18Künstliche Intelligenz bei der Zurich Versicherung – Anwendungen und Beispiele
Michael Zimmer · Jörg Narr · Ariane Horbach · Markus Hatterscheid
18.1Herausforderungen innerhalb der Versicherungsbranche
18.2KI bei der Zurich Versicherung
18.3.1Analyse von Leistungsinformationen mithilfe von MedEye
18.3.2Bilderkennung im Antragsprozess der Motorfahrzeugversicherung in der Schweiz
18.3.3Betrugserkennung im Kfz-Bereich
1Einleitung
Uwe Haneke · Stephan Trahasch · Michael Zimmer · Carsten Felden
1.1Von Business Intelligence zu Data Science
Seit dem Jahr 2015 hat sich die Welt der Business Intelligence (BI) schnell und signifikant verändert. Big Data und die damit zusammenhängenden Entwicklungen im Bereich der Data Science haben auch die Business Intelligence nicht unberührt gelassen. Und so sehen wir aktuell eine Erweiterung der bisherigen BI-Systeme und Architekturen, die die betrieblichen Informationssysteme agiler, schneller, mächtiger und passgenauer machen. Die neue BI-Welt enthält heute eine integrierte analytische Komponente, die weit über das hinausgeht, was man bis vor Kurzem noch kannte.
Dabei ist es nicht so, dass Analytics etwas grundlegend Neues in der Business Intelligence wäre. Allerdings vermochte es Data Science mit ihrem Hintergrund auf der wissenschaftlich, technischen Ebene, einen Innovationsschub auszulösen, dessen Ende noch nicht absehbar zu sein scheint. Die nachfolgenden Ausarbeitungen stellen daher zunächst dar, wie die bisherige BI-Entwicklung beginnend in den 1960er-Jahren bis heute verlief. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die Business Analytics gelegt, die sich im Grunde genommen als das Pendent der Data Science in der Business Intelligence interpretieren lässt. Stubbs sieht dabei Business Analytics wie folgt [Stubbs 2013]:
»The cornerstone of business analytics is pure analytics. Although it is a very broad definition, analytics can be considered any data-driven process that provides insight. It may report on historical information or it may provide predictions about future events; the end goal of analytics is to add value through insight and turn data into information.«
Stubbs Definition und unser Verständnis von Data Science, das wir in diesem Buch zugrunde legen wollen, überlappen sich damit großteils. Im Folgenden wird im Buch der Begriff Business Analytics zwar zugunsten von Data Science (vgl. Abschnitt 1.2) aufgegeben, der für die datenanalytischen Methoden und Vorgehensweisen stehen soll. Zum besseren Verständnis und um nicht zuletzt die Ähnlichkeiten im Vorgehen zu veranschaulichen, erfolgt aber zunächst eine Herleitung des Begriffs Business Analytics.
Was aber ist das Ziel der Business Analytics und inwieweit wird sich die Rolle von Business Analytics durch Methoden und Technologien aus dem Bereich Big Data und Data Science verändern? Haben die Unternehmen mit Business Analytics nicht auch Data Mining betrieben? Diese Fragen lassen sich beliebig erweitern. Leider stehen den Fragen nur wenige präzise Antworten gegenüber. Wenn man versucht, sich diesem Thema von einer fachlichen Seite zu nähern, stellt man schnell fest, dass die Datenorientierung im betriebswirtschaftlichen Handeln zugenommen hat. Diese Zunahme entsteht auch durch die wachsende Integration unterschiedlicher unternehmensinterner und -externer Systeme. Basierend auf entstehenden Datensammlungen werden im Unternehmen schon von jeher Entscheidungen getroffen. Aktuell ist jedoch eine deutliche Zunahme der Datenorientierung bei Entscheidungen auf allen Unternehmensebenen zu verzeichnen. Dabei gerät nun auch zunehmend die technische und methodische Unterstützung bei der Entscheidungsfindung in die Diskussion – und im BI-Umfeld finden wir diese Diskussion unter der Überschrift Business Analytics.
Unter Business Analytics wird die kontinuierliche Erforschung und Untersuchung von vergangenheitsorientierten Geschäftsdaten verstanden, um darin Erkenntnisse sowohl über die abgelaufene als auch die kommende Geschäftstätigkeit zu erlangen, die wiederum in die einzelnen zu planenden Geschäftsaktivitäten einfließen [Felden 2012]. Die Kontinuität entsteht durch die regelmäßige Ausführung von Analysetätigkeiten, die sich entsprechend in einer Ablauforganisation implementieren lassen. Iterativ sind derartige Aktivitäten, weil im Analyseprozess häufig eher neue Fragen als abschließende Antworten entstehen, die letztlich zu untersuchen sind. So kann die bisherige Geschäftstätigkeit nachvollzogen werden, um Verbesserungen bei neuen Handlungen zu ermöglichen.
Letztlich ist Business Analytics ein Prozess, der aus den in der folgenden Abbildung gezeigten Schritten besteht und eng an das in Abschnitt 1.3 vorgestellte CRISP-DM angelehnt ist.
Abb. 1–1 Schritte der Business Analytics
Das fachliche Verständnis bestimmt die Auswahl der Daten, wobei dabei oftmals Rückfragen bzw. Nachbesserungen erforderlich sind, sodass fachliches Verständnis und Datenverständnis interdependent sind. Die vorliegenden Daten werden entsprechend aufbereitet in ein Modell überführt. Dabei bringt es die Modellbildung mit sich, dass die Aufbereitung neuerlich durchzuführen ist, da beispielsweise ein anderer Algorithmus als ursprünglich geplant genutzt wird. Die erzeugten Modelle sind zu evaluieren und deren Ergebnisse zur Nutzung an die jeweiligen Anwender weiterzuleiten. Die Erkenntnisse aus deren Nutzung fließen wieder als fachliches Verständnis in einen neuen Durchlauf ein.
Bereits seit Ende der 1990er-Jahre ist der KDD-Prozess (KDD = Knowledge Discovery in Databases) mit seinen Schritten der Datenauswahl, Vorverarbeitung, Transformation, Data Mining und der Ergebnisinterpretation theoretische Grundlage marktgängiger Software.