Tripod – Das schwarze Kätzchen. Hanna Nolden. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hanna Nolden
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783959593090
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die Hälfte des Tages auf Facebook rumhingen und die andere Hälfte des Tages ihre Tastaturen quälten. Und zweimal im Jahr trafen sie sich auf den Buchmessen und schmissen wilde Partys. Oder so ähnlich. Er konnte sich die Namen von Mamas Freunden jedenfalls nicht merken und hatte keine Ahnung, wer diese Tanja war.

      „Sie hat uns etwas mitgebracht. Ein Geschenk. Für dich.“

      Ben sah sie verwundert an. Ein Geschenk? Für ihn? Was sollte das sein?

      „Schreibt sie etwa Lebenshilfebücher?“, fragte er, schon wieder etwas zu schroff.

      „Heldenromane“, erwiderte Mama. „Und Homoerotik.“

      Sie grinste ihn frech an und freute sich offenbar über sein entsetztes Gesicht. Na, das war bestimmt ein super Geschenk! Mama beachtete ihn jetzt nicht mehr und er sah stur aus dem Fenster und versuchte, die Neugier zu verdrängen. Aber ganz gelang es ihm nicht.

      Kapitel 3

      Neugierig sah ich mich in meinem neuen Zuhause um. Das Haus hatte viele Zimmer und wenn ich das richtig verstanden hatte, durfte ich sie alle benutzen, nicht nur eines. Aber am Anfang sollte ich in der Küche bleiben. Die Küche war ein großer, sehr heller Raum, in dem, den herrlichen Gerüchen nach zu urteilen, meine neue Familie Essen zubereitete. Auch ich sollte hier mein Essen bekommen. Das wusste ich schon mal. Tante Tanja packte aus, was sie noch an Futter-Vorräten übrighatte und erklärte Karin, was ich gerne aß. Karin richtete mir auch gleich etwas auf einem Tablett her und stellte es auf den Boden. Ich war von der langen Autofahrt durstig, hüpfte aus meiner Transportbox und stürzte mich gleich auf den Wassernapf. Hmmm. Reisen machte auch irgendwie hungrig, also probierte ich danach sofort das Futter. Schließlich hatte Tante Tanja es mitgebracht, dann konnte es ja nicht schlecht sein. Karin und Tanja lachten.

      „Na, der ist ja kein bisschen schüchtern“, meinte Karin.

      „Der ist sogar richtig frech“, verriet ihr Tante Tanja, was wiederum ich von ihr ein bisschen frech fand. „Er wird euch viel Freude bereiten.“

      Jetzt seufzte Karin und ließ sich auf einen Stuhl sinken. Sie griff nach ihrer Kaffeetasse und rührte darin.

      „Ich wünschte, Ben würde mal wieder so etwas wie Freude empfinden. Er verbringt die ganze Zeit nur mit diesem Onlinespiel. Also, nicht dass es mich stören würde, dass er viel vor dem Computer sitzt, aber etwas Kreativität würde ihm guttun.“

      „Naja, frische Luft schadet auch nicht“, warf Tante Tanja ein, doch Karin schob bloß die Schultern hoch.

      „Mag sein. Dein kleiner Flint wird es jedenfalls gut bei uns haben, ganz gleich wie Ben auf ihn reagiert. Ich bin ja auch noch da.“

      „Irgendwann wird es besser“, versprach Tante Tanja und ich wurde immer gespannter, wer dieser Ben war. Auf jeden Fall brauchte er wohl einen Freund. Ich sah mich ein wenig in der Küche um, hüpfte auf den Tisch und auf die Arbeitsplatten, aber jedes Mal, wenn ich das tat, setzte Karin mich zurück auf den Boden. Hm. Das sollte ich wohl nicht. Schade. Wenn ich in der Küche nicht klettern und hüpfen durfte, würde das ziemlich langweilig werden. Hoffentlich war in den anderen Zimmern mehr erlaubt! Ich knusperte noch etwas Trockenfutter und achtete nicht mehr auf das Gespräch der beiden Frauen. Sie redeten jetzt über Bücher und Kollegen und knabberten Kekse, die ich nicht mochte. Welche mit Zimt. Pfui bäh! Irgendwann blickte Karin auf die Uhr und meinte: „Ich fahre dann jetzt mal zur Schule und hole Ben ab.“

      Jetzt wurde ich wieder aufmerksam. Wir würden Ben abholen? Super Idee! Dann lernte ich ihn endlich kennen! Ich sprang auf und wollte Karin in den Flur folgen. Lachend beugte sie sich zu mir herunter und schob mich sanft zurück in die Küche.

      „Du musst erst einmal hierbleiben“, erklärte sie mir. „Nachher darfst du vielleicht den Rest des Hauses sehen. Bis gleich!“

      Nachher! Immer nachher, maulte ich. Aber ich wollte nicht undankbar sein. Immerhin war sie ziemlich nett zu mir. Tante Tanja und ich kuschelten ein wenig, während wir warteten. Jetzt war ich doch ganz froh, dass ich nicht mitfahren durfte, um Ben abzuholen. Immerhin hatte ich gerade eine Autofahrt hinter mir und ich wusste nicht, wie es dort draußen aussah. Wir waren jetzt in der Stadt, hatte Tante Tanja mir erklärt. Ich wusste nicht, ob es in der Stadt auch große gelbe Maschinen gab, aber ich hatte es jetzt nicht mehr so eilig, das herauszufinden. Trotzdem war ich aufgeregt. Bald würde ich Ben kennenlernen! Ben, der einen Freund brauchte. Einen Freund wie mich. Das würde bestimmt großartig werden. Jawohl!

      Kapitel 4

      Mama fuhr in die Garage, und das Tor schloss sich ratternd. Sie stieg gut gelaunt aus, während Ben ihr immer noch ein wenig missmutig folgte. Besuch war immer blöd. Noch mehr Leute, die über sein Bein Bescheid wussten und ihn komisch ansahen. Am meisten hasste er das Mitleid in ihren Augen. Er wollte kein Mitleid. Er wollte, dass die Leute ihn behandelten wie jeden anderen Menschen auch. Naja, er würde höflich Hallo sagen und dann durfte er sich hoffentlich verabschieden und in sein Zimmer gehen, um sich wieder bei Knights of Maira einzuloggen und ein paar Orks zu schlachten. In seiner Gilde wusste niemand von seinem amputierten Bein. Naja, bis auf Oliver, seinen ehemaligen Zimmernachbarn, der ihn überhaupt erst auf das Spiel gebracht hatte. Sie unterhielten sich beim Zocken im Teamspeak. Die anderen aus ihrer Gilde waren darauf konzentriert, ihre Werte zu verbessern und Questgegenstände zu finden oder Raids und PVP-Kämpfe zu planen und durchzuführen. Oliver und Ben hingegen war etwas Anderes wichtiger. Ja, sie machten auch Quests, aber sie verbrachten mehr Zeit damit, einfach durch die wunderschöne Landschaft von Maira zu laufen und zu genießen, dass sie im Spiel zwei gesunde Beine hatten. Gestern Abend hatten sie beide endlich genug Geld zusammen gehabt, um sich Pferde zu kaufen, und Ben konnte es kaum erwarten, mit Oliver einen Ausritt zu machen. Aber erst musste er Mamas Besuch überleben.

      Mama zog sich im Flur die Schuhe aus und hängte ihre Jacke an die übervolle Garderobe. Ben folgte ihrem Beispiel. Dann öffnete sie die Küchentür. Am Esstisch saß eine rothaarige Frau, die Ben noch nie gesehen hatte.

      „Ben, das ist Tanja“, stellte seine Mutter sie einander vor, und Ben murmelte ein halbwegs höfliches „Guten Tag.“. In dem Moment sprang ein schwarzes Kätzchen auf den Küchentisch, und seine Mutter strahlte ihn an. „Ja, und das ist Flint. Dein neues Haustier.“

      Ben runzelte die Stirn. Er hatte nie gesagt, dass er ein Haustier wollte! Eigentlich sollte seine Mutter wissen, dass er sich nichts aus Tieren machte.

      „Hallo, Flint“, sagte er gelangweilt und drehte sich zu seiner Mutter um, um ihr zu sagen, dass er die Katze nicht wollte. So ein Tier machte doch nur Arbeit. Dauernd musste man das Klo saubermachen und sie füttern ,und dann hinterließen sie auch noch überall ihre Haare. Aber Flint ließ sich nicht so leicht abwimmeln. Er sprang vom Küchentisch und strich Ben laut schnurrend um die Beine. Ben verzog verärgert den Mund. Das war doch ein Komplott! Er ging in die Knie, um das Kätzchen wegzuschieben und erst da sah er es: Das Kätzchen hatte nur drei Beine! Wütend schoss Ben in die Höhe und funkelte seine Mutter an: „Und du glaubst, das löst alle Probleme, ja? Besorgst mir eine behinderte Katze und schon bin ich wieder glücklich. Aber so läuft das nicht!“ Die Formulierung „so läuft das nicht“ machte ihn gleich noch zorniger. Er schnappte sich seinen Rucksack und rief: „Ich bin in meinem Zimmer!“

      Kapitel 5

      Entsetzt sah ich Ben nach, der aus der Küche hinausrannte und eine Art Berg hinaufstürmte. Was war das denn? Hatte der mich gerade behinderte Katze genannt? Na, dem würde ich was husten! Mit gesträubtem Nackenfell und durchgebogenem Rücken hopste ich auf den Berg zu und versuchte, die erste Stufe zu erklimmen. Karin hob mich hoch, vergrub die Nase in meinem Fell und trug mich zurück in die Küche. Ich bemerkte ihre Tränen und fing an zu schnurren. Hoffentlich würde sie mich nicht wegschicken, wo Tante Tanja doch gesagt hatte, ich könnte nicht bei ihr bleiben.

      „Was machen wir jetzt?“, fragte Tante Tanja, und Karin schob die Schultern hoch. Sie knuddelte mich, und ich schnurrte noch heftiger.

      „Ach,