Grenzgänger: Deutsche Interessen und Verantwortung in und für Europa. Joachim Bitterlich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim Bitterlich
Издательство: Автор
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Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783838274508
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wurden, die der EVP angehörten, sondern auch für andere, wie z.B. für Österreich!

      Teil dieses Netzwerkes waren in jenen Jahren auch meine Kollegen, Kabinettchefs oder diplomatische Berater der jeweiligen Regierungschefs. Und auch insoweit blieb das Verhältnis zu einem Teil eine gute, professionelle Beziehung, mit anderen wurde daraus ein sehr freundschaftliches Verhältnis, das zum Teil bis heute besteht. Ich nenne als Beispiele bewusst die Freunde aus den „kleineren“ Mitgliedstaaten der EU, Martine Schommer, die hoch engagierte und sehr offene Luxemburgerin, Dominique Struye van Zwielande, den bedächtigen, immer verlässlichen Freund aus Brüssel, oder Niels Egelund, den dänischen Freund, den ich Jahre später in Paris wieder treffen sollte. Ich müsste über andere berichten wie die spanischen und italienischen Freunde, Ricardo Diez-Hochleitner und Umberto Vattani – und doch dies ist nur ein kleiner Teil einer oft verschworenen kleinen Gemeinschaft!

      Ich hatte die Chance, in den Jahren an der Seite Helmut Kohls drei Premierminister des Vereinigten Königreichs zu erleben, zunächst Margret Thatcher, dann John Major und schließlich ab 1997 Tony Blair.

      Margret Thatcher war für Helmut Kohl eingedenk ihres Misstrauens gegenüber Deutschland und gegenüber dem überzeugten Europäer Kohl wohl die schwierigste Partnerin. Der Bundeskanzler tat das ihm mögliche, um immer wieder die Brücke für das Vereinigte Königreich nach Europa zu bauen. Doch er biss bei ihr auf Granit!

      Auch die Tatsache, dass Charles Powell, ihr engster außenpolitischer Berater, in Brüsseler Tagen mein Kollege in einer der vertraulichen Arbeitsgruppen des Rates war, erwies sich für mich als nicht besonders hilfreich. Respekt vor dem anderen vielleicht ja, aber Vertrauen entstand daraus kaum.

      Thatchers Misstrauen gegenüber Helmut Kohl wurde durch die Beratungen in der EU im Jahre 1988 noch stärker, ihre Haltung gegenüber der deutschen Einheit musste überzogen und selbst den Amerikanern befremdlich erscheinen. Letztlich hat Helmut Kohl in den Jahren 1988/89, beginnend mit der Sondertagung des Europäischen Rats im Februar 1988, dann aber vor allem durch die deutsche Wiedervereinigung, ganz entscheidend zu ihrem Niedergang und Ende beigetragen.

      John Major hatte als ihr Nachfolger von Anfang an einen schweren Stand innerhalb der konservativen Partei. Sein Ton war gemäßigter, sein Bemühen um Ausgleich wirkte offener, und doch seine Margen waren beschränkt. Sein Verhältnis zu Helmut Kohl wurde durch die beiderseitige herzliche Abneigung gegen Margaret Thatcher erleichtert und durch gegenseitiges Vertrauen und Respekt geprägt. Dies zeigte sich vor allem in Maastricht und in der Folge um die Sicherung der Ratifikation durch das Unterhaus. In Maastricht war er gehalten, das Paket der von Kohl geförderten „sozialen Dimension“ abzulehnen wie auch deutsch-französische Anliegen zugunsten einer stärkeren gemeinsamen Verankerung der Außen- und Sicherheitspolitik die Zähne zu ziehen – aufgrund der Einstimmigkeit im Rat kamen wir an ihm, am Vereinigten Königreich nicht vorbei.

      Und in der Folge machten wir in Sachen Umsetzung des in Maastricht als Kompromiss vereinbarten „Subsidiaritätsprinzips“ alle Verrenkungen, um ihm innenpolitisch entgegen zu kommen. Wir stimmten einem Gipfeltreffen zu diesem Thema unter britischem Vorsitz – im Herbst 1992 in Birmingham – zu, um die Konturen dieses Prinzips zu schärfen – vieles der damaligen Debatte erinnert an die heutige Diskussion der britischen Konservativen über Europa und zum Brexit!

      Trotz aller gegenseitigen Bemühungen blieb das Verhältnis auch in der Zeit von John Major gespannt, Querschläger kamen von innen, aus der konservativen Partei und vor allem auch aus den Medien. Betroffen davon war nicht nur Helmut Kohl selbst, sondern auch die Mitarbeiter. So zerriss im August 1992 unter dem Titel „After you, Helmut“ der damalige EG-Korrespondent des Daily Telegraph, Boris Johnson, heute Premierminister Ihrer Majestät, die Politik John Majors. Der Bösewicht für ihn war aber nicht Helmut Kohl, sondern vor allem ein gewisser Joachim Bitterlich!

      Tony Blair wurde Mitte der neunziger Jahre mit seinem Slogan „New Labour, new Britain“ zum „shooting star“ von Labour und gewann im Frühjahr 1997 die Unterhauswahlen gegen die Konservativen. Blair schien sich auf den ersten Blick ernsthaft durchaus um ein entspannteres Verhältnis zu Deutschland und zu Helmut Kohl zu bemühen, in Wahrheit setzten er und sein Team aber auf einen Regierungswechsel in Deutschland. Kurz nach seinem Amtsantritt gab er beim Europäischen Rat in Amsterdam die britische „Nicht“- oder „Sonder“-Rolle in Bezug auf die soziale Dimension der EU auf, er warf unnötigen Ballast ab und schien bemüht, mit dabei zu sein – aber auch er blieb letztlich vorsichtig – distanziert.

      Er hatte um sich ein exzellentes Team von engagierten Mitarbeitern geschart, Peter Mandelson, Jonathan Powell – der jüngere Bruder von Charles Powell, und Alastair Campbell, seinen Medienstrategen oder „spin doctor“ – dem ich in Brüssel 1999 während des Kosovo-Konflikts wieder begegnen sollte. Diese Mannschaft hatte mit uns wenig am Hut, sie setzte auf den Wechsel in Bonn und war nicht immer „sauber“ gegenüber uns! Die Erinnerungen von Jonathan Powell „The New Machiavelli“ unterstreichen diese Haltung in besonderer Weise. Eine wohltuende Ausnahme bildete Peter Mandelson, mit dem Gespräche, auch später als er Mitglied der EU-Kommission wurde, immer ein Vergnügen waren. Er versuchte ernsthaft, Deutschland zu verstehen und gemeinsames Handeln zu fördern. Er gehört – zusammen mit dem Freund Kenneth Clarke bei den Konservativen – zu der kleinen Kaste von Europa-Kennern und -Verstehern auf der Insel.

      Zu Spanien wurde das Verhältnis in den Jahren an der Seite Helmut Kohls durch sein überaus freundschaftliches Verhältnis zu Felipe Gonzalez geprägt – eine Entwicklung, die manche meiner sozialdemokratischen Freunde als die Erfüllung eines an Helmut Kohl angetragenes Vermächtnis von Willy Brandt ansahen. Es war Helmut Kohl, der Willy Brandts Bitte umsetzte, beim