Abbildung 5: Flüchtlinge werden in eine „Rote Kuh“ verladen.
Zwischen 1929 und 1931 hatten die Sowjets eine Million Bauern in „Roten Kühen“ deportiert, die aus Moskau täglich und aus den Provinzhauptstädten einmal in der Woche abfuhren. Deutsche aus dem Wolgagebiet sowie Angehörige anderer Nationalitäten und Minderheiten, die auf dem Gebiet der Sowjetunion lebten, waren auf diese Weise in die Verbannung geschickt worden, und nun waren eben die Polen an der Reihe, Katholiken wie Juden, darunter auch Hannan, Regina, Zindel und Ruchela Teitel. Und sie wussten es zwar nicht, aber Ruchelas Schwester Mascha Halberstadt, ihr Ehemann Yosef und ihre Kinder Sarah und Hannania, bei denen sie in Siematycze gewohnt hatten, wurden ebenfalls deportiert – mit einem anderen Zug an einem anderen Tag.
Auch Emma Perelgric, die jüngere Cousine von Hannan und Regina, die bei den Teitels die Sommerferien verbracht hatte und mit ihnen nach Osten geflüchtet war, und ihr Vater Adam wurden deportiert. Als Emma am 6. September mit ihren Onkeln die Stadt verlassen hatte, befanden sich Adam und seine Ehefrau Sura mit dem gemeinsamen Sohn in Warschau. Ende September war dann auch Adam auf die sowjetische Seite hinübergefahren, um seine kleine Tochter in Białystok abzuholen und mit ihr nach Warschau zurückzukehren. In Białystok wurden sie zuerst zwei Wochen lang aufgehalten, weil Emma krank war, und dann zusammen mit ihren Schleusern aufgegriffen und festgenommen, als sie schon auf dem Rückweg waren. Seinem Ausweisungsbescheid zufolge war Adam am 29. Juni 1940 festgenommen und zur Verbannung verurteilt und am 10. Juli deportiert worden. Glaubt man den Unterlagen, so wurde Emma schon drei Tage vorher abtransportiert, auch wenn sie in meinen Interviews mit ihr immer darauf bestanden hat, ihr Vater und sie seien zusammen weggebracht worden.
Zu dem Zeitpunkt, als die Teitels, die Perelgrics und die Halberstadts deportiert wurden, gab es in Ostrów – mit Ausnahme von einigen Dutzend Schneidern, Handwerkern, Gärtnern und anderen Fachleuten, die man zum Dienst für die deutschen Besatzer in der Stadt am Leben gelassen hatte – keine jüdischen Einwohner mehr. Warschau, wo Sura Perelgric und ihr Sohn Daniel verblieben waren, stand ebenfalls unter deutscher Besatzung. Mutter und Sohn lebten weiter in ihrer Wohnung in der Ulica Sienna 72, bis sie schließlich in die Marszałkowska umgesiedelt wurden, die innerhalb des Warschauer Ghettos lag.
Was aber die Deportierten betrifft: Ihre Züge setzten sich meist am frühen Morgen in Bewegung, und ihre Insassen verstanden schon bald, dass man sie keineswegs in Richtung Westen, nach Warschau oder Ostrów Mazowiecka, transportierte, sondern vielmehr nach Osten, einem unbekannten Ziel zu. Ob sie nun einige Tage oder aber Monate unterwegs sein würden – wer konnte das schon sagen?
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