- und Gastspielen. Und wie sein Freund und Manager Willem ter Riet später berichtete, zahlte ihm der Klub noch einmal monatlich 500 bis 600 Gulden „unter der Hand“. Im Mai 1958 nahm Lenstra – als erster niederländischer Sportler überhaupt – eine Schallplatte auf, auf der der Fußballstar die Titel „Geen worden, maar daden“ („Keine Worte, sondern Taten“) und „Bij ons in Holland“ („Bei uns in Holland“) trällerte.
Den aus Rotterdam stammenden Bram Appel zog es wie Kees Rijvers nach Frankreich. Im Zweiten Weltkrieg war der Mittelstürmer von den deutschen Besatzern zur Zwangsarbeit nach Deutschland gebracht worden, wo er ab 1942 für Hertha BSC Berlin auf Torejagd gegangen war. Nach Kriegsende kehrte Appel in die Heimat zurück, wo er für ADO Den Haag und Sittard kickte, bevor auch er dem Ruf des französischen Profifußballs folgte. Zur Saison 1949/50 nahm Stade Reims den Niederländer unter Vertrag. In den folgenden Jahren avancierte Stade zu einer nationalen und europäischen Topadresse. Bis 1954 spielte Appel u. a. an der Seite von Raymond Kopa, 1958 Europas Fußballer des Jahres, Albert Batteux, der bei der WM 1958 die Nationalmannschaft Frankreichs betreute, Robert Jonquet, Léon Glovacki, Armand Penverne und Roger Marche. Als Stade 1952/53 Meister wurde, schoss Appel in 32 Spielen 30 Tore. Im Jahr seiner Ankunft hatte er mit den Rémois bereits den Pokal geholt. 1954 wechselte der Torjäger in die Schweiz zu Lausanne Reims.
Für Wilkes, Rijvers und Appel bedeutete das Auslandsabenteuer eine Unterbrechung ihrer Nationalspielerkarriere. Wilkes und Rijvers gehörten zwar zur niederländischen Olympiamannschaft von 1948, aber anschließend wurde ihre Nationalspielerkarriere für mehrere Jahre beendet. Beide kehrten erst 1955 in die Nationalelf zurück. Ohne den Ausschluss der Auslandsprofis hätten die Niederlande wohl bereits in den frühen 1950ern über eine anständige und international konkurrenzfähige Nationalelf verfügt.
Deichbrüche
In jene Jahre, da die Elftal auf die Mitwirkung von Auslandsprofis verzichtete, fiel ein Benefizspiel, das historische Bedeutung erlangen sollte, da es als Katalysator für die weitere Entwicklung wirkte.
In der Nacht vom 31. Januar auf den 1. Februar 1953 waren große Teile der niederländischen Küste von einer Sturmflut heimgesucht worden, die als größte Nordsee-Flut des 20. Jahrhunderts gilt. Auf einer Strecke von 187 Kilometern brachen 89 Deiche. 1.835 Niederländer bezahlten die Katastrophe mit ihrem Leben. Die Regierung rief den Notstand aus, und überall im Land wurden Spenden gesammelt.
Auch der Fußball wurde aktiv. Am 7. März 1953 veranstaltete der KNVB in Rotterdam ein offizielles Spiel zugunsten der Stichting Nationaal Rampenfonds (Stiftung Nationaler Katastrophenfonds), bei dem die niederländische Nationalelf Dänemark empfing. Im Feyenoord-Stadion De Kuip unterlag die Elftal vor 60.000 Zuschauern mit 1:2, den Anschlusstreffer erzielte Abe Lenstra. Wer auch sonst, die anderen niederländischen Stars spielten ja im Ausland.
Der letzte Sieg einer KNVB-Auswahl lag nun bereits zehn Spiele und fast zwei Jahre zurück. Am 15. April 1951 hatte man den Nachbarn Belgien mit 5:4 besiegt. Zweimal hatte Lenstra zugeschlagen. Von den folgenden neun Spielen wurden sieben verloren, zwei endeten mit einem Unentschieden. Die gesamte Nachkriegsbilanz der Elftal war niederschmetternd. Von den 36 Spielen, die sie im Zeitraum 10. März 1946 bis 7. März 1953 bestritt, gingen 18 verloren. Nur elf Begegnungen wurden gewonnen, sieben endeten mit einem Unentschieden. Und diese Negativserie sollte weiter anhalten. Von den neun Spielen, die die Elftal nach dem Benefizspiel und bis zum Ende des Jahres 1954 absolvierte, gingen acht verloren. Ein Erfolgserlebnis gab es erneut nur gegen die Belgier.
Nur fünf Tage nach dem Benefizspiel von Rotterdam sorgte eine andere Begegnung für Wirbel. Auch die niederländischen Auslandsprofis wollten Geld für die gebeutelte Heimat sammeln und vereinbarten ein Spiel gegen eine französische Auswahl, die vornehmlich aus Akteuren von Stade de Reims (u. a. Kopa) und dem Racing Club Paris bestand. Die Initiative zu diesem Spiel war von Theo Timmermans ausgegangen, der seit 1950 bei Olympique Nimes spielte. Als 1961 die Profispieler-„Gewerkschaft“ Vereiniging van Contractspelers gegründet wurde, wählte man Timmermans zum ersten Präsidenten. Sein engster