„Weißt du, wer das ist?“, stieß Walter Schmidt aufgeregt hervor.
„Nö, woher denn?“
„Das ist Petra. Petra Bachmann. Eigentlich heißt sie ja jetzt Praetorius, hat vor zwei Jahren geheiratet. Ich hab’s zufällig in der Zeitung gelesen. Ihr Vater ist Horst Bachmann, ein ebenso reicher wie einflussreicher Bankier.“
„Und woher kennst du sie?“, fragte Felix Lehmann beeindruckt.
Walter Schmidt grinste breit. „Wir haben zusammen im Sandkasten gespielt, und als wir älter wurden, gab’s da noch ein paar andere nette Spielchen ...“
Der Pizzabäcker kräuselte die Nase. „Ich glaube, jetzt gibst du an.“
„Petra und ich haben uns nicht übel verstanden, aber ich war ihrem Vater nicht gut genug. Ich war in seinen Augen ein Strolch, ein Taugenichts, ein Tagedieb.“
„Was der Mann für ’ne phantastische Menschenkenntnis hat“, feixte der lange Blonde.
„Noch so eine Bemerkung, und deine Zahnbürste greift morgen ins Leere, mein Junge“, warnte Walter Schmidt und rutschte vom Hocker. „Alles, was an diesem Tisch gegessen und getrunken wird, geht auf meine Rechnung, klar?“
„Kannst du dir das überhaupt leisten?“
Walter Schmidt lachte. „Klar doch! Ich lass einfach anschreiben. Oder habe ich in diesem Rattenloch etwa keinen Kredit mehr?“ Er entfernte sich, seinen Cinzano-Soda nahm er mit. Er pflanzte sich vor Petras Tisch auf, setzte ein verwegenes Siegerlächeln auf und fragte mit dunkler Stimme: „So allein, schöne Frau?“
Eine so plumpe Anmache ärgerte Petra, deshalb wollte sie dem Aufreißer empfehlen, er möge sich dahin scheren, wo der Pfeffer wächst, oder, noch besser: gleich zum Teufel.
Sie hob den Kopf, und ihr Blick war eiskalt und abweisend, doch in der nächsten Sekunde hellte sich ihre Miene auf, und sie rief erfreut: „Walter! Was tust du denn hier?“
„Ich bin in diesem Lokal Stammgast“, antwortete Walter Schmidt. „Der Pizzabäcker ist mein Freund. Wir wohnen zusammen. Er und noch ein paar andere ausgeflippte Typen. Darf ich mich zu dir setzen?“
„Aber ja!“
„Du siehst toll aus, Petra.“
Er ist es, dachte sie spontan. Er soll der Vater meines Kindes sein.
„Ich habe Hunger“, sagte sie.
Er empfahl ihr, was sie essen sollte. „Das ist das einzige, was hier nicht nach geschmolzenen Autoreifen schmeckt“, scherzte er.
Sie lachte. Wunderschön war sie und begehrenswert. Er fühlte sich unheimlich stark zu ihr hingezogen. Felix hatte mit seinem Kennerblick festgestellt, dass sie Anschluss suchte. Wenn das wirklich stimmte, musste sie sich zu Hause mit ihrem Ehemann überworfen haben, und nun war sie anscheinend auf der Suche nach Trost in den Armen eines anderen Mannes.
Kann sie haben, dachte Walter Schmidt begeistert. Ich bin zu jeder Schandtat bereit. Sie braucht mich nicht einmal besonders lange zu bitten.
„Isst du mit mir?“, fragte Petra.
Er schüttelte den Kopf. „Nein, ich hab’ schon gegessen. Aber du bist auf jeden Fall mein Gast.“ Sie wollte etwas sagen, doch er hob gebieterisch die Hand. „Keine Widerrede.“ Er bestellte Wein. Valpolicella – rot wie Stierblut.
Nach dem Essen, als sie bei der zweiten Flasche Valpolicella angelangt waren, schüttelte Petra lächelnd den Kopf. Sie war schon ein wenig beschwipst.
„Was ist?“, fragte Walter.
„Dich hier zu treffen, damit hätte ich am allerwenigsten gerechnet.“
„Denkst du, ich hätte geahnt, dass du in dieses Lokal reinschneien würdest?“, sagte Walter. „Zufälle gibt es, die dürfte es eigentlich gar nicht geben, was?“ Er achtete darauf, dass sie mehr trank als er. Petra leerte Glas um Glas.
„Kummer ist leichter als Wein“, belehrte Walter sie. „Du kannst ihn nicht ertränken. Selbst wenn du noch so viel Valpolicella in dich hineinschüttest, der Kummer wird immer obenauf schwimmen.“
Petra sah ihn traurig an.
„Du heißt jetzt Praetorius, nicht wahr?“, sagte Walter.
„Woher weißt du es?“, fragte Petra.
Er zuckte die Schultern. „Ich war zwar nicht zur Hochzeit eingeladen, aber ich hab’s in irgendeiner Zeitung gelesen.“
„Ja, ich heiße jetzt Praetorius. Petra Praetorius.“
Walter betrachtete sie mit schmalen Augen. „Aber Frau Praetorius scheinen nicht sehr glücklich verheiratet zu sein.“
„Doch, ich bin glücklich verheiratet, und ich liebe meinen Mann. Claus hat zwar seine Fehler, aber im Großen und Ganzen ist er ein wunderbarer Mensch.“
„Trotzdem“, sagte Walter Schmidt, „streunst du durch die Stadt wie ein herrenloses Kätzchen. Bist du auf der Suche nach einem Abenteuer? Entschuldige, wenn ich dich das so direkt frage.“
„Nein, ich bin nicht auf der Suche nach einem Abenteuer. Oder doch. Ach, ich weiß nicht. Es ist auf jeden Fall nicht so, wie du denkst.“
Er lächelte. „Woher willst du wissen, was ich denke? Kannst du neuerdings Gedanken lesen? Hat Claus Praetorius dir das beigebracht?“
„Ich möchte mich mit dir nicht über meinen Mann unterhalten, Walter.“
Er nickte. „Okay. Worüber möchtest du mit mir reden?“
,,Du siehst schlecht aus, bist mager geworden.“
Er strich mit der Hand leicht über seinen Magen. „Ich war krank, hatte ein Magengeschwür, bin in der Seeberg-Klinik operiert worden.“
„Ich war auch in der Seeberg-Klinik.“
Er sah sie überrascht an. „Weshalb? Warst du auch krank? Was hat dir gefehlt?“
„Nichts.“
„Wer legt sich ins Krankenhaus, wenn ihm nichts fehlt?“, fragte er verwundert.
„Ich wollte definitiv wissen, ob ich Kinder kriegen kann“, erzählte Petra.
„Eine Frau wie du, ich bitte dich, man braucht dich doch nur anzusehen, um absolute Gewissheit zu haben.“
Petra seufzte schwer. „Leider ist mein Vater nicht dieser Meinung. Er ist der festen Überzeugung, dass eine Schwangerschaft für mich tödlich enden würde.“
„Das ist doch Quatsch!“
„Das finde ich auch, und das finden auch die Ärzte, die mich so gründlich wie nur irgend möglich untersucht haben. Aber mein Vater lässt die umfassenden Untersuchungsergebnisse nicht gelten. Da meine Urgroßmutter, meine Großmutter und meine Mutter die Geburt ihres ersten Kindes nicht überlebt haben, verbietet mein Vater meinem Mann, mit mir ein Kind zu zeugen.“
Ungläubig riss Walter Schmidt die Augen auf. „Er tut – was? Ich hör’ wohl nicht richtig. Er verbietet deinem Ehemann ... Also bitte sei mir nicht böse, Petra, aber wenn Claus Praetorius sich das Verbieten lässt, ist er ein ganz jämmerlicher Waschlappen.“
„Das ist er nicht!“, verteidigte sie ihren Mann. „Er will es uns beiden recht machen, aber das ist leider nicht möglich.“
„Also schlägt er sich auf die Seite des Stärkeren, und das ist in diesem Fall zweifellos dein Vater.“
Tränen traten in Petras Augen. „Ich bin nicht länger bereit, mich damit abzufinden.“ Es war, als würde in ihr ein Damm brechen.
Der viele Wein machte es ihr leicht, ihm alles zu erzählen und auch