»Na ja«, meinte der Professor, »ich halte das für ganz vernünftig. Sie können doch nicht dauernd auf dem Tisch bleiben!«
Doch der kleine Mann hatte heute keinen Sinn für Späße. »Das Stubenmädchen hat sie mir gezeigt«, erzählte er eifrig. »Sie sind gestreift und sehen aus wie viel zu kleine Tiger.«
»Haben sie dich gekratzt?«
»Überhaupt nicht!«, versicherte der Junge. »Wir waren sogar sehr nett zueinander. Sie haben geschnurrt und ich hab sie mit ein bisschen Hackfleisch gefüttert.«
Der Professor musterte ihn von der Seite. Dann fragte er: »Was hast du vor? Hm? Was führst du im Schilde? Heraus mit der Sprache!«
Mäxchen holte tief Luft und erklärte nach einer Pause: »Ich werde sie dressieren und im Zirkus vorführen.«
»Wen? Das Stubenmädchen?«
»Nein!«, rief der Junge erbost. »Die Kätzchen!«
Jokus von Pokus setzte sich verblüfft auf den Stuhl und schwieg zwei bis drei Minuten. Schließlich schüttelte er den Kopf, seufzte und sagte: »Katzen kann man nicht dressieren. Ich dachte, du wüsstest das.«
Mäxchen lächelte siegesgewiss. Dann fragte er: »Sind die Löwen keine Katzen?«
»Doch, doch. Sie gehören zu den Raubkatzen. Da hast du recht.«
»Und die Tiger? Und die Leoparden?«
»Das sind auch Raub- und Großkatzen. Da hast du schon wieder recht.«
»Setzen sie sich, wenn der Dompteur es will, auf hohe Podeste? Springen sie durch Reifen?«
»Sogar durch brennende Reifen«, ergänzte der Professor.
Der Junge rieb sich vergnügt die Hände. »Da hast du’s!«, rief er triumphierend. »Wenn man so riesige Katzen dressieren kann, dann kann man doch Kätzchen erst recht dressieren!«
»Nein«, sagte der Professor energisch, »das kann man eben nicht!«
»Und warum nicht?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Aber ich weiß den Grund«, erklärte Mäxchen stolz.
»Nun?«
»Weil es noch kein Mensch versucht hat!«
»Und du willst es versuchen?«
»Jawohl! Ich habe schon einen Namen für die Nummer! Auf den Plakaten wird stehen ›Mäxchen und seine vier Kätzchen, der atemraubende erstmalige Dressurakt!‹. Vielleicht erscheine ich mit einer schwarzen Maske! Und eine Peitsche zum Knallen brauche ich außerdem. Aber die habe ich schon. Ich nehme die Peitsche von meiner alten Spielzeugkutsche.«
»Na, dann viel Spaß, junger Freund!«, sagte der Herr von Pokus und schlug die Zeitung auf.
Schon am nächsten Morgen stellte das Stubenmädchen vier niedrige Fußbänke ins Zimmer 228. Die vier kleinen Katzen schnupperten neugierig an den Bänkchen herum, trollten sich aber bald wieder in ihren Korb zurück und rollten sich faul zusammen.
Dann erschien der Etagenkellner. In der linken Hand trug er einen Teller mit Schabefleisch, in der rechten Hand hielt er Mäxchen. Und dieser hielt in der rechten Hand die lackierte Spielzeugpeitsche und in der linken einen spitzen Zahnstocher. »Zum Abwehren der Raubtiere«, erklärte er. »Falls sie den Dompteur angreifen sollten. Und fürs Aufspießen vom Futter.«
»Soll ich hierbleiben?«, fragte der Kellner freundlich.
»Nein, bitte nicht«, sagte der kleine Mann. »Das erschwert die Dressur. Es lenkt die Tiere ab.«
Der Kellner ging also wieder.
Der Dompteur war mit seinen vier Opfern allein. Sie blinzelten zu ihm hin, gähnten lautlos, streckten sich und begannen einander zu putzen, als wären sie seit einer Woche nicht mehr gewaschen worden.
»Jetzt hört einmal gut zu«, rief der Junge schneidig. »Mit dem faulen Leben ist es vorbei. Ab heute wird gearbeitet. Habt ihr mich verstanden?«
Sie putzten sich weiter und taten, als seien sie schwerhörig. Er pfiff. Er schnalzte mit der Zunge. Er klemmte die Lackpeitsche unter den Arm und schnippte mit den Fingern. Er klemmte den Zahnstocher unter den anderen Arm und klatschte in die Hände. Er knallte mit der Peitsche. Er stampfte mit dem Fuß auf. Die Katzen stellten nicht einmal die Ohren hoch.
Erst als Mäxchen mit Hilfe des Zahnstochers einige Brocken Fleisch auf die Fußschemel bugsiert hatte, wurden die vier lebendig. Sie hüpften aus dem Korb heraus, sprangen auf die Schemel, verschlangen die Bröckchen, leckten sich die Lippen und blickten ihren Dompteur erwartungsvoll an.
»So ist’s recht!«, rief er begeistert. »Bravo! Nun müsst ihr Männchen machen! Allez hopp! Die Vorderpfoten hoch!« Er stieß die Peitsche in die Luft.
Aber die Kätzchen hatten ihn wohl missverstanden. Oder sie hatten gerochen, dass es im Zimmer 228 noch mehr Hackfleisch gab. Jedenfalls sprangen sie in hohem Bogen von den Schemeln hinunter, liefen schnurstracks zum Teller und machten sich darüber her, als seien sie kurz vorm Verhungern.
»Nein!«, schrie der kleine Mann empört. »Lasst das sein! Auf der Stelle! Könnt ihr denn nicht hören?«
Sie konnten nicht hören. Sogar, wenn sie gewollt hätten.
Doch sie wollten ja gar nicht. Sie schmatzten, dass der Teller zitterte. Mäxchen zitterte noch viel mehr. Aber er zitterte vor Zorn.
»Das Schabefleisch kriegt ihr erst später! Vorher müsst ihr Männchen machen! Und im Gänsemarsch laufen! Und von einem Schemel auf den nächsten springen! Habt ihr mich verstanden?«
Er schlug mit der Peitsche auf den Teller.
Da nahm ihm eine der Katzen die hübsche Lackpeitsche weg und biss sie mittendurch.
Als Professor Jokus von Pokus, in Gedanken versunken, den Hotelkorridor entlangkam, hörte er aus dem Zimmer 228 kleine spitze Hilferufe. Er riss die Tür auf, schaute sich suchend um und begann zu lachen.
Die vier Katzen saßen unten vor dem Waschbecken und blickten gespannt in die Luft. Ihre Schnurrbärtchen waren gesträubt. Die Schwänzchen klopften den Fußboden. Und oben, auf dem Beckenrand, hockte Mäxchen in einem Zahnputzglas und weinte. »Hilf mir, lieber Jokus!«, rief er. »Sie wollen mich fressen!«
»Ach, Unsinn!«, sagte der Professor. »Du bist doch nicht aus Hackfleisch! Und eine Maus bist du auch nicht!« Dann holte er den Jungen aus dem Zahnputzglas heraus und betrachtete ihn gründlich und von allen Seiten. »Dein Anzug ist ein bisschen zerrissen und auf der linken Backe hast du einen Kratzer. Das ist alles.«
»So ein Gesindel!«, schimpfte Mäxchen. »Erst haben sie meine Peitsche zerbrochen und den Zahnstocher zerkaut und dann haben sie Fußball gespielt!«
»Wer war denn der Fußball?«
»Ich! Ach, lieber Jokus! Sie haben mich in die Luft geworfen und aufgefangen und unters Bett geschossen und wieder vorgeholt und übers Parkett getrieben und wieder hoch in die Luft geschleudert und wieder unters Bett geschossen und vorgeholt und unterm Teppich verbuddelt und wieder herausgeangelt, es war furchtbar! Wenn ich nicht das Handtuch erwischt hätte und aufs Waschbecken und ins Zahnputzglas geklettert wäre, wer weiß, ob ich noch lebte!«
»Armer Kerl«, meinte der Professor. »Doch nun ist es ja vorbei. Jetzt wasch ich dich und bring dich ins Bett.«
Die vier Kätzchen blickten verdrossen hinter dem Professor drein. Es kränkte sie, dass ihnen der große Mann den kleinen Fußball weggenommen hatte, der so hübsch brüllte, wenn man mit ihm spielte. Dann dehnten sie die Hinterbeine, spazierten zu dem Teller hinüber und steckten die Nasen hinein. Aber der Teller war und blieb ratzeputzeleer.
Die